Herne. In der Diskussion um die Folgen der Corona-Krise auf den Handel werden nur die Zentren in den Blick genommen. Was geschieht in den Vororten?

In der Diskussion um die Folgen, die die Corona-Krise auf den Handel hat, werden in erster Linie die Zentren in den Blick genommen. Doch was geschieht in den Vororten? Die WAZ drei Herner Unterzentren in den Blick genommen.

Schaut man nach Eickel, könnte man Unheil ahnen. Ausgerechnet das Ladenlokal von Meister Lieder steht seit einiger Zeit leer. Manfred Lieder ist Vorsitzender der Werbegemeinschaft Eickel. Ein Jahrzehnt lang hat er für die Wiederöffnung der Hordeler Straße gekämpft. Als sie endlich kam - und damit Nachbarn aus Bochum Hofstede wieder den kurzen Weg nach Eickel hatten -, verschwand Lieder. Der Grund? Im Zuge von Corona habe er seine Öffnungszeiten eingeschränkt und dann festgestellt, dass sein Laden gar nicht vermisst worden sei. Er zog die Konsequenz: Er räumte das Ladenlokal, doch seine Dienstleistungen für Haushaltsgeräte oder Heim-Elektronik bietet er nach wie vor an.

Für eine Zukunft muss eine Basis an Grundversorgung vorhanden sein

Stefan Postert vom Dortmunder Stadtplanungsbüro Stadt+Handel sieht für die Unterzentren alles andere als schwarz. Die Menschen seien stark mit ihrem eigenen Quartier verbunden, sie seien Treff- und Kommunikationspunkt. Dafür müssten allerdings ein paar Voraussetzungen erfüllt sein. Es müsse eine gewisse Basis an Grundversorgung vorhanden sein. Dazu gehöre ein Supermarkt, eine Drogerie, Bäcker, Apotheke.

In Sodingen ist dies der Fall. Zu den festen Größen dort gehört allerdings auch das Modehaus Klassen + Koch. Das älteste Geschäft dieser Art in Herne (es ist älter als 125 Jahre) hat die Krise ganz gut überstanden, erzählt Inhaber Hubertus Crom im Gespräch mit der Herner WAZ Redaktion. Die drei Monate Lockdown seien schlimm gewesen, doch seit der Öffnung laufe es sehr positiv. Offenbar hätte der ein oder andere Bedarf bei Kleidung, weil er im Lockdown eine andere Konfektionsgröße bekommen habe...

Das We-House in Sodingen (hier eine Aufnahme aus November 2020) könnte Sodingen-Mitte angesichts seiner Außergewöhnlichkeit Besucher von außerhalb bringen, glaubt Hubertus Crom.
Das We-House in Sodingen (hier eine Aufnahme aus November 2020) könnte Sodingen-Mitte angesichts seiner Außergewöhnlichkeit Besucher von außerhalb bringen, glaubt Hubertus Crom. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Dass Händler reihenweise wegbrechen, könne er nicht beobachten. Er ist zuversichtlich, was die Zukunft des Sodinger Zentrums angeht. Dort sei es nicht so hektisch wie in den Innenstädten, ein wichtiger Faktor sei ein Parkplatz für die Kunden. Und Parkplätze sind in Sodingen vorhanden. Doch seine Zuversicht macht er noch an einem anderen Faktor fest: dem We-House. Dieses Projekt sei bundesweit so außergewöhnlich, dass damit zu rechnen sei, dass nach der Fertigstellung sogar Touristen von außerhalb nach Sodingen kommen. In der Anfangszeit der Fortbildungsakademie sei dies ähnlich gewesen. Crom: „Wo Leute laufen, bleibt etwas für den Handel hängen.“

Ein Pluspunkt in Eickel: Das große Gastronomieangebot

Eher reserviert gibt er sich bei den Aussichten für einen Feierabendmarkt. In Wanne-Mitte war er gefloppt. Dieses Konzept lenkt den Blick zurück nach Eickel. Dort ist zwar auch ein großer Supermarkt vorhanden, doch der liegt schon ein wenig außerhalb, um die Funktion des sozialen Treffpunkts im Quartier zu übernehmen. Doch dafür hat Eickel dienstags und donnerstags Markttage. Und: Speziell das Konzept „Lecker in Eickel“ war überaus erfolgreich und hat die Bürger zusammengeführt. Ein weiterer Pluspunkt für die Zukunft Eickels: das große Gastronomieangebot.

Das Thema Markt ist in Röhlinghausen ein wunder Punkt. Der Platz ist ein großes Nichts. Schon vor Jahren hatten sich mehrere Kaufleute für eine Reanimation stark gemacht, bislang mit bescheidenem Erfolg. Doch abseits davon kann Röhlinghausen alle Mosaiksteine für ein funktionierendes Quartier vorweisen. Ein Supermarkt mit Parkplatz, umrahmt von Drogerie, Ärztehaus und Apotheke. Und mit der Fertigstellung des Albert-Schweitzer-Carrées sind zusätzliche potenzielle Kunden in den Stadtteil gezogen.

>>> IN BAUKAU ENTSTEHT EIN NEUES UNTERZENTRUM

■ Wo die zentralen Mosaiksteine fehlen, wird es problematisch - siehe Baukau.

■ Hier hat die Stadt Herne zur großen Revitalisierung angesetzt. Die Neue Mitte Baukau (die nun vom Investor List AG in „Quartier Kaiserstraße“ umbenannt worden ist) soll die wesentlichen Grundversorgungsfunktionen bieten, auch wenn die Umsetzung dauert. Im Erdgeschoss sollen insgesamt 5250 Quadratmeter Handelsfläche entstehen. Sie sind vorgesehen für einen Supermarkt, eine Drogerie, einen Discounter sowie eine kleine Gastronomie-Einheit, also genau die Mosaiksteine für eine Nahversorgung.

■ Nach einer langen Planungsphase steht nun die Baugenehmigung aus. Erst dann können die Bagger rollen.