Herne. Möhrengrün, Kohlrabiblätter oder Knochen? Viel zu schade, um sie wegzuwerfen. Zwei Herner Kochprofis haben Ideen, wie man solche Reste verwertet.
An den Feiertagen wird groß aufgetischt. Es gilt die Devise: Zum Feste nur das Beste. Da wird jede Menge Fleisch geschnitten sowie Gemüse geschnipselt und geschält. Knochen, Schalen und Strünke? Landen in den allermeisten Fällen im Abfall. Dabei könnte man aus ihnen oft noch etwas Leckeres zaubern. Die WAZ hat zwei Profis gefragt, wie es geht: Reste nach dem Feste.
In den Gemüseabteilungen der Supermärkte ist es ein vertrautes Bild: Unter den Fächern für Kohlrabi oder Möhren stehen Kisten, in denen Kohlrabiblätter und Möhrengrün liegen. Die erste Station Richtung Biotonne. Wenn die Menschen nur wüssten, zu welchen Ehren sie noch in der Küche kommen könnten. Die Herner Köchin Pia-Engel Nixon (sie kocht im SAT1-Frühstücksfernsehen und in Herne unter anderem für die Gesellschaft zur Förderung der Integrationsarbeit) sowie ihr Kollege Thorsten Brodal, Chefkoch in der Guten Stube, lassen gedanklich sofort den Kochlöffel kreisen. Kohlrabiblätter könne man genauso wie frischen Blattspinat mit Zwiebeln, Knoblauch und etwas Butter sautieren, so Nixon. Thorsten Brodal schlägt unter anderem vor, die Blätter zu füllen: Große Blätter kurz in kochendem Wasser blanchieren, danach in Eiswasser abschrecken. Eine Füllung aus gekochtem Risotto-Reis mit Schafskäse und Kräuter darin einwickeln wie eine Roulade, in eine feuerfeste Form einsetzen, mit Olivenöl beträufeln und im Ofen bei 160 Grad erhitzen.
Beim Möhrengrün sind sich beide einig: Das eigne sich wunderbar als Pesto mit Pinienkernen, Parmesan, Olivenöl, Knoblauch, Salz und Pfeffer. Das funktioniere auch mit Radieschenblättern.
Dass Nixon und Brodal diese Art der Resteverwertung mal eben aus der Schürze schütteln, hat mehrere Gründe: Selbstverständlich, weil sie Profis am Herd sind und die Verwendung der Waren bestens kennen. Es habe auch mit der Kalkulation in der Gastronomie zu tun, wissen beide. „Alles, was im Müll landet, was man noch verkaufen könnte, ist bares Geld“, erzählt Nixon. In ihrem Restaurant in Sydney hätten sie jegliche Abschnitte von Gemüse gesammelt, um sie später für die Zubereitung von Brühen zu verwenden. Das Wegwerfen von Fleischabschnitten und Knochen sei quasi bei Strafe verboten gewesen. Viel zu wertvoll, weil man sie noch für Brühen oder Saucen verwende könne. „Wir haben versucht, alles zu nutzen.“ Und Torsten Brodal ergänzt, dass er sich vor dem Einkauf überlege, was er alles mit den Produkten kochen kann.
Deshalb wissen Nixon und Brodal, dass die Stiele von Blumenkohl und Brokkoli keineswegs den Weg in die Biotonne gehen müssen. Der Brokkoli-Stiel etwa sei sehr zart und erinnere in seinem Geschmack an Kohlrabi.
Altes Brot kann bei den beiden Profis gleich mehrere neue Karrieren einschlagen: einerseits ganz klassisch zur Herstellung von Semmelknödeln. Dazu das Brot in Würfel schneiden, geschälte Zwiebel in Würfel schneiden. Milch aufkochen und über das Brot geben, dann abschmecken mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss so wie etwas gehackte Petersilie und Majoran im Anschluss noch ein paar Eier hinzugeben dann alles vermengen. Brotmasse zu kleinen Knödeln Formen und in siedendem Wasser garen. Thorsten Brodal kann sich außerdem noch einen Brotauflauf vorstellen, der auch in die süße Richtung gehen kann.
Kartoffelschalen? Die Expertin und der Experte sind sich einig: Chips! Die rohen Kartoffelschalen gut waschen. Achtung: grüne Stellen wegschneiden! Die Schalen mit zum Beispiel Salz & Paprikapulver oder Chilipulver würzen, dann auf ein Backblech mit Backpapier legen und mit Öl beträufelt im vorgeheizten Ofen bei 200 Grad garen bis sie knusprig und goldbraun sind.
Das ist so simpel, dass man es kaum Rezept nennen kann. Da stellt sich die Frage, warum nur wenige Menschen diese Art der Resteverwertung nutzen? Dafür haben Nixon und Brodal mehrere Erklärungen: „Viele Menschen kochen gar nicht mehr“, lautet Nixon Feststellung. Deshalb wüssten sie gar nicht, wie man Lebensmittel zubereitet.
Es könne aber auch damit zu tun haben, dass es der Wohlstandsgesellschaft zu gut gehe. Es bestehe ja keine Notwendigkeit, die Reste zu verwerten, wenn Gemüse und Fleisch in ausreichenden Mengen verfügbar seien. Sie selbst habe noch miterlebt, wie ihre Großmutter selbst Gemüse angebaut und Butter sowie Käse gemacht habe, so Nixon. Thorsten Brodals Großeltern hatten ebenfalls Gärten mit Obst und Gemüse, sein Vater war Metzger. Deshalb ist der Bezug zu den Produkten viel stärker als bei Stadtmenschen, die mit Fertiggerichten groß geworden sind.
Nixon sieht allerdings auch Potenzial für eine Art Rückbesinnung zur Komplettverwertung: Einerseits könnten die steigenden Preise ein Bewusstsein schaffen, andererseits könnte der Trend zu weniger Verschwendung einen Beitrag leisten.
>>>WEITERE RESTE-IDEEN
■ Nixon und Brodal haben auch für weitere Reste Ideen: So gibt es in manchen Rezepten den Schritt, dass man Gurken entkernen soll. Die Kerne könne man für eine kalte Gurkensuppe oder eine Gazpacho verwerten, so Nixon. Thorsten Brodal sagt, dass er bei der Gurke immer die ganze Frucht nutze, also auch Kerne und Schale, auch er nennt die kalte Gurkensuppe und die Gazpacho als Beispiel.
■ Beide nutzen auch Obstschalen und Ingwerschalen als Zutaten für Tees.