Herne. Wie gut prüfen Gastronomie, Friseur und Schwimmbad den Impfnachweis? Die WAZ Herne hat den Test gemacht. Die Ergebnisse: zum Teil erschreckend.

Mittlerweile ist es schon Alltag: Bevor es ins Café, Theater oder das Restaurant geht, muss der Impfnachweis vorgezeigt werden. Aber schauen die Dienstleister auch richtig hin? Wir haben das an verschiedenen Orten in Herne getestet. In unserer Stichprobe haben wir zum Teil auch Impfnachweise von Familienmitgliedern oder auch einfach nur Screenshots vorgelegt. Alle Beteiligten aus der Redaktion sind mindestens zweimal geimpft.

Lesen Sie auch:

Nikolina Miscevic testet beim Friseur und in der Mittagspause

Es ist mal wieder Zeit für einen Haarschnitt – praktisch, das lässt sich wunderbar mit unserem Test vereinen. Und so mache ich mich auf dem Weg zu „Head Factor“ an der Bahnhofstraße in Herne-Mitte, unweit der Redaktion, hier wird auch ohne Termin geschnitten. Mein Plan, der freundlichen Friseurin am Empfang einen Screenshot als gültigen Nachweis zu verkaufen, geht direkt schief. Sie will in der App für weitere Informationen nach unten wischen. Beschämt wechsele ich von der Galerie in die CovPass-App und zeige den originalen Nachweis vor. Nachdem sie gescrollt und kurz gelesen hat, darf ich Platz nehmen.

Der Friseursalon Head Factor an der Bahnhofstraße in Herne: Hier hat das Personal unseren Test „bestanden“.
Der Friseursalon Head Factor an der Bahnhofstraße in Herne: Hier hat das Personal unseren Test „bestanden“. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Allerdings fragt mich niemand nach meinem Personalausweis. Beim Bezahlen oute ich mich als Journalistin und spreche mit „meinem Friseur“ über die 3G-Kontrollen. „Wir schauen, ob der Impfschutz vollständig ist. Nach dem Personalausweis fragen wir nur bei getesteten Personen, bei Geimpften stichprobenartig“, sagt er. „Viele unserer Kunden kennen wir ja auch.“

Im Syriana Herne gab es in unserem Test zwar keine richtige 2G-Kontrolle, dafür aber sehr leckeres Essen.
Im Syriana Herne gab es in unserem Test zwar keine richtige 2G-Kontrolle, dafür aber sehr leckeres Essen. © WAZ | Nikolina Miscevic

Zur Mittagspause mache ich mich auf ins Syriana an der Bebelstraße und bestelle einen Falafel-Teller. „Zum Mitnehmen oder hier essen“?, fragt mich ein Mann um die 30. „Hier essen, bitte.“ Er nickt und fragt: „Sind Sie geimpft oder genesen?“ Auch ich nicke. „Wollen Sie meinen Nachweis sehen?“ Der Mann lächelt unter seiner medizinischen Maske nett und winkt ab. Ich solle mir einen Platz aussuchen. Während ich auf mein Essen warte, beobachte ich, dass auch andere Gäste nach einer mündlichen Bestätigung durchgewunken werden. Die Falafel war lecker, ich bin satt, bezahle und frage nach: „Kontrollieren Sie bei allen Gästen 2G?“ „Ja klar, müssen wir“, antwortet die Bedienung. Auf die Frage, wieso er meinen Nachweis nicht sehen wollte, zuckt der Mann mit den Schultern. Der Restaurantbesitzer Radwan Al Nabelsi sagt mir später im telefonischen Gespräch: „Wir müssen kontrollieren. Dass nur gefragt wurde, reicht nicht.“ Er bedankt sich für meinen Anruf. „Ich werde mein Personal darauf hinweisen.“

Das Syriana an der Bebelstraße kontrollierte den 2G-Nachweis unserer Redakteurin nicht.
Das Syriana an der Bebelstraße kontrollierte den 2G-Nachweis unserer Redakteurin nicht. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Bianca Engelen besucht mit ihrem Sohn das Kleine Theater

Am Sonntag geht es mit meinem Sohn (4) ins Kleine Theater Herne in das Kinderstück „Käpt’n Brummbär und Paul Schlau“. An der Kasse im Eingangsbereich werde ich direkt von einem freundlichen Mitarbeiter aufgefordert, meinen digitalen Impfnachweis vorzuzeigen. Er scannt ihn mit einem Gerät und gleicht die Daten dann mit meinem Personalausweis ab. Mein Sohn muss natürlich nichts vorzeigen, er ist vier Jahre alt. Was mir auffällt: Es wird darauf geachtet, dass die Masken bis zum Sitzplatz aufgesetzt bleiben. Die Schauspieler setzen ihre Masken sogar auf, wenn sie dem Publikum nahe kommen oder Kinder zur Bühne holen. Ich bin beeindruckt von der Konsequenz, und mein Sohn hatte viel Spaß mit Käpt’n Brummbär.

Im Kleinen Theater werden die Regeln vorbildlich eingehalten, stellt Sekretärin Bianca Engelen bei einem Besuch mit ihrem Sohn (4) fest.
Im Kleinen Theater werden die Regeln vorbildlich eingehalten, stellt Sekretärin Bianca Engelen bei einem Besuch mit ihrem Sohn (4) fest. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Michael Muscheid geht Schwimmen und dann zu Tisch

Michael Muscheid benutzt für unseren Test den Impfausweis seines Sohns, der 2005 geboren ist.
Michael Muscheid benutzt für unseren Test den Impfausweis seines Sohns, der 2005 geboren ist. © Privat | Muscheid

Ab ins Südpool und eine Runde schwimmen: Die Frau an der Kasse des Schwimmbads in Herne-Süd ist sehr freundlich. Sie bittet um meinen Impfpass und Personalausweis. Was sie bekommt, ist mein Personalausweis und den gelben Impfpass meines ältesten Sohnes (16), der den selben Nachnamen, aber einen anderen Vornamen hat. Zwei, drei Sekunden vergleicht sie beides – und gibt ihr Okay. Ins Bad gehe ich aber dann doch nicht, gebe vor, im Auto etwas vergessen zu haben.

Im Südpool fiel der Schwindel unseres Kollegen nicht auf.
Im Südpool fiel der Schwindel unseres Kollegen nicht auf. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Lothar Przybyl, Chef der Herner Bädergesellschaft, spricht auf Nachfrage von „menschlichem Versagen“. Immer wieder würden alle Mitarbeiter angewiesen, die 2G-Regel zu kontrollieren; deshalb müsse dieser Fehler eine Ausnahme sein. Im Übrigen sei es nicht immer so einfach, die Namen von Impfpass und Ausweis abzugleichen, etwa bei ausländischen Namen oder arabischen Zeichen. Und auch das sagt er: Viele Besucher kämen nur mit Kopien ihrer Ausweise und beschimpften dann das Personal, wenn sie damit nicht rein dürften. Das Personal übrigens arbeite freiwillig „2G+“, trete den Dienst also nur geimpft oder genesen an, außerdem werde es getestet.

Zuvorkommender Service, lasche Kontrolle: Michael Muscheid kam mit dem Impfausweis seines 16-jährigen Sohnes in den McDonald’s rein.
Zuvorkommender Service, lasche Kontrolle: Michael Muscheid kam mit dem Impfausweis seines 16-jährigen Sohnes in den McDonald’s rein. © WAZ | Michael Muscheid

Wie läuft’s bei McDonald’s? Kaum bin ich in dem Fast-Food-Laden bei Zurbrüggen, eilt auch schon ein junger Mann auf mich zu. Er fragt, ob ich im Restaurant essen möchte, und als ich bejahe, bittet er höflich um Impfpass und Ausweis. Als ich den Impfpass des Sohnes und meinen Personalausweis zücke, dankt er schon, schaut sich nichts von beidem an und fragt, was ich möchte. Ich entscheide mich für einen doppelten Fischburger, den der Mann zuvorkommend am Selbstbedienungsterminal für mich bestellt. Ich zahle, warte am Tisch fünf Minuten auf die Bestellung, verlasse dann aber, als ich den Burger bekomme, den Laden. Den Burger nehme ich dem Ältesten mit. Und das sagt Franchisenehmer Phillip Scheider: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gäben ihr Bestes, immer alle Regelungen im Blick zu haben, ordnungsgemäß umzusetzen und das Ganze auch im Sinne der Gäste so praxisnah wie möglich zu gestalten. Dass es beim Besuch der WAZ offenbar trotzdem zu einem Missgeschick gekommen sei, „bedauern wir natürlich sehr“. Scheider fügt an: „Selbstverständlich werden wir Ihren Hinweis zum Anlass nehmen, diesen Punkt noch einmal intern zu besprechen.“

Nicht weit entfernt vom McDonald’s liegt die Bavaria Alm an der Holsterhauser Straße. Dort ist am Eingang eine kleine Schlange, ein Mann sitzt an der Tür und kontrolliert nach und nach alle Ausweise. Nun muss ich doch endlich auffallen? Von wegen: Der Mann schaut sich den gelben Impfausweis des Sohnes an, gleicht ihn mit meinem Personalausweis ab – und zeigt auf einen freien Tisch, den ich ansteuern soll. Dort trinke ich eine Cola light und fahre anschließend heim. Dem Schichtleiter sei nicht aufgefallen, dass die Vornamen beider Dokumente unterschiedlich waren, teilt der Anwalt des Unternehmens auf Anfrage schriftlich mit: „Es gab auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine Täuschungshandlung.“ Er verweist darauf, dass der Schichtleiter „ohnehin überobligatorisch handelte“. Laut Coronaschutzverordnung müsse beim Zutritt zu Restaurants der Nachweis einer Immunisierung kontrolliert werden: „Dies erfolgte.“ Stichprobartig sei auch ein Abgleich der Nachweise mit einem amtlichen Ausweispapier vorzunehmen. „Dem Schichtleiter wäre es gestattet gewesen, Sie ohne Kontrolle des Personalausweises aufgrund des von Ihnen vorgelegten gültigen Impfausweises in das Restaurant zu lassen, da er nicht zur Kontrolle des Personalausweises eines jeden Gastes verpflichtet war“, so der Anwalt weiter. Abschließend sagt er: „Gleichwohl wird bedauert, dass die Abweichung der Vornamen bei gleichem Nachnamen nicht erkannt wurde. Die Mitarbeiter sind gebeten worden, in Zukunft auf die Identität der Vornamen in beiden Dokumenten zu achten.“

Trotz Kontrolle: In der Bavaria Alm darf Michael Muscheid mit falschem Impfausweis Platz nehmen.
Trotz Kontrolle: In der Bavaria Alm darf Michael Muscheid mit falschem Impfausweis Platz nehmen. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Lea Wittor wärmt sich beim Bäcker auf

Auf dem Weg in die Redaktion bekomme ich Hunger und beschließe, beim Bäcker vorbeizufahren. Draußen regnet und stürmt es, also entscheide ich mich dazu, meine Laugenstange in Ruhe in der warmen Malzers-Filiale an der Castroper Straße zu essen. Meinen Impfpass möchte die freundliche Verkäuferin direkt sehen. Ich zeige ihn ihr – allerdings schlage ich direkt den gelben Impfpass auf, so dass der Name nicht mehr zu sehen ist, sondern nur die Impfdaten. Danach bittet sie mich um einen Lichtbildausweis. Auch den zeige ich vor. „Alles klar - danke“, sagt sie und reicht mir meine Laugenstange über die Theke. Was sie dabei nicht merkt: Auch ich habe nicht meinen eigenen Impfpass vorgezeigt, sondern den meines Freundes. Hätte sie Ausweis mit Pass verglichen, hätte sie vermutlich gemerkt, dass nicht einmal der Nachname stimmt. Ich esse in Ruhe auf und fahre anschließend in unsere Redaktion.

Auf Nachfrage teilt Malzers mit: „Unsere Verkaufsteams sind alle angehalten, potenzielle Café-Besucher vorab auf 2G zu überprüfen. Zusätzlich zum Impfpass oder Impfzertifikat werden die Kunden gebeten, ihren Personalausweis parallel zu zeigen.“ Die Verkaufsteams seien keine ausgebildeten Sicherheitsfachkräfte, „daher gehen wir davon aus, dass es hier zu einem Versehen kam“. Aktuell würden alle Mitarbeiter geschult, auf genau solche Feinheiten zu achten. „Wir sind als Grundversorger von der ersten Stunde an mit immer wieder neuen Auflagen konfrontiert. Unsere Verkaufsteams arbeiten seit Monaten unter den schwierigsten Bedingungen. In diesem Fall hat unsere Verkäuferin schlichtweg nicht mit einer Täuschung gerechnet. Wir bitten diesen Fall zu entschuldigen“, sagt ein Sprecher.

Lars Christoph trinkt mit Ex-Kollegin Kaffee im Literaturcafé

Bücher als Weihnachtsgeschenke? Das hat Zeit: Zunächst möchte ich mit der geschätzten Ex-Kollegin im Literaturcafé von Koethers & Röttsches an der Bebelstraße in Herne-Mitte einen Kaffee genießen. Wir steuern direkt einen Tisch an, werden von der jungen Mitarbeiterin jedoch gebremst und an der Café-Theke um einen 2G-Nachweis gebeten. Wir präsentieren unsere Handys. Sie scrollt die Angaben in der CovPass-App prüfend nach oben und unten. Anschließend vergleicht sie die Daten sorgfältig mit den von uns auf ihre Nachfrage gezückten Personalausweisen. Alles in Ordnung. Und jetzt: „zwei Cappuccinos, bitte.“

Corona in NRW: Hier gibt es weitere Informationen

>>>WEITERE INFOS: Stichprobenartige Kontrolle

In der neuen Coronaschutzverordnung heißt es: „Die Nachweise einer Immunisierung oder negativen Testung sind beim Zutritt [...] von den für diese Einrichtungen und Angebote verantwortlichen Personen oder ihren Beauftragten zu kontrollieren.“ Zur Überprüfung digitaler Impfzertifikate soll dabei spätestens ab dem 26. November 2021 die vom Robert Koch-Institut herausgegebene CovPassCheck-App verwendet werden.

Laut Coronaschutzverordnung sind die für die Kontrolle verantwortlichen Personen nicht verpflichtet, die Ausweise bei jedem Gast oder Kunden zu kontrollieren. Aber: „Zudem ist mindestens im Rahmen angemessener Stichproben auch ein Abgleich der Nachweise mit einem amtlichen Ausweispapier vorzunehmen.