Herne. Wie werden sich Innenstädte nach der Pandemie entwickeln? In Herne ist man zuversichtlich, dass die City Corona halbwegs unbeschadet übersteht.

Erst die Konkurrenz durch den Onlinehandel, dann mehrere Lockdowns für die Geschäfte - was wiederum das Wachstum des Onlinehandels beschleunigte: Die Prognosen für die Zukunft der Innenstädte werden in vielen Fällen hauptsächlich in Grautönen gemalt, der Begriff der Verödung fällt allenthalben. Doch in Herne gibt es Zuversicht, dass die City halbwegs unbeschadet aus der Krise kommt. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

Dass Zuversicht herrscht, könnte man auch mit der Tatsache erklären, dass Herne nicht so viel zu verlieren hat wie die deutlich größeren Einkaufsstädte, etwa Essen oder Bochum. In der Vergangenheit wogte immer wieder die Diskussion, ob man auf der Bahnhofstraße und den Nebenstraßen überhaupt noch einkaufen könne. Dass es so schlecht um die City nicht bestellt zu sein scheint, offenbart sich an der Tatsache, dass sich in der Vergangenheit das Reformhaus Kaubisch, JD Sports und Rituals niedergelassen haben und die Abgänge von H&M, Reno oder auch von Wäschemoden Hirsch offenbar nicht mit der mangelnden Perspektive zusammenhingen.

In Herne hat die Stützung der Innenstadt schon vor Beginn der Pandemie begonnen

Wichtiger jedoch ist etwas anderes. Dazu kann man zurückblicken bis zum 13. Februar 2019. An diesem Tag zeigte eine ganze Delegation Gunther Adler, dem damaligen Staatssekretär im Bundes-Innenministerium, welche Projekte in der Innenstadt in Vorbereitung sind. Das heißt: Die Stadt hatte sich deutlich vor Corona auf den Weg gemacht, um die Innenstadt zu stützen.

Einzelhandelsexperte Gisbert Schneider sieht Herne auf dem richtigen Weg, um die Innenstadt zu stützen.
Einzelhandelsexperte Gisbert Schneider sieht Herne auf dem richtigen Weg, um die Innenstadt zu stützen. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

„Im Grunde zahlt sich immer aus, wenn man einen Plan hat. Auf eine Entwicklung wie die Corona-Pandemie kann man nicht kurzfristig reagieren“, sagt Oberbürgermeister Frank Dudda im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Und der Plan, der jetzt aufgehe, laute: Mehr Menschen und mehr Kaufkraft in die Innenstadt. Und nach Möglichkeit soll auch die Verweildauer erhöht werden. Und er fügt an, dass es auch für Wanne einen Plan gebe.

Wohnbebauung bringt potenzielle Kunden nahe an die Innenstadt

Dazu zählten Bildungsangebote, etwa das Journalistenzentrum im Shamrockpark oder die neue Zahnklinik, die an der Ecke Westring/Behrensstraße entstehe. Mit den Neuen Höfen ist ein quälender Leerstand an einer zentralen Stelle beseitigt. Einzelhandel spielt dort nur noch eine Nebenrolle. Es sind Büros entstanden - in denen mit der Fläkt Group ein Gobal Player sitzt. Mehrere hundert Mitarbeiter bedeuten auch mehrere hundert potenzielle Kunden für die Geschäfte in der Innenstadt. Mit dem Wirtshaus entsteht eine Gastronomie, die ebenfalls die Verweildauer erhöhen kann.

Thomas Binsfeld, Mitglied der Landmarken-Geschäftsleitung:„Wir sind absolut von einer positiven Entwicklung der Herner Innenstadt überzeugt. Auch, weil wir mit den Neuen Höfen selbst einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten. Die Fläkt Group ist eingezogen, das Wirtshaus Herne und das Gold´s Gym können bald endlich öffnen und weitere Mietverträge liegen unterschriftsreif verhandelt auf dem Tisch. Zwar hat Corona manche Ansiedlung erschwert und auch schon mal einen Mietvertrag platzen lassen, aber jetzt spüren wir wieder deutlichen Auftrieb. Und die Hoffnung ist groß, bald eine echte Eröffnungsparty feiern zu dürfen.“

Am anderen Ende der Bahnhofstraße wächst neben dem City-Center der Europagarten, der mit einem Supermarkt ebenfalls „Frequenz“ in die City bringen dürfte.

Für Dudda ist auch Wohnen ein entscheidendes Stützungselement. Und davon gibt es einige Projekte, die in den nächsten Jahren rund um die City entstehen werden. Das sogenannte Smart Living im Hafthaus, die Eigenheime am Stadtgarten. Die Wohnprojekte der Deutsche Reihenhaus an der Horsthauser Straße und bei Knipping Dorn, ein weiteres Projekt auf diesem Gelände, das Wohnhaus K111, aber auch der Wohnungsneubau, für den zurzeit die alte Herdfabrik abgerissen wird. So entstehen Wohneinheiten im dreistelligen Bereich in Innenstadtnähe.

Einzelhandelsexperte sieht die Stadt auf dem richtigen Weg

Und der Umzug der Polizeiwache böte erneut Raum für Veränderung mitten in der City. Schon bei früherer Gelegenheit hatte Dudda gesagt, dass man der Stadt unterstellen dürfe, dass sie eine Idee für das Gebäude habe. Noch im Stadium der Hoffnung sind die Ansiedlungen der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung und von zwei Forschungseinrichtungen im Funkenbergquartier.

Dennoch will OB Dudda nicht nur ein komplett schönes Bild zeichnen. Er gehe davon aus, dass Herne nach der Pandemie die ein oder andere unangenehme Überraschung erleben werde.

Dass Herne die richtige Richtung eingeschlagen habe, sagt Gisbert Schneider. Mit seinem Unternehmen Schneider+Straten untersucht er seit 2012 die Expansion der 2000 regional oder bundesweit aktiven Filialisten, die in Deutschland Mieter von Einzelhandelsflächen sind. Deshalb weiß er: „Umso mehr Menschen in der Innenstadt wohnen und auch arbeiten, umso attraktiver ist diese auf jedem Fall für Einzelhandel- und Gastronomieunternehmen.“

>>> IG CITY-VORSITZENDER: HERNE WIRD SICH SCHNELLER ERHOLEN ALS ANDERE STÄDTE

Auch Norbert Menzel, Vorsitzender der IG Herne City, ist ebenfalls nicht bang vor der Zukunft der Innenstadt. „Ich glaube, dass sich die Innenstadt schneller erholen wird als in anderen Städten, wenn die Gastronomie wieder öffnet, wird es eine schnelle Belebung geben.“ Dass die City veröde, könne er nicht erkennen, die Zahl der Leerstände sei gering. Lediglich die Frage, ob der Robert-Brauner-Platz noch für Veranstaltungen nutzbar sein wird, treibt ihn um. Sei dies nicht der Fall, wäre das aus Menzels Sicht ein Rückschritt.