Herne. Eine Praktikantin ist in einem Herner Krankenhaus nach zwei Wochen rausgeschmissen worden. Grund: ihr Kopftuch. Was der Klinikbetreiber sagt.
Melda (24) ist wütend. Zwei Wochen nach dem Beginn ihres Praktikums im St. Marien Hospital in Herne wurde sie rausgeschmissen. Mit einem Kopftuch, so habe man ihr den Schritt nach Dienstschluss am Telefon begründet, dürfe sie nicht in dem Krankenhaus arbeiten. „Ich fühle mich sehr diskriminiert“, sagt sie zur WAZ.
Melda, die nur ihren Vornamen nennen möchte, macht eine Ausbildung zur Ergotherapeutin im Bochumer „Max Q“, einem Bildungszentrum für Gesundheitsberufe. Nun, zu Beginn des letzten Ausbildungsjahrs, steht ein dreimonatiges Pflichtpraktikum an. Die Hernerin bewarb sich deshalb im St. Marien Hospital, einer Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Ortsteil Eickel. Beim Vorstellungsgespräch vor Weihnachten habe sie ein Kopftuch getragen, gestört habe sich daran niemand. Dann bekam sie die Zusage. Im Januar trat sie ihr Praktikum an.
Herner Muslimin: Ich möchte meine Religion ausleben
In den ersten zwei Wochen habe niemand Anstoß an ihrem Kopftuch genommen, erzählt Melda. Sie habe „ganz normal“ ihre Arbeit verrichtet, sei dabei auch viel in der Klinik unterwegs gewesen. Dann der Schock: Nach ihrer Schicht sei sie am Nachmittag vom St. Marien Hospital angerufen und vor die Wahl gestellt worden: „Entweder Sie nehmen das Kopftuch ab, oder Sie müssen das Praktikum abbrechen.“ Sie mache ihre Arbeit gut, aber das Tragen von Kopftüchern sei im Hause nicht erlaubt, so die Begründung. Da sei ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Dennoch sei für sie sofort klar gewesen: Das Kopftuch bleibt. „Das ist meine freie Entscheidung. Ich möchte meine Religion ausleben“, erklärt die Muslimin mit türkischen Wurzeln.
Dass alle Herner Kliniken Kopftücher beim Personal ablehnen, ist nicht neu. Sowohl die katholische St. Elisabeth-Gruppe, zu der das St. Marien Hospital gehört, als auch die Evangelische Krankenhausgesellschaft haben das festgelegt. „Unvoreingenommenheit und Zuwendung sind im Kontakt mit den Patienten für uns wichtig. Entsprechend erwarten wir von unseren Mitarbeitern ein neutrales Erscheinungsbild am Arbeitsplatz, an dem die Behandlung der Patienten im Fokus steht“, erklärt Sabine Edlinger, Mitglied der Geschäftsleitung der Elisabeth-Gruppe, der WAZ. Sie fügt an: „Symbolische Glaubensbekenntnisse dürfen nach unserer Auffassung am Arbeitsplatz nicht im Vordergrund stehen.“
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Klinikbetreiber spricht von Missverständnis
Nur: Warum hat man das der jungen Frau aus dem Ortsteil Röhlinghausen nicht spätestens beim Vorstellungsgespräch gesagt? Sondern sie nach zwei Wochen ohne Fehl und Tadel rausgeworfen? Und das auch noch telefonisch, ohne klärendes, persönliches Gespräch? Das sei entwürdigend gewesen, so die gebürtige Hernerin. Jemand vom Personal habe jemandem in der Klinikleitung offenbar einen Hinweis gegeben, dass eine Mitarbeiterin mit Kopftuch im Krankenhaus arbeitet. Und die habe dann gehandelt. Folge auch: Plötzlich habe sie ohne Praktikum dagestanden. Das aber brauche sie: Ohne Praktikum kein Abschluss.
Die St. Elisabeth-Gruppe gibt sich zerknirscht. Grundsätzlich gelte: Bewerbern, die mit Kopftuch zu einem Vorstellungsgespräch erscheinen, werde in dem Gespräch mitgeteilt, dass sie das Kopftuch während der Arbeitszeit nicht tragen könnten, sagt Sabine Edlinger vom Krankenhausträger. Der Elisabeth-Gruppe tue es „sehr leid“, dass Melda nicht bereits in ihrem Bewerbungsgespräch darüber informiert wurde. Das sei „sehr bedauerlich“. Das Unternehmen wolle nun klären, „wie es zu diesem Missverständnis kommen konnte, damit dies zukünftig nicht wieder vorkommt“.
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Die Geschäftsleitung der Gruppe hingegen, fügt Edlinger an, sei über „diese Details“ nicht informiert gewesen. „Wenn wir dies gewusst hätten“, sagt sie, hätte die Frau „das Praktikum mit Kopftuch bei uns weitermachen können, weil der Fehler in der Kommunikation bei uns lag“, sagt sie.
Melda hat mittlerweile einen neuen Praktikumsplatz in Essen gefunden. Dort darf sie das Kopftuch tragen.
>> WEITERE INFORMATIONEN: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hat 2014 entschieden, dass kirchliche Einrichtungen das Tragen eines Kopftuches als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben bei Angestellten verbieten dürfen. Hintergrund war ein Fall aus Bochum: Eine türkischstämmige Krankenschwester wollte in der evangelischen Augusta-Klinik mit Kopftuch arbeiten, die Klinik lehnte ab. Deshalb wurde das Gericht eingeschaltet.
Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen wurde mit dem Urteil höher bewertet als das individuelle Recht auf Religionsfreiheit und die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von kirchlichen Einrichtungen sind damit mindestens zu neutralem Verhalten verpflichtet.