Gladbeck. Der Rettungsdienst in Gladbeck steht vor großen Herausforderungen. Das sehen Fachleute als die größten Probleme an.
Rettungsdienstbedarfsplan – das hört sich nach einem ungeheuren Bürokratie-Monster an. Doch was sich hinter dem sperrigen Begriff verbirgt, geht im Ernstfall alle an. Wer ist wann und wie schnell bei mir, falls ich medizinische Hilfe benötige? Wie soll’s zukünftig weitergehen in Gladbeck, wenn Kräfte fehlen, Material nicht pünktlich geliefert werden kann, der demografische Wandel zunehmend spürbar wird?
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Nur einige von vielen Fragen, auf die der Rettungsdienstbedarfsplan jetzt und auf weite Sicht Antworten festzurren soll. Das Thema hat den Kreistag passiert. Das heißt für Gladbeck, wo der Rettungsdienst bei der Feuerwehr liegt: Es gibt einiges zu tun. Stadtbaurat Volker Kreuzer, Interimsdezernent für die vakante Stelle des Feuerwehrbereichs, sagt: „Wo stehen wir? Was sind Aufgaben, die vor uns liegen? Wie reagieren wir auf gesellschaftliche Veränderungen?“
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Welche Rolle spielen Bagatell-Einsätze im Alltag der Gladbecker Feuerwehr?
Fangen wir beim letztgenannten Punkt an, ein ganz schwerwiegendes Problem. Thorsten Koryttko, Feuerwehrchef in Gladbeck, stellt fest: „Wir haben immer mehr Fahrten, die eigentlich nicht notwendig wären. Die Bedarfe steigen.“ Diese Bagatell-Einsätze „belasten das System“ enorm. Handelt es sich um einen tatsächlichen Notfall? Diese Frage stellten die Menschen längst nicht immer. Folge: Der Rettungsdienst der Feuerwehr, der im Jahr 2022 rund 15.000 Krankentransporte/Notfälle gefahren ist, wird oft unangemessenerweise angefordert – und für dringende Einsätze blockiert. Georg Fragemann registriert: „Die Zahl der Bagatell-Einsätze steigt seit Jahren.“
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Der Leiter der Feuerwehr-Abteilung Rettungsdienst und Koryttko wissen: Zunehmend fordern Menschen den Rettungsdienst an, obwohl sie auch bis zum nächsten Tag warten und in eine Arztpraxis gehen könnten – ein Problem, dass deutschlandweit existent und bis ins Bundesministerium bekannt ist. Der Gladbecker Feuerwehrchef meint: „Wir müssen die Begehren der Bürger besser filtern und an den Ursachen arbeiten. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.“ Den Menschen müsse klar sein, so Fragemann, dass es – überspitzt ausgedrückt – einen gravierenden Unterschied ausmache, ob ein Pflaster auf eine kleinere Wunde geklebt werde oder ein Atemstillstand ein Leben bedrohe.
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Der Verschleiß der Fahrzeuge ist hoch: Was ist mit Lieferschwierigkeiten?
„Drei Rettungswagen sind bei uns 24 Stunden an sieben Tagen im Dienst“, berichtet Fragemann. Sie kosten pro Stück rund 270.000 Euro. Ein Notarzt-Einsatzfahrzeug schlägt mit ungefähr 200.000 Euro zu Buche. Teuer ist ebenfalls das technische Equipment an Bord wie Defibrillator (35.000 Euro) und Beatmungsgerät (15.000 bis 18.000 Euro). Zur Gladbecker Feuerwehr-Flotte gehören auch zwei Krankentransportwagen (KTW). Koryttko weist darauf hin: „Alles, was im Rettungsdienst passiert, wird von den Krankenkassen finanziert.“
Da die Fahrzeuge stark belastet sind, ist der Verschleiß hoch. „Sie fahren im Jahr ungefähr 25.000 Kilometer. Generell werden die Fahrzeuge nach sechs Jahren ausgemustert“, sagt Fragemann. Da die Fahrzeug-Industrie, wie viele andere Branchen, mit Material-Problemen kämpfe, „können wir ein Jahr im Vorlauf mit der Beschaffung beginnen“, so Koryttko. Zwei Jahre bezeichnet Fragemann als realistisch.
Bringt es Vorteile, ein Notarztfahrzeug am St.-Barbara-Hospital zu stationieren?
Derzeit, erläutert Koryttko, werde der Notarzt am St.-Barbara-Krankenhaus für Einsätze „eingesammelt“. Es müsse nun analysiert werden, ob es einen zeitlichen Vorteil bringe, den Notarztwagen dauerhaft am Krankenhaus zu stationieren. Frostsichere Garage, Ruheraum, Weglänge, Arbeitsabläufe – all’ das steht auf dem Prüfstand.
Wie geht’s im unterversorgten Stadtsüden weiter?
Der Stadtsüden mit seinen rund 13.300 Einwohnern und einer Vielzahl von Einsätzen gilt als unterversorgt. „Seitdem das Krankenhaus in Gelsenkirchen-Horst weg ist, verzeichnen wir steigende Zahlen“, beschreibt Fragemann die Situation. Könnte oder sollte dort ein zusätzlicher vierter Rettungswagen vorgehalten werden? Wenn ja: an welchem Standort? Und wie schaut’s mit der Einbindung von Organisationen wie dem DRK aus? Antwort Kreuzers: „Bei jeder Privatisierung von Leistungen sind Vor- und Nachteile zu überlegen, und es ist auch eine politische Entscheidung.“ Versorgungssicherheit im Rettungsdienst und Wirtschaftlichkeit stehen dabei im Fokus. „Wir verwalten fremde Mittel, nicht städtische“, stellt Kreuzer klar. Bei einer Ausschreibung könnten auch externe Anbieter den Zuschlag bekommen.
Ist Nachwuchsmangel bei der Feuerwehr ein Thema?
Doch was nützen die modernsten Fahrzeuge, wenn kein Personal parat steht? Der Rettungsdienst-Experte zur aktuellen Lage: „Landesweit gibt’s massive Nachwuchsprobleme.“ Doch die Gladbecker Feuerwehr fährt auf lange Sicht, hat Vorsorge getroffen. Koryttko erklärt: „Stand heute haben wir ausreichend Kräfte. Wir haben unsere Ausbildungsplätze erst von 17 auf 24 und dann auf 44 erhöht.“ Derzeit seien es 47 ausgebildete Notfallsanitäter. Laut Koryttko gehen durchschnittlich drei der Kräfte pro Jahr in Rente. Deshalb gilt: „Eine gesunde Personalplanung guckt auf zehn Jahre.“
Welche Gründe sprechen für eine Arbeit bei der Feuerwehr Gladbeck?
Volker Kreuzer macht keinen Hehl aus der personellen Mangellage: „Man muss etwas Attraktives bieten, aber nicht nur Geld.“ Klar ist, darin sind sich Koryttko und Fragemann einig: „Früher hatten wir 150 Bewerber und mehr. Der Pool mit möglichen Kräften ist kleiner geworden. Doch wir wollen unsere Ansprüche nicht senken.“
Die Gladbecker Strategie ist eine andere: Menschen, die vielleicht schon im Krankentransport aktiv sind, einen erleichterten Einstieg in die weitere Laufbahn bieten. Wenn die Voraussetzungen, beispielsweise der Sporttest, erfüllt sind, müssten sich Interessierte nicht woanders bewerben und hätten in Gladbeck die Chance zur Weiterentwicklung. Fragemann: „Wir haben Rettungssanitäter aus den eigenen Reihen.“
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