Gladbeck. Im Gladbecker Haushalt schlummern einige Unwägbarkeiten. Wie sich Tarifverhandlungen und Zinsanstieg auswirken – ein Rechenexempel.
Gladbecks Kämmerer Thorsten Bunte ist hin- und hergerissen, wenn er auf die aktuellen Tarifverhandlungen für die städtischen Angestellten schaut. 10,5 Prozent mehr Lohn fordert die Gewerkschaft Verdi. Aus Sicht des städtischen Finanzchefs ist ein hoher Tarifabschluss ein Problem.
Auf der anderen Seite pflichtet Bunte aber seinem Kollegen Berthold Barheier bei. Der Leiter des Organisations- und Personalamtes weiß, dass eine gute Bezahlung der Mitarbeiter wichtig ist, gerade angesichts des Fachkräftemangels. Und so sagt Bunte dann auch: „Wir müssen als Arbeitgeber attraktiv bleiben und uns dem Wettbewerb um Personal stellen.“ Mit Blick auf die Finanzen spricht Barheier angesichts der Tarifverhandlungen von einem „Spannungsfeld“.
Für 975 städtische Angestellte in Gladbeck laufen die Tarifverhandlungen
Rund 975 Angestellte beschäftigt die Stadt Gladbeck. Für sie haben die Tarifverhandlungen begonnen. Dazu kommen rund 220 Beamtinnen und Beamte. Die Beschäftigten des ZBG sind in den Zahlen nicht enthalten. Doch was heißt das für die Tarifverhandlungen? Berthold Barheier rechnet vor: Die jährlichen Personalkosten der Stadt lägen bei etwa 66,8 Millionen Euro, das umfasse unter anderem aber auch die Beamtenbesoldungen. Ein Plus von einem Prozent für die Angestellten mache rund 530.000 Euro aus.
Selbstverständlich sei im Haushalt eine Tariferhöhung einkalkuliert, doch die liegt bei maximal 1,5 Prozent. Und mit diesen Zahlen steht Gladbeck nicht allein da. Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karen Welge ist Verhandlungsführerin für die kommunalen Arbeitgeber. Sie hatte zuvor schon auf die Verdi-Forderung reagiert: „Das können wir so nicht leisten, und viele andere Kommunen auch nicht“, machte Welge gegenüber dem „Spiegel“ deutlich. In seiner Rolle als Gladbecks oberster Finanzchef pflichtet Bunte der Gelsenkirchener OB bei: „Das, was Verdi fordert, ist für uns nicht leistbar.“
Gladbeck ist mit insgesamt 333 Millionen Euro verschuldet
Denn neben dem ungewissen Ausgang der Tarifverhandlungen ist auch die Zinsentwicklung für eine hoch verschuldete Stadt wie Gladbeck von Bedeutung. 333,8 Millionen Euro – so hoch waren zum Jahresende die Verbindlichkeiten. Davon entfielen 137,6 Millionen auf langfristige Investitionskredite, 195,7 auf eher kurzfristige Liquiditätskredite, auch Kassenkredite genannt.
Beim aktuellen Kreditportfolio mache ein Prozentpunkt in der Zinsentwicklung rund eine halbe Million Euro aus, sagt Thorsten Bunte. Denn selbstverständlich steigen die Kosten nicht sofort für alle Kredite, schließlich gilt für einige auch immer noch die Zinsbindung. Wie die Europäische Zentralbank weiter vorgeht, vermag Bunte nicht vorherzusehen. Doch er geht – nach verschiedenen Gesprächen – von weiteren Zinsanstiegen aus, vermutet, dass da noch zwei kommen werden.
Stärkungspakt Stadtfinanzen hat Entwicklung bei den Kassenkrediten gestoppt
Mehr als 300 Millionen Euro Schulden, eine Pro-Kopf-Verschuldung von 4276 Euro und damit weit über dem Landes- und Bundesschnitt – danach sah es 1995 in Gladbeck noch gar nicht aus. Bei gerade einmal 44 Millionen Euro lag die Verschuldung, Kassenkredite gab es noch nicht. Mit Beginn der 2000er-Jahre kam dann der rasante Anstieg. Das seien Auswirkungen der Steuerreform 2001 gewesen, sagt Thorsten Bunte. Die erste Finanzkrise habe die Entwicklung verschärft, so dass 2010 der Schuldenberg schon auf rund 200 Millionen Euro angestiegen war – größtenteils Kassenkredite.
Der Stärkungspakt Stadtfinanzen ab 2012 hat dann diese Entwicklung zumindest gestoppt – auf hohem Niveau. Der Schuldenstand liegt weiter bei über 300 Millionen Euro, zumindest die Kassenkredite konnten ein Stück weit abgebaut werden. Doch es fehle eben am nächsten Schritt. Beim Stärkungspakt sei es zunächst darum gegangen, dass die Städte einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorweisen konnten.
Städte und Gemeinden fordern gemeinsam eine Lösung der Altschuldenproblematik
Danach sei ein Entschuldungsprogramm nötig gewesen. Das aber lässt – trotz gegenteiliger Beteuerungen von Bund und Land – weiter auf sich warten. Bunte bemüht das Bild von einem Reifen, der zunächst geflickt und dann aufgepumpt werden sollte. Nur warten die Kommunen immer noch auf die nötige Pumpe. „Dieser zweite Schritt ist schlicht und einfach ausgeblieben.“ Dabei kommt diese Forderung von den Städten und Gemeinden regelmäßig auf allen politischen Ebenen.
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Neben diesen Risiken, die sich an konkreten Zahlen festmachen lassen, stecken weitere Unwägbarkeiten im Gladbecker Haushalt. Bunte spricht von einem Etat, der von „extrem hohen Unsicherheiten“ geprägt sei. Die Entwicklung der Wirtschaft sowie der Steuereinnahmen hat Einfluss, die Energiepreise und auch die weitere Flüchtlingsbewegung. Einen Überschuss von 786.000 Euro konnte der Kämmerer letztlich vermelden – und das auch nur, weil die Kosten der Coronakrise und des Ukraine-Krieges isoliert wurden und erst später als Schulden durchschlagen.
Gladbecks Kämmerer ist optimistisch, am Jahresende auf die Schwarze Null zu kommen
Doch bleibt es bei dem Überschuss oder droht angesichts der Entwicklung ein Defizit? Zugegeben Ende Januar ist das eine gemeine Frage, doch Thorsten Bunte zeigt sich trotz der Probleme optimistisch: Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass es gelungen sei, großen Verwerfungen mit einem engmaschigen Finanzcontrolling zu begegnen. Dazu sei die gesetzliche Vorgabe gekommen, Kosten isolieren zu können, so dass am Ende die Schwarze Null stand. „Ich hoffe, das gelingt auch diesmal.“