Herne. Die Stadt Herne will nun auch Alternativen zu dem geplanten Tunnel in Herne-Mitte prüfen. Das kündigte Hernes OB Frank Dudda im WAZ-Interview an.

Bleibt es beim Tunnelbau in Herne-Mitte? Die WAZ traf sich zum Start der Cranger Kirmes auf dem Rummel mit Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) zum Sommerinterview. Der 59-Jährige gab über das Tunnelprojekt Auskunft, außerdem sprach er über die Folgen des Ukraine-Kriegs, die Cranger Kirmes, SPD und das Seilbahn-Projekt

Herr Dudda, duschen Sie jetzt kürzer?

Ich dusche auf jeden Fall kälter. Aber ich bin kaltes Duschen gewöhnt, das macht mir nichts aus.

In der Folge des Ukraine-Krieges sind viele Bürgerinnen und Bürger wegen der steigenden Preise verunsichert bis verzweifelt. Befürchten Sie soziale Verwerfungen in Herne?

Ich mache mir Sorgen, denn auch für die Menschen in Herne werden beispielsweise die Gasrechnungen ab dem 1. Oktober leider deutlich höher ausfallen. Aber ich verlasse mich auf die Aussage von Bundeskanzler Scholz, der zugesagt hat, die Folgen des Ukraine-Krieges mit Hilfen des Bundes deutlich abzumildern. Ich hoffe sogar, dass die Bundesregierung endlich die Kraft findet, sich dabei auf diejenigen zu konzentrieren, die wirklich besondere Unterstützung brauchen.

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Was schlagen Sie vor?

Die Bundesregierung sollte sich auf Rentner mit kleinen Renten und finanzschwache Haushalte konzentrieren. Damit kann man nachhaltig und wirkungsvoll das Schlimmste abmildern. Wenn Hilfen wieder mit der Gießkanne verteilt werden, dann hilft das dem Einzelnen bei der Gasrechnung nicht weiter – und uns als Stadtgesellschaft ebenso nicht. Menschen mit geringem Einkommen muss stärker geholfen werden.

Wenn die Menschen weniger Geld zur Verfügung haben, sinkt auch die Kaufkraft. Es gibt eine Schätzung, dass der Kaufkraftverlust allein für Herne jetzt schon einen zweistelligen Millionenbetrag ausmacht. Was bedeutet das für Herne?

Das bedeutet, dass wir auf jeden Fall in ein schwierigeres Fahrwasser geraten. Und es bedeutet auch, dass der Haushalt der Stadt Herne nur mit aller größter Kraftanstrengung überhaupt über Wasser gehalten werden kann. Im Moment liegen wir deutlich unter Wasser.

Die Energiepreise steigen – gerade für Menschen mit einem niedrigen Einkommen ist das ein großes Problem.
Die Energiepreise steigen – gerade für Menschen mit einem niedrigen Einkommen ist das ein großes Problem. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Wie tief?

Das kann man einfach erklären: Der städtische Haushalt hat ein Volumen von rund 600 Millionen Euro. Bei einer Inflationsrate von nur fünf Prozent bedeutet das Zusatzausgaben von 30 Millionen Euro. Wir wissen noch nicht, wie wir diese finanzielle Lücke bis zum Jahresende geschlossen bekommen.

Durch Steuererhöhungen wäre das möglich.

Ja, auch das ist nicht auszuschließen. Und damit sind wir nicht allein: Mit diesem Thema wird sich jede Stadt in Deutschland im Herbst auseinandersetzen müssen.

Die explodierenden Energiepreise spielen bei der Inflation eine zentrale Rolle. Wir berichteten zuletzt, dass die Stadt die Raumtemperatur und die Temperatur der Lehrschwimmbecken um ein Grad drosseln will. Andere Städte gehen da viel weiter: Da wird zum Beispiel das warme Wasser in Turnhallen-Duschen abgedreht, Ampeln oder Beleuchtungen werden nachts ausgestellt. Macht die Stadt Herne genug, um Energie zu sparen?

Es gibt da auch viel Aktionismus. Wir haben Berater, die sich mit uns auf den Weg gemacht haben, um zu schauen, welche Potenziale es gibt. Erste Punkte haben wir da bereits herausgearbeitet. Gerade beim Thema Beleuchtung bin ich bei Ihnen. Wir werden noch stärker auf LED setzen, also überall dort, wo möglich, Lampen auf LED-Beleuchtung umstellen. Weitere Potenziale werden wir nach und nach heben. Ein Beispiel: Wir schauen, wo wir in städtischen Gebäuden mit Wärmepumpen arbeiten können. Klar ist aber: Das alles geht nicht über Nacht: Das sind Prozesse, die bis 2024 und auch darüber hinaus Zeit benötigen.

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Dauert auch die Stadtentwicklung länger? Hat der Ukraine-Krieg die Stadtentwicklung ausgebremst?

Er wirft uns zurück, aber nicht um. Herne ist erstaunlich resilient geworden. Die großen Projekte bringen wir gemeinsam mit unseren Partnern unverändert an den Start. Das unterscheidet Herne von anderen Städten. Ich nenne Ihnen gerne einige Beispiele: Die große Zahnklinik in Herne-Mitte, das Zentrum für Musik, der Europagarten und das Mömax-Möbelhaus in Herne-Mitte sind genauso auf dem Weg wie das Lidl-Verteilzentrum in Herne-Süd, das Rathaus-Carree in Wanne-Eickel oder die Neue Mitte Baukau. Darüber hinaus gibt es weitere Vorhaben, die in Planung sind. So arbeiten wir weiter daran, den Gesundheitsstandort Herne noch stärker auszuweiten. Wir haben dazu die beide großen Krankenhaus-Träger, die St. Elisabeth-Gruppe und die Evangelische Krankenhausgemeinschaft, ermuntert, weitere Bausteine zu ihrem Angebot hinzuzufügen und helfen, wo wir können. Nicht zuletzt arbeiten wir an einer weiteren sehr bedeutenden großen Ansiedlung eines Unternehmens. Mehr kann ich dazu aber noch nicht verraten.

Ein weiteres Projekt der Stadt ist die Seilbahn, die gebaut werden soll, um Menschen zwischen dem zu entwickelnden Blumenthal-Areal und Wanne-Mitte zu transportieren. Was gibt es da Neues?

Da sind wir weiter am Ball und arbeiten gerade die Pläne dafür aus. Dabei skizzieren wir etwa, wie der Verlauf der Seilbahn aussehen könnte. Oder, wie sie in Sachen Taktung und Tarif in den ÖPNV eingebunden werden kann. Im Herbst wollen wir die Ergebnisse unserer Lokalpolitik vorstellen und um den Auftrag bitten, weiter an dem Projekt arbeiten zu können. Es hat ein Volumen von über 30 Millionen Euro. Wir hoffen, dass wir hierfür eine Förderzusage der Bundesregierung erhalten.

Im Interview mit der WAZ: Hernes OB Frank Dudda.
Im Interview mit der WAZ: Hernes OB Frank Dudda. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Kurz vor der Sommerpause wurde auch bekannt, dass die Stadt am Bahnhof Herne einen Tunnel plant, um das geplante Funkenberg-Quartier besser anzubinden und den Verkehr zu entlasten. Lob gab es kaum, dafür viel Kritik. Bleibt es beim Tunnel?

Wir werden uns die Tunnel-Lösung noch einmal genau anschauen und dabei auch prüfen, ob es andere Lösungen gibt. Ich plädiere aber dafür, den Bebauungsplan jetzt erst einmal abzuschließen, weil er auch Auswirkungen hat für die weiteren Flächen im Funkenberg-Quartier. Zwischen der Feststellung des Planes und dem Bau liegen aber in der Regel noch zwei, drei Jahre. Diese Zeit können wir nutzen, um Alternativen zum Tunnel abzuklopfen.

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Noch mal zurück zum Ukraine-Krieg, diesmal aber mit Blick auf die Bundespolitik. Wie bewerten Sie das Vorgehen der Ampel?

Ich bin mit der Herangehensweise von Bundeskanzler Scholz sehr zufrieden. Er agiert behutsam und durchdacht. Dabei hält er immer den Austausch mit den USA und der EU und hat die Folgen seines Handelns sehr genau im Blick. Es gab aber Defizite in der Kommunikation. Die kann man nicht wegdiskutieren.

Und was halten Sie von Annalena Baerbock und Robert Habeck von den Grünen? Kurz vor dem Jahreswechsel sagten Sie im WAZ-Interview nach der Bundestagswahl, dass Baerbock als Außenministerin nicht die richtige Besetzung sei. In dem Amt hätten Sie lieber Habeck gesehen, dafür Baerbock als Umweltministerin.

Frau Baerbock macht als Außenministerin ihre Sache tatsächlich besser, als ich es Ende vergangenen Jahres vermutet habe. Aber die Euphorie, mit der sie gelobt wird, kann ich so nicht immer teilen. Es hat mich zum Beispiel sehr gestört, dass aus dem Auswärtigen Amt keine Reaktion kam, als der ukrainische Botschafter Melnyk unseren Bundespräsidenten und unseren Bundeskanzler beleidigt hat. Herrn Habeck nehme ich momentan eher als Energie-Einkäufer denn als Wirtschaftsminister wahr. Er macht auf mich aber einen guten Eindruck, nur in seiner eigentlichen Funktion als Wirtschaftsminister kann ich ihn jetzt noch nicht bewerten. Da liegt eine weitere Herkulesaufgabe noch vor ihm.

Wie könnte eine Lösung des Ukraine-Kriegs aussehen?

Eine Lösung können nur die Ukraine und Russland finden. Die Ukraine muss dafür so stark gemacht werden, dass sie in der Lage ist, eine Verhandlungslösung mitzugestalten und nicht einem Diktat aus Moskau unterliegt.

Eine Lösung für den Ukraine-Krieg können nur die Ukraine und Russland finden: Hernes OB Frank Dudda.
Eine Lösung für den Ukraine-Krieg können nur die Ukraine und Russland finden: Hernes OB Frank Dudda. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Von Stadt und Bund noch zum Land: Die SPD ist wieder nicht in der neuen Landesregierung vertreten. Ist das ein Nachteil für Herne?

Eine weitere Landesregierung ohne SPD-Beteiligung sehe ich natürlich als Nachteil für Herne. Und: Auch, wenn ich mich darüber freue, dass das Thema Altschulden endlich angegangen werden soll: Beim Kita-Ausbau beispielsweise soll laut Koalitionsvertrag relativ wenig passieren. Themen wie Kita-Entwicklung, -Bau, -Personal oder -Finanzierung werden völlig unzureichend angepackt. Wenn die Landesregierung das überhaupt nicht als Problem anerkennt, werden wir in Herne - wie andere Städte auch - an unsere Grenzen stoßen. Der Koalitionsvertrag ist in Hinblick auf die Lage der Großstädte kein großer Wurf.

Kommen wir zu Ihrer Partei, der SPD. Die sucht jetzt nach dem angekündigten Abschied von Alexander Vogt, der im Landtag stellvertretender SPD-Fraktionschef geworden ist, einen neuen Vorsitzenden. Hendrik Bollmann hat bislang als einziger seinen Hut in den Ring geworfen. Ist er der richtige Kandidat?

Ja. Er bringt das mit, was man heute als kommunaler Spitzenpolitiker braucht. Er geht dahin, wo die Menschen sind, und stellt sich auch der Kritik. Außerdem ist er in der Lage, die größeren Zusammenhänge von Bundes- und Landespolitik gut zu erklären. Zudem hat er eine gute Art zu kommunizieren, auch in den sozialen Medien.

Alexander Vogt tritt als SPD-Kreisvorsitzender in Herne ab, Hendrik Bollmann (r.) bewirbt sich als Nachfolger.
Alexander Vogt tritt als SPD-Kreisvorsitzender in Herne ab, Hendrik Bollmann (r.) bewirbt sich als Nachfolger. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Auch die Stadt sucht bald vermutlich einen Nachfolger: Sozial- und Gesundheitsdezernent Johannes Chudziak soll zum Landesrat beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gewählt werden. Zur Stadtspitze gehören unter Ihnen bislang fünf Dezernenten. Käme im Januar 2023 dann endlich mal eine Frau?

Ich spreche mich ganz klar für eine weibliche Lösung aus. Das scheint mir auch durchaus möglich: Schon jetzt, noch bevor der Abschied überhaupt klar ist und die Stelle ausgeschrieben werden kann, gibt es schon einige Interessensbekundungen. Letztlich liegt nach einem Auswahlverfahren aber die Entscheidung bei der Politik. Im Übrigen: Wir gewinnen im Rathaus derzeit regelmäßig qualifizierte Mitarbeitende hinzu, etwa im Bereich Digitales. Das ist sehr erfreulich für Herne und für unsere Stadtentwicklung.

Die Cranger Kirmes ist gestartet. Endlich – sagen viele. Andere aber sind zurückhaltender, denn die Corona-Pandemie liegt noch immer nicht hinter uns. Erwarten Sie, dass die Corona-Zahlen durch den Rummel wieder steigen?

Knapp 97 Prozent der Erwachsenen in Herne sind geimpft. Die Cranger Kirmes wird daher kein besonderer Corona-Treiber. Das zeigen auch die vielen Festivals, die wir im Sommer bereits erlebt haben – von Bochum Total bis Parookaville. Aber ausschließen, dass es zu Corona-Erkrankungen kommt, kann ich nicht. Im Übrigen: Deutschland setzt nun auf das Prinzip der Eigenverantwortung. Diesen Kurs halte ich für richtig. Das heißt: Jeder muss sich genau überlegen, wie geschützt er auf eine solche Großveranstaltung gehen will. Dabei habe ich auch Verständnis für Menschen, die sagen, dass sie aus Gründen des Schutzes zu Hause bleiben.

Nach dem Sommer kommt der Herbst – und damit vielleicht eine neue Corona-Welle. Was erwarten Sie?

Das wird sicherlich eine Herausforderung, und für viele wird das ein ganz schwieriger Herbst. Wir werden auch Rückschläge einstecken müssen. Aber: Wir werden in Herne auch diese Herausforderungen meistern, so, wie wir schon ganz andere Krisen gemeistert haben. Wie gesagt: Herne ist viel, viel resilienter als noch vor einigen Jahren.

Entweder /Oder:

Wahrsagerin oder Achterbahn?

Das ist eine schwierige Frage. Da nehme ich die Wahrsagerin. Beim Achterbahnfahren habe ich zuweilen doch ein Schwindelgefühl.

Ob Frank Dudda auch zur Wahrsagerin geht? Das hat er nicht verraten.
Ob Frank Dudda auch zur Wahrsagerin geht? Das hat er nicht verraten. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Currywurst oder Fisch?

Da bin ich im Moment bei Fisch. Auf dem Markt kaufe ich mir immer Matjes-Brötchen.

„Ti amo“ oder „Layla“?

Ti amo. Liebe ist doch das, was wir alle wollen.

>> Zur Person: Promovierter Jurist

Frank Dudda ist seit 2015 Oberbürgermeister in Herne. Davor war er unter anderem Geschäftsführer des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK e.V.) mit Sitz in Bochum. Von 1994 bis 2015 war er SPD-Ratsherr in Herne und seit 2004 SPD-Fraktionsvorsitzender.

Sein Abitur machte Frank Dudda am Otto-Hahn-Gymnasium. Nach dem Grundwehrdienst studierte er Jura an der Ruhr-Uni Bochum, 1996 promovierte er. Der Oberbürgermeister ist verheiratet und hat einen Sohn.