Herne/Bochum. Eine Studentin durfte im Marien Hospital in Herne ihr Praktikum nicht antreten, weil sie ihr Kopftuch nicht ablegte. Die 20-Jährige ist entsetzt.

Die Studentin Salma ist schockiert und wütend. Die 20-Jährige wollte im Herner Marien Hospital ihr fünftägiges Praktikum antreten, wurde aber wieder nach Hause geschickt, weil sie ihr Kopftuch nicht ablegen wollte. „Skandalös“ sei das und „sowohl moralisch als auch menschlich äußerst verwerflich“, klagt sie. Das Krankenhaus in Herne sieht das anders.

Es war der Montag vor einer Woche, das Sturmtief „Sabine“ fegte gerade durchs Ruhrgebiet, als der Studentin für Ergotherapie auch im Marien Hospital am Hölkeskampring der Wind mächtig ins Gesicht blies. Wenn sie ihr Kopftuch nicht ablege, dann dürfe sie in der Uni-Klinik kein Praktikum machen, teilte man der Bochumerin am Morgen zur Begrüßung mit. Salma, die ihren Nachnamen nicht der Öffentlichkeit preisgeben und nicht erkannt werden möchte, ging nach Hause – tief getroffen. „Das ist pure Diskriminierung“, meint sie. Und: Das Verhalten des Krankenhauses sei unverschämt, unmenschlich und entwürdigend, sagt sie zur WAZ.

Hochschule schickte sie für Praktikum ans Marien Hospital

Sie sei Muslimin, deshalb trage sie ein Kopftuch, erklärt die Studentin der Bochumer Hochschule für Gesundheit. Sie habe marokkanische Wurzeln, sei in Deutschland geboren und habe einen deutschen Pass. Dass sie in der Fußgängerzone wegen ihres Kopftuchs schon mal schräg angesehen werde oder Sprüche ernte, überrasche sie ja nicht mehr. Dass sie aber im Jahr 2020 wegen „eines Stück Stoffs“ daran gehindert werde, in einem deutschen Krankenhaus ein Pflicht-Praktikum für ihr Studium zu machen, erschüttere sie zutiefst. Es sei ihre Hochschule gewesen, die sie für ihre Praxiswoche an das Marien Hospital geschickt habe.

Er erwartet von seinen Mitarbeitern „ein neutrales Erscheinungsbild am Arbeitsplatz“: Theo Freitag, Chef der St. Elisabeth Gruppe.
Er erwartet von seinen Mitarbeitern „ein neutrales Erscheinungsbild am Arbeitsplatz“: Theo Freitag, Chef der St. Elisabeth Gruppe. © Elisabeth-Gruppe | OH

Das Tragen von Kopftüchern am Arbeitsplatz sei in den Krankenhäusern der St. Elisabeth-Gruppe, zu der auch das Marien Hospital in Herne-Süd gehört, nicht erlaubt, sagt Geschäftsführer Theo Freitag zur WAZ. Unvoreingenommenheit und Zuwendung seien im Kontakt mit den Patienten für das Unternehmen wichtig. „Entsprechend erwarten wir von unseren Mitarbeitern ein neutrales Erscheinungsbild am Arbeitsplatz, an dem die Behandlung der Patienten im Fokus steht“, betont Freitag. Und fügt an: „Symbolische Glaubensbekenntnisse haben keinen Vorrang am Arbeitsplatz.“

Ähnliche Regelung im Evangelischen Krankenhaus

Damit steht die katholische St. Elisabeth-Gruppe, die in Herne unter anderem auch das Rheuma-Zentrum Ruhrgebiet, das St. Anna-Hospital und das St. Marienhospital betreibt, nicht alleine da. Auch die Evangelische Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel, die Kliniken in Herne-Süd und Eickel hat, duldet während der Arbeitszeit keine Kopftücher beim Personal. EvK-Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter verweist auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das entschieden hat, dass kirchliche Einrichtungen das Tragen eines Kopftuches als „Symbol des islamischen Glaubens“ verbieten dürfen (siehe Infokasten).

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht hat 2014 entschieden, dass kirchliche Einrichtungen das Tragen eines Kopftuches als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben verbieten dürfen. Hintergrund war ein Fall aus Bochum: Eine türkischstämmige Krankenschwester wollte in der evangelischen Augusta-Klinik mit Kopftuch arbeiten, die Klinik lehnte ab. Deshalb kam der Fall bis vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen wurde mit dem Urteil höher bewertet als das individuelle Recht auf Religionsfreiheit und die Bestimmungen des AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes). Mitarbeiter von kirchlichen Einrichtungen sind damit mindestens zu neutralem Verhalten verpflichtet.

Selbstverständlich sei es jedem Mitarbeiter aber freigestellt, welche Religionszugehörigkeit er hat, betont Bitter. „Gerade den Angehörigen des muslimischen Glaubens stehen wir sehr aufgeschlossen gegenüber“, sagt er und verweist auf einen eigenen Gebetsraum für Muslime am Standort an der Wiescherstraße. Zudem sei eine große Anzahl der Mitarbeiter muslimischen Glaubens, und hochrangige Leitungspositionen im EvK Herne seien von Angehörigen dieses Glaubens besetzt.

Für die Studentin aus Bochum-Querenburg, die ihr Abitur am Alice-Salomon-Berufskolleg in Bochum gemacht hat, bedeutet das: In einem Herner Krankenhaus sowie einer der anderen Einrichtungen von St. Elisabeth-Gruppe oder EvK wird sie als ausgebildete Ergotherapeutin später nicht arbeiten können – es sei denn, sie legt ihr Kopftuch ab. Das will sie auf keinen Fall: „Ich trage es nicht aus Lust und Laune, sondern aus religiöser Überzeugung.“