Gladbeck. Silke Ehrbar-Wulfen ist Gladbecks neuen Kämmerin. Hier spricht die Powerfrau über Altschulden, Grundsteuer und gibt private Einblicke.

Angst, sich unbeliebt zu machen, hat Silke Ehrbar-Wulfen nicht. In der vergangenen Ratssitzung wurde sie einstimmig zu Gladbecks neuer Kämmerin gewählt. Dass man sich als Hüterin der städtischen Finanzen nicht nur Freunde machen wird, dessen ist sie sich bewusst: „Ich weiß, dass ich auch unangenehme Entscheidungen werde treffen müssen“, sagt sie im Gespräch mit der Lokalredaktion. Sie habe starke Schultern und außerdem den Eindruck, dass Bürgerinnen und Bürger auch bei unpopulären Entscheidungen mitgingen, „wenn sie transparent erklärt werden“.

Und genau das sei ihr Anliegen. „Ich werde da den Dialog auf Augenhöhe suchen“, verspricht sie. Zahlen und Finanzen seien an sich kein Selbstzweck. „Unser Ziel ist es ja am Ende, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen“, sagt Silke Ehrbar-Wulfen mit Blick auf Schulgebäude, Kitas oder auch Naherholungsflächen. „All das benötigt aber Finanzen.“ Von sich selbst sagt sie: „Ja, ich bin Zahlenfrau, aber auch Herzensmensch.“

Grundsteuer in Gladbeck: Ziel ist die „Ertragsneutralität“

Das Sprechen, Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, ebenso Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – im Gespräch wird deutlich, dass das der 51-Jährigen wirklich wichtig ist. Sie weiß um die großen Themen, die anstehen, neben der Umsetzung der Reform der Grundsteuer für 2025 ist das auch das Thema Umsatzbesteuerung, dazu kommt die Digitalisierung, die sich Gladbecks neue Kämmerin auf die Fahnen geschrieben hat.

Aber der Reihe nach: Die Grundsteuer dürfte nahezu jeden Bürger der Stadt betreffen. Hier sagt Silke Ehrbar-Wulfen: „Ziel ist es natürlich, die Ertragneutralität mitzugehen.“ Heißt mit anderen Worten, dass die Stadt Gladbeck nach der neuen Grundsteuerberechnung genauso viel in der Kasse haben soll wie bisher. Heißt für den einzelnen Grundbesitzer aber auch, dass er möglicherweise mehr oder weniger zahlen muss als bislang. Doch mit Blick auf die Entwicklung sagt die designierte Kämmerin – aller Voraussicht nach tritt sie ihr Amt zum 1. August an – ebenso, dass es derzeit noch viele ungeklärte Parameter gebe, so dass alles noch nicht definitiv zu sagen sei. Und am Ende brauche es einen Haushalt, den die Bezirksregierung genehmigt.

Gladbecks neue Kämmerin hat lange bei der Gemeindeprüfungsanstalt gearbeitet

Umsatzbesteuerung ist ein Thema, das öffentlich vielleicht gar nicht so stark im Bewusstsein ist. Doch künftig müssen auch Kommunen Umsatzsteuer abführen, wenn sie auf Geschäftsfeldern tätig sind, auf denen sie private Konkurrenz haben. Das soll den Wettbewerb stärken und will nun vorbereitet werden. Wo trifft es eine Stadt wie Gladbeck? Hier hat die künftige Kämmerin sofort ein Beispiel parat: bei den Parkgebühren. Hier stehe man im Wettbewerb mit privaten Anbietern, also greift die Vorschrift demnächst.

Das Thema Kommunalfinanzen, es liegt Silke Ehrbar-Wulfen merkbar am Herzen. Schließlich beschäftigt sie sich auch schon lange Zeit damit. Mehr als 20 Jahre hat die Mutter dreier Kinder bei der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) verbracht, war unter anderem verantwortlich für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, zuletzt als Prüferin für Bauaufsicht und Vergabe. Als solche war sie in Gladbeck im Einsatz, und bei ihrem Besuch haben Stadt und Bürger einen so großen Eindruck hinterlassen, dass sie sich dann als Leiterin des Rechnungsprüfungsamts beworben hat.

Beim ersten Besuch in Gladbeck von der Hilfsbereitschaft der Bürger beeindruckt

Was damals besonders bei ihr hängenblieb? Die Hilfsbereitschaft der Gladbeckerinnen und Gladbecker. Zum Termin war sie mit dem Auto angereist, doch habe ihr das Kleingeld für den Parkschein gefehlt. Ein Passant habe ihr einen Euro angeboten, doch für ihren Termin hätte das nicht ausgereicht. „Eine Dame, die nicht weit weg wohnte, ist dann extra nach Hause gelaufen, hat Kleingeld geholt und meinen Schein gewechselt“, erinnert sich Silke Ehrbar-Wulfen.

Die Bewerbung nach Gladbeck – es sei dann auch ihre erste nach vielen Jahren bei der GPA gewesen. Die Kinder sind groß, bald aus dem Haus – der Jüngste besuche derzeit die Oberstufe – und die hätten sie ermutigt, jetzt doch mehr zu arbeiten und Neues auszuprobieren. Derzeit lebt die künftige Kämmerin noch im Münsterland, pendelt eine halbe Stunde zur Arbeit. Doch sie könne sich auch vorstellen, mit ihrem Mann, nach Gladbeck zu ziehen, sagt die gebürtige Erkratherin.

Gladbecks neue Kämmerin wünscht sich eine Lösung der Altschuldenfrage

Als passionierte Läuferin würde sie sicher auch in Gladbeck die passenden Strecken finden. Bis zu einer Sportverletzung sei sie Halbmarathon gelaufen, sagt sie, jetzt läuft sie nur noch kürzere Strecken. Zusätzlich trainiert sie in ihrem Heimatort Jugendliche in Leichtathletik. Parallel zum Beruf treibt sie ein Studium in Wirtschaftsinformatik voran. Das wird ihr sicher helfen, denn gerade bei der Digitalisierung sieht sie in der öffentlichen Verwaltung Nachholbedarf. Das entlaste auch die Kolleginnen und Kollegen, so ihre Überzeugung.

Entlastung, die erhofft sich die künftige Finanzchefin auch seitens des Landes. Als arme Kommune leidet Gladbeck besonders unter den Altschulden. Hier wünscht sich Silke Ehrbar-Wulfen eine Lösung vom Land. Zumal in Zeiten steigender Zinsen. So habe es für Städte vor einigen Jahren die Liquiditätskredite noch fast zum Nulltarif gegeben, „jetzt zahlen wir rund drei Prozent Zinsen“. Auf der Klausurtagung der Kämmerer des Kreises – sie ist in der Runde die einzige Frau – wird das sicher auch Thema. Eine Altschuldenregelung würde Gladbeck viel Spielraum verschaffen, gehe es doch darum, als Stadt lebens- und liebenswert sowie auch konkurrenzfähig zu bleiben. „Aber in der Frage sind wir fremdbestimmt.“

Einschätzung der Stadt zum Angebot des Landes in der Altschuldenfrage

Inzwischen hat das Lad ja reagiert, hat einen Vorschlag zur Tilgung der Altschulden der Kommunen gemacht. So bietet das Land an, die Hälfte der Kassenkredite zu übernehmen, will im Gegenzug aber Teile der Grunderwerbsteuer einbehalten. Das sieht man vor Ort kritisch: „Grundsätzlich freuen wir uns darüber, dass das Land nach langer Wartezeit nun einen ersten Vorschlag zur Altschuldenregelung unterbreitet hat. Auf den zweiten Blick sehen wir es aber durchaus kritisch, dass die finanziellen Ressourcen hierfür aus den Mitteln des Gemeindefinanzierungsgesetzes erschlossen werden sollen“, gibt die designierte Kämmerin die Einschätzung der Stadt Gladbeck wieder.

Am Ende gelte es, abzuwarten, wie die genaue Ausgestaltung vom Land angedacht sei, Auswirkungen auf den Gladbecker Haushalt könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend bewertet werden. Hinzu komme, dass der Wortlaut der ministerialen Mitteilung den Schluss zulasse, dass sich ein Ausgleich durch das Land über einen nicht näher benannten Zeitraum von mehreren Jahren zu erstrecken scheint. Auch hierzu bedürfe es weiterer Konkretisierungen. „Die Stadt Gladbeck steht dazu in Kontakt mit den anderen kreisangehörigen Kommunen und der Kommunalaufsicht, aber auch mit dem Städtetag und dem Aktionsbündnis ,Für die Würde unserer Städte’, um bezüglich der Ausgestaltung und der Auswirkungen auf die städtischen Haushalte Transparenz zu erlangen.“

Neuer Leiter der Kämmerei

Unterstützung erfährt Gladbecks neue Kämmerin von Sebastian Mai. Der bisherige Abteilungsleiter in der Kämmerei steigt auf zum Amtsleiter. In dem Amt ist er 2012 auch bei der Stadt Gladbeck eingestiegen, nachdem er zuvor bei der Verwaltung in Marl gearbeitet hat. Schwerpunkt seither in Gladbeck: der Bereich Haushalt.

Drängende Baustellen

Was die nächsten drängenden Punkte angeht, die es anzupacken gilt, ist Mai sich mit Silke Ehrbar-Wulfen einig. Auch er sieht Grundsteuerreform, Altschuldenproblematik und die Digitalisierung als die nächsten Baustellen an. Bei der Digitalisierung setzt Mai auf Prozessoptimierung, um Mitarbeiter zu entlasten. Denn der Fachkräftemangel sei auch in der Verwaltung spürbar, weiß Mai. Vor dem Hintergrund ist es nur konsequent, dass der Leiter der Kämmerei auch der Personalgewinnung große Bedeutung beimisst.

Mai ist schon voller Vorfreude auf seine neue Aufgabe. Er sieht eine große Vielfalt bei den Herausforderungen, die auf ihn und sein Team zukommen. Da sei „über die Kämmerei hinaus Zusammenarbeit gefragt, um für Gladbeck zu einer guten Lösung zu kommen“.