Mülheim. Die Polizei sieht noch nicht, dass sich rechtsextrem beeinflusster Protest in Mülheim breitmachen könnte. Nicht nur das LKA ist da kritischer.

Die Mahnwache am vergangenen Sonntag für das mutmaßliche Opfer der Gruppenvergewaltigung auf dem Rathausmarkt mit rund 100 Teilnehmern könnte nicht die letzte ihrer Art gewesen sein. Im Internet kursiert schon der kommende Montag als Folgetermin.

Angemeldet hatte die erste Mahnwache das rechte Bündnis „NRW stellt sich quer“. Während die Polizei (noch) keinen Grund zur Besorgnis sieht, haben Landeskriminalamt und Verfassungsschutz ein Auge auf das, was sich da möglicherweise als Protestbewegung zu etablieren sucht.

Polizei: Offenbar Leute aus dem bürgerlichen Spektrum

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Die Mahnwache am vergangenen Sonntag war ohne Vorfälle verlaufen. Teilnehmer kritisierten insbesondere einen laschen Umgang des Staates mit straffällig gewordenen Minderjährigen. Angemeldet worden sei die Mahnwache von einem Gelsenkirchener, am Freitag vor der Mahnwache, „kurz vor Büroschluss“, sagte die Polizei am Mittwoch, zwei Tage nach einer ersten Anfrage dieser Zeitung.

Zu den Personen, die sich vor dem Rathaus versammelt haben, hieß es: „offenbar Leute aus dem bürgerlichen Spektrum“. Man habe zur Beobachtung auch „Fachbeamte“, offenbar szenekundig, vor Ort gehabt. Es gebe aber keine Erkenntnisse, dass polizeibekannte Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum unter den Demonstranten gewesen seien.

Landeskriminalamt hat die rechten Bündnisse „auf dem Schirm“

Das Landeskriminalamt, an das die Essener Polizeibehörde noch am Montag für Auskünfte rund um die Mahnwache verwiesen hatte, sieht die Situation schon jetzt kritischer: Sowohl das Bündnis „NRW stellt sich quer“ als auch das Bündnis „NRW schaut nicht weg“, das am Sonntag ebenfalls am Rathausmarkt präsent war, stünden unter Beobachtung. „Wir haben sie definitiv auf dem Schirm“, so LKA-Sprecherin Heidi Conzen.

Gibt es nach der Gruppenvergewaltigung weitere Demonstrationen in Mülheim? Der Polizei ist bislang nichts bekannt, im Internet kursiert ein Termin.
Gibt es nach der Gruppenvergewaltigung weitere Demonstrationen in Mülheim? Der Polizei ist bislang nichts bekannt, im Internet kursiert ein Termin. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Die Bündnisse werden als politisch rechts gerichtet geführt. Erstmalig seien beide Gruppierungen im Mai aufgetreten, so Conzen. Das Bündnis „NRW stellt sich quer“ sei aus den „Patrioten NRW“ hervorgegangen, auch gebe es personelle Überschneidungen zwischen den Patrioten und dem Bündnis „NRW schaut nicht weg“. Laut NRW-Verfassungsschutzbericht sind die Patrioten, eine Kleinstgruppe aus dem Bergischen Land, erstmals 2018 in Erscheinung getreten. Seitdem melden sie immer wieder Versammlungen an, an denen eine „Mischszene“ teilnimmt.

Versammlungen ziehen Wutbürger, Rocker, Hooligans und Rechtsextreme an

Als „Mischszene“ bezeichnet der Verfassungsschutzbericht das Teilnehmerspektrum bei Versammlungen. Sie umfasse sogenannte Wutbürger, Rocker, Hooligans und Angehörige der rechtsextremistischen Szene. An einer Kundgebung der „Patrioten NRW“ nahmen im Juni 2018 in Solingen auch 50 Angehörige der Identitären Bewegung teil, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, da sie sich „gegen die Menschenrechte und eine pluralistische Demokratie richtet“

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Die größte Versammlung mit „Mischszenen“ registrierte der Verfassungsschutzim März 2018 in Bottrop– mit 1000 Teilnehmern. Veranstalterin war eine Gruppierung, die sich „Mütter gegen Gewalt“ nennt. Slogans, die dabei immer wiederkehren: Merkel muss weg, Widerstand, Abschieben. Gelsenkirchen, Gladbeck, Essen: Das Ruhrgebiet war häufiger Schauplatz solcher Auftritte.

Rechtsextreme nutzen Veranstaltungen, um ihre Positionen zu streuen

Bei den zwei Demonstrationen in Mülheim am Sonntag und Montag nannte sich eine Gruppierung „Eltern gegen Gewalt“, auch diesen Bündnis-Namen verbinden die Verfassungsschützer mit den „Mischszenen“. Wie anderswo, stellten sich Bündnis-Vertreter auch in Mülheim als harmlose, besorgte Eltern dar, die nichts mit dem rechten Spektrum zu tun hätten.

Der NRW-Verfassungsschutz stellt die Lage so dar: „Rechtsextremisten wird durch solche Veranstaltungen die Gelegenheit geboten, ihre demokratie- und fremdenfeindlichen Positionen außerhalb der eigenen engeren Szene zu verbreiten. Zudem zeigen Hooligans, Rocker und ,Wutbürger’, dass sie eine Abgrenzung vom Rechtsextremismus als irrelevant oder gar als falsch ansehen. Rechtsextremisten begrüßen diese Entwicklung und überlegen, wie man diese überwiegend fremdenfeindlich motivierten Proteste weiter radikalisieren kann.“

Polizei: Bisher keine Erkenntnisse für eine mögliche Gefährdungslage

Ist es das, was am Sonntag und Montag auf dem Rathausmarkt zu beobachten war? „Wenn wir erkennen, dass Mahnwachen wiederholt angemeldet werden, kann sich das Bild ändern. Bisher haben wir aber keine Erkenntnisse, dass sich eine mögliche Gefährdung ergeben könnte“, sagt ein Sprecher der örtlichen Polizei.

Eine weitere Demonstration ist laut Polizei nicht angemeldet, im Netz wird aber schon der kommende Montag, 18.30 Uhr kolportiert.

Berichterstattung zur mutmaßlichen Vergewaltigung in Mülheim