Hattingen. Erinnerungen gesucht: 1974 steigt das Festival der Kulturen im Haus Kemnade erstmals. Zum Jubiläum 2024 können Leute aus Hattingen aktiv werden.

Das Festival der Kulturen „Kemnade International“ stieg am 28. Juni 1974 zum ersten Mal im Haus Kemnade in Hattingen unter dem Motto „Wir sind Menschen, Sie auch?“ Zum Jubiläum im nächsten Jahr 1924 ist viel geplant.

Zum 50. Geburtstag des Festes, das ein Experiment im Zeichen der Demokratisierungsbewegung „Kultur für alle“ war, wie der fürs Fest engagierte Christoph Kivelitz es nannte, planen Kunstmuseum Bochum, Stadtarchiv Bochum, Bahnhof Langendreer und IFAK e.V. (Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit) mehrere Aktionen und Ausstellungen. Menschen aus Hattingen, die beim ersten „Kemnade International“ dabei waren, können ihre Fotos, Videos und Anekdoten einbringen.

Erinnerungen aus Hattingen zum 50. Geburtstag von Kemnade International gesucht

Wie die von Bernd Baumhold, der sich jahrzehntelang um das Thema Ausländerarbeit in Hattingen kümmerte: „Ich habe die erste Kemnade 1974 als Zivildienstleistender der Arbeiterwohlfahrt Bochum miterlebt. Ab 1975 bin ich als Student dort hingegangen. Es war ein purer Zufall, dass ich ab 1979 plötzlich beruflich damit befasst war.“

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„Als Klaus Sager 1996 in Pension ging, habe ich mich mit den anderen Verwaltungsdienststellen um den Beitrag der Stadt Hattingen zur Kemnade gekümmert und 2009 das letzte Konzert mit der tschechischen Folkloregruppe auf der Bühne am Bauernhaus abmoderiert.“

Das Plakat der ersten Veranstaltung „Kemnade International“ in Hattingen.
Das Plakat der ersten Veranstaltung „Kemnade International“ in Hattingen. © WAZ | Udo Kreikenbohm

Das erste Festival fiel in eine Zeit, in der viele Gastarbeiter in die Region kamen, 1974 stand im Zeichen des Anwerbestopps, der Nachzug der Familien stand in der Diskussion. Weil es nicht viel Kontakt zu Deutschen in Hattingen gab, brach sich der Integrationsgedanke Bahn.

In seiner Eröffnungsrede spricht der Organisator von einer Experiment-Veranstaltung

In seiner Eröffnungsrede sagte der tschechisch-deutsche Kunsthistoriker und Bochumer Museumsleiter Peter Spielmann: „Ich eröffne unsere Experiment-Veranstaltung. Wir sollen uns hier treffen und uns gemeinsam kennenlernen und miteinander sprechen über die nationalen, sprachlichen, religiösen Grenzen. Wir wollen gegenseitig die Kultur kennenlernen, weil die den Menschen prägt, aber auch durch ihn und seine Mentalität geprägt ist. Wir wollen aber auch über alle Probleme miteinander sprechen, die uns im täglichen Leben manchmal sehr unangenehm und schmerzlich berühren.“

Sein Kollege Michael Fehr beschrieb das Fest 1976 als Beispiel dafür, „was Museumsarbeit auch sein kann“.

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Kemnade International sei der größte und am weitesten fortgeschrittene Versuch, eine Veranstaltung nicht nur für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu machen, sondern sie von ihr selbst machen zu lassen.

Wochenende mit Musik und Kulinarischem – Musiker Hüsnü Işık war oft dabei

Musiker Hüsnü Işık war 1974 bei Kemnade International in Hattingen.
Musiker Hüsnü Işık war 1974 bei Kemnade International in Hattingen. © WAZ | Hartmut Beifuß
Hüsnü Işık war auch 2009 bei Kemnade International in Hattingen. Er spielte seit der Gründung des Festivals. 2009 war die letzte Auflage von Kemnade International im Haus Kemnade.
Hüsnü Işık war auch 2009 bei Kemnade International in Hattingen. Er spielte seit der Gründung des Festivals. 2009 war die letzte Auflage von Kemnade International im Haus Kemnade. © WAZ | Ingo Otto

Ein Wochenende lang gab es Musik, Kulinarisches. Schnell kam auch der Austausch über die politischen Entwicklungen in den Herkunftsländern und den Umgang mit Migranten in Deutschland. Dafür fand neben dem Kultur-Programm im Burghof auf den umliegenden Flächen auch eine Fachtagung statt.

Kemnade International im Jahr 2009. Das war die letzte Auflage des Festivals im Haus Kemnade. Hier zeigt die Gruppe Alevi Bektasi aus Herne anatolische Tänze.
Kemnade International im Jahr 2009. Das war die letzte Auflage des Festivals im Haus Kemnade. Hier zeigt die Gruppe Alevi Bektasi aus Herne anatolische Tänze. © WAZ | Ingo Otto

Klaus Sager aus Hattingen wirkte bis 1996 beim Festival Kemnade International mit

Bis 1996 wirkten Spielmann und der Ausländerbeauftragte Hattingens, Klaus Sager, beim Festival mit. Da bereits war das Fest in der Krise, es gab Überlegungen über eine Neuausrichtung.

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Das Kulturbüro der Stadt Bochum wagte 1998 einen Neuanfang, organisierte eine „Zukunftswerkstatt“ für kulturelle Toleranz und ein friedliches Miteinander. Mitveranstalter war die Stadt Hattingen.

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2009 war das letzte Kemnade International auf der Wasserburg. 20.000 Besuchende kamen zur Veranstaltung der Städte Bochum, Witten und Hattingen sowie der Ennepe-Ruhr-Kreis.

Kemnade International bei seiner letzten Auflage im Haus Kemnade 2009: An dem Tanz- und Musikprojekt X-Visions beteiligten sich 60 Jugendliche unterschiedlicher Nationalitäten.
Kemnade International bei seiner letzten Auflage im Haus Kemnade 2009: An dem Tanz- und Musikprojekt X-Visions beteiligten sich 60 Jugendliche unterschiedlicher Nationalitäten. © WAZ | Ingo Otto

Haus Kemnade in Hattingen schien den Veranstaltern nicht mehr der richtige Ort

Dann zog das Festival um, wohl weil für die vielen Besuchenden Haus Kemnade zu eng geworden war, die Sicherheitsbedenken nach dem Love-Parade-Unglück 2010 groß waren. 2010 sollte so im Kulturhauptstadtjahr als Ersatz für das eigentlich inzwischen nur alle zwei Jahre laufende Kemnade International das Drei-Ufer-Festival stattfinden. Hattingen sagte erst die Teilnahme ab, dann aber doch wieder zu.

Seit 2012 gibt’s alle zwei Jahre rund um die Bochumer Jahrhunderthalle das neu aufgestellte Festival „Ruhr International“.