Gladbeck / Bottrop / Herten. Bei der Vestischen fallen viele Busfahrer krank aus. Die Auswirkungen in Bottrop und Gladbeck, und wie man sie in den Griff kriegen will.

Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse, dazu einmal anklicken, ob man bereits einen Busführerschein hat – mehr braucht es aktuell nicht, um sich als Busfahrer bei der Vestischen zu bewerben. Das Kontaktformular auf der Internetseite des Unternehmens ist auch ein Zeichen dafür, wie dringend die Vestische Fahrerinnen und Fahrer sucht. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand, hinzu kommt, dass das Unternehmen unter einem hohen Krankenstand ächzt. Seit April vergangenen Jahres fielen im Schnitt 18 Prozent der Fahrerinnen und Fahrer wegen Krankheit aus. Zum Vergleich: Vorher sei ein Krankenstand von zehn bis 11 Prozent im Fahrdienst normal gewesen, sagt Vestische-Sprecher Jan Große-Geldermann.

Die Konsequenz, neben der verstärkten Suche nach neuem Personal: Seit April vergangenen Jahres gelten Notfahrpläne. Zum 29. Januar legt die Vestische wieder einen „Stabilisierungsfahrplan“ auf. Für Gladbeck bedeutet das, dass die Fahrten auf der Linie 258, die Rentfort mit Gelsenkirchen Horst verbindet, reduziert werden. In der Zeit von montags bis freitags stellt die Vestische diese Linie auf einen Halbstundentakt um. Statt dreimal in der Stunde, wie bisher, fährt die Linie nun alle 30 Minuten.

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Damit haben die Gladbeckerinnen und Gladbecker eigentlich sogar noch Glück gehabt. Im gesamten Netz der Vestischen sind 18 Linien betroffen. In Bottrop etwa fahren nun zwei Linien nur noch im Stundentakt. Und im Großteil bedeuten die neuen Anpassungen eine Umstellung auf einen 60-Minuten-Takt, sagt die Vestische selbst. Betroffen seien meist weniger stark nachgefragte Linien oder Linienabschnitte. „Maßgeblich war bei unseren Planungen, dass weniger Fahrgäste als zuvor von den Änderungen betroffen sind“, erläutert Prokurist Holger Becker, bei der Vestischen verantwortlich für Angebot und Kundenmanagement.

Pro Tag sind von den Umstellungen nun 7500 statt 10.000 Kunden betroffen

Bislang seien pro Tag rund 10.000 Kundinnen und Kunden von den Auswirkungen der Notfahrpläne betroffen gewesen. Nun seien es nur noch rund 7500, hat das Unternehmen ausgerechnet. „Außerdem reduzieren wir etwas unseren Personalbedarf und entlasten damit viele unserer Fahrerinnen und Fahrer, die durch Zusatzdienste helfen, Lücken aufgrund personeller Engpässe zu schließen“ so Becker. Denn das sei eben auch ein Problem, sagt Große-Geldermann. Bis zu einem gewissen Punkt habe man versucht, die Ausfälle durch Mehreinsatz des verbliebenen Personals aufzufangen. Doch das sei eben auch nur begrenzt möglich. Daher also nun seit April die Einschränkungen.

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Gleichzeitig hat das Unternehmen die Anstrengungen bei der Suche nach neuem Fahrpersonal noch einmal verstärkt. Schließlich gehen bei der Vestischen, wie bei vielen anderen Unternehmen, in der nächsten Zeit die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. 2024 erreichen 25 die Altersgrenze, 2024 werden es 35 sein und in den beiden darauffolgenden Jahren je 45, sagt der Vestische-Sprecher. Gleichzeitig sei der Markt leergefegt und man habe viel Konkurrenz. Nicht nur Busunternehmen, auch Spediteure suchen Berufskraftfahrer.

Daher eben auch die ganz einfache Art der Kontaktaufnahme. Die Vestische meldet sich dann bei den Bewerberinnen und Bewerbern und lotst sie ein wenig durch das Verfahren. „Die Zeiten, in denen wir warten konnten und die Leute zu uns kamen, sind vorbei“, sagt Jan Große-Geldermann. Entsprechend müsse die Vestische auf die Umstände reagieren. So hat das Unternehmen in den letzten Monaten auch schon neue Fahrerinnen und Fahrer an Busbahnhöfen rekrutiert. Dort war die Vestische mit ihrem Bewerbungsbus vor Ort, mit dem Versprechen, dass es binnen 30 Minuten die Einladung zum Vorstellungsgespräch gibt, wenn alles Weitere passt.

2023 hat die Vestische 100 neue Fahrerinnen und Fahrer eingestellt

So sei es gelungen, im vergangenen Jahr 100 neue Fahrer einzustellen, sagt Große-Geldermann, im Januar seien es noch einmal 25 gewesen. Denen stehen 60 gegenüber, die die Vestische 2023 aus unterschiedlichen Gründen verlassen haben. Trotzdem dürfe man nicht davon ausgehen, dass die Neulinge sofort helfen können. Es dauere bis zu sechs Monate, bis sie erstmals im Linienverkehr eingesetzt werden, sagt der Vestische-Sprecher. Einige müssten zunächst den entsprechenden Führerschein machen, dann müssen sie sich die Linienkenntnisse aneignen.

Für den Führerschein arbeitet die Vestische mit einigen Fahrschulen zusammen. Doch auch da habe es zuletzt Kapazitätsengpässe gegeben, sagt Große-Geldermann. Die Konsequenz, die die Vestische daraus zieht: Sie baut nun wieder eine eigene Fahrschule auf. Zum April fange ein entsprechender Mitarbeiter an, der diese Aufgabe übernimmt.

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Bleibt die Frage: Was fehlt den Kolleginnen und Kollegen eigentlich? Das lässt sich so einfach nicht beantworten. Die Vestische verweist auf den Datenschutz und dass sie als Arbeitgeber die Diagnose ja nicht erfahre. Aber generell, so Große-Geldermann sei alles vertreten. So sind die Fahrerinnen und Fahrer in den Bussen tagtäglich auch Viren und Bakterien ausgesetzt. Dazu kämen sicher auch psychische Probleme. Außerdem ist der Job des Busfahrers eine sitzende Tätigkeit, sodass viele auch über Rückenprobleme klagen. Es gebe ein betriebliches Gesundheitsmanagement, das beispielsweise Rückenschule oder auch Massagen anbietet. Es sei jedoch die Entscheidung eines jeden einzelnen, das anzunehmen.