Herne. Die „Gute Stube“ galt in den vergangenen Jahren regelmäßig als Kandidat für einen Michelin-Stern. Nun ändert sie ihr Konzept.

Das Team stecke zwar gerade mitten in der Findungsphase, erzählen Hendrik und Christina van Dillen im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion, doch in welche Richtung es mit der „Guten Stube“ am Herner Stadtgarten ab dem 22. August geht, offenbaren erste Probe-Bierdeckel. „Weniger Hemd, mehr Polo“ steht auf einem, „weniger steif, mehr locker“ lautet das Motto auf dem anderen.

Die Probleme: Kosten für Energie und Lebensmittel sowie Fachkräftemangel

Auslöser für den Richtungswechsel sei die Feststellung gewesen, dass sich in der Gastronomie die Zeiten geändert haben. Nach wie vor seien die Energiekosten enorm hoch, darüber hinaus plage der Fachkräftemangel die Gastronomie. Der „Sous Chef“ - die rechte Hand des Chefkochs - sei gerade in Rente gegangen, so eine Position sei kaum nachzubesetzen. Hinzu kämen die Kostensteigerungen für die Lebensmittel. Diese Kostensteigerungen ließen sich einfach nicht mehr auf die Produkte umlegen. „Wenn ich von den Gästen für ein Menü 200 Euro verlangen müsste, würden wir in Herne am Markt vorbei agieren“, so van Dillen. Zwar gebe es Gäste, die selbst aus Düsseldorf nach Herne kommen, weil sie vom Preis-Leistungs-Verhältnis begeistert sind - aber der Andrang beschränke sich höchstens auf Freitag und Samstag, mittwochs oder donnerstags kämen die Gäste nicht in ausreichender Zahl.

Das mag auch damit zusammenhängen, dass wohl mancher potenzielle Gast denke, dass er gleich das 7-Gänge-Menü essen muss, wenn er in die Gute Stube geht - und dann eher ins „Stübchen“ eine Etage tiefer abbiege. Das jedenfalls werde mit seiner lockeren Atmosphäre und dem gutbürgerlichen Essen sehr gut angenommen.

Es bliebt der Anspruch, das beste Restaurant in Herne zu sein

Van Dillen: „Wir wollen nicht das Stübchen kopieren, aber wir wollen in der Guten Stube etwas lockerer werden und für jene Gäste interessant werden, die einfach nur mal einen Gang essen wollen. Ohne drei Vorspeisen und Käsewagen hinterher.“ Der Anspruch sei aber nach wie vor, als Gute Stube das beste Restaurant in der Stadt zu sein. Doch der Aufwand wie bei einem französischen 7-Gang-Menü sei nicht mehr zu bezahlen. Dabei bleibe am Ende eigentlich kein Gewinn über. Oder er müsse Preise verlangen, die er selbst nicht mehr verantworten könne.

Dabei sei die Gute Stube ab 2017 - mit der Ankunft des neuen Küchenchefs - steil im Aufwind gewesen. „Der Gästezuspruch war gut, auch über die Stadtgrenzen hinaus.“ Doch dann kam Corona und sorgte in der gesamten Gastronomie für einen Einbruch. Zwar habe das Restaurant am TV-Format „Mein Lokal, Dein Lokal“ teilgenommen und auf sich aufmerksam machen können, doch beide Ausstrahlungen hätten ausgerechnet jeweils zu Lockdown-Zeiten stattgefunden, sodass sie keinen Gäste-Effekt für das Restaurant hätten auslösen können.

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Die vergangenen zwei Jahre schließlich hätten deutlich gezeigt, was die Gäste möchten - und was eben nicht. Das Essen müsse hochwertig sein und die Gäste würden eine lockere Atmosphäre bevorzugen - deshalb werde sich auch optisch etwas ändern. „Wir wollen uns wieder dem Markt öffnen, der uns ein bisschen verloren gegangen ist. „Man kann einfache Gerichte, die jeder mag, anspruchsvoll und interessant interpretieren.“ Van Dillen zeigt sich zuversichtlich, dass der ein oder andere Herner dieses Konzept dankbar annimmt. „Es ist Zeit, etwas Neues zu machen.“

Thorsten Brodal, Chefkoch in der „Guten Stube“.
Thorsten Brodal, Chefkoch in der „Guten Stube“. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Das heißt zugleich: Nach einem Michelin-Stern greift man in der Guten Stube nicht mehr. Dieser Stern sei zwar nie ausgesprochenes Ziel gewesen, denn wenn es nicht klappe, sei man jedes Jahr aufs Neue enttäuscht. Allerdings sei auch unbestritten, dass man schon in diese Richtung gekocht habe. Küchenchef Thorsten Brodal habe bewiesen, dass er es kann - schon bevor er nach Herne gekommen sei. Ebenso wie sein Vorgänger Suvad Memovic. „Und unsere Gäste sagen, dass wir längst den Stern verdient hätten“, so van Dillen.

Doch die Gute Stube ist nie in den erlauchten Kreis aufgenommen worden. Über die Gründe will Hendrik van Dillen nicht spekulieren. Die Tester hätten die Gute Stube 2018 besucht, seien begeistert gewesen, hätten ihren Folgebesuch angekündigt - der nie erfolgt sei. Zwar würden im Michelin wohlwollende Dinge über das Haus stehen, aber die Tester seien nicht wiedergekommen.