Gladbeck. Jens Große-Kreul setzt in seinem Schuhhandel aufs Online-Geschäft. Von dieser vierten Filiale profitieren Kunden vor Ort. Wie das funktioniert.

Einkaufen per Klick im Internet – so bequem und so schädlich für die Fachgeschäfte in der Innenstadt. Diese oder ähnliche Klagen hat bestimmt schon jeder einmal gehört. Umso überraschender vielleicht, was der Gladbecker Schuhhändler Jens Große-Kreul zu diesem Thema zu sagen hat. Er betreibt drei Fachgeschäfte – zwei in Gladbeck und eines in Castrop-Rauxel. Seit einigen Jahren ist er auch erfolgreich im Online-Handel. Längst sammeln die verschiedenen Paketdienste die Ladungen wagenweise bei ihm ein. Und aus dieser Erfahrung heraus sagt er, dass der stationäre Handel, seine Geschäfte und vor allem auch seine Kunden vor Ort, von seinem Online-Geschäft profitieren.

Dabei geht es nicht darum, mit Erlösen aus dem Internet den stationären Handel zu stützen. Große-Kreul bezieht sich dabei vor allem auf seinen Warenumschlag. Die Folge davon: Er kann mehr bestellen und seinen Kunden im Einzelhandel eine viel größere Auswahl bieten. „Ich bewege ganz andere Volumen, kann also auch mehr einkaufen.“ Denn die Regel bei ihm ist: Alles, was er online anbietet, findet sich zuerst auch in den Regalen seiner drei Geschäfte.

Zalando hat dem Schuhhandel zum Start „einen Schuss vor den Bug versetzt“

Vor acht oder neun Jahre habe er mit dem Onlinehandel angefangen. „Zalando hat uns einen ordentlichen Schuss vor den Bug versetzt“, erinnert er sich an die Zeit. Der Online-Versandhändler war mit lauter, schriller Werbung gestartet und setzte zu Beginn vor allem auf den Verkauf von Schuhen. Aus dieser Erfahrung heraus sei seine Brache womöglich eher online-affin geworden, sagt Große-Kreul mit Blick auf andere Einzelhändler – nicht nur in der Gladbecker Innenstadt.

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Viele Schuhhändler böten ihre Ware inzwischen im Internet an, der Einkaufsverband, dem der Gladbecker Händler angehört, habe mit schuhe.de sogar eine Verkaufsplattform entwickelt. Andere Branchen seien da wesentlich zurückhaltender, stellt Große-Kreul immer wieder fest. Seiner Überzeugung nach müssten sich lokale Händler dort viel stärker engagieren. „Gerade die Textiler müssten da viel weiter sein. Aber ich kenne kaum einen, der da omnichannel unterwegs ist“. Omnichannel – also frei übersetzt „auf allen Kanälen“ – bedeutet, dass Händler sowohl klassisch im stationären Handel wie auch online auf diversen Verkaufsplattformen unterwegs sind.

Für den Gladbecker ist der Onlinehandel die vierte Filiale

Bei der Frage, wie viel seines Umsatzes inzwischen auf den Onlinehandel entfällt, lässt er sich nicht in die Karten blicken, nennt offiziell keine Zahlen. Nur so viel: „Wir haben drei Filialen und online ist eine vollständige vierte Filiale.“ Dabei war der Anfang nicht so leicht, selbstverständlich sei er skeptisch gewesen, erst Recht sein Vater, der den Betrieb 1970 gründete. Aber er habe es machen können, und schon das erste Jahr sei besser verlaufen als gedacht.

Das Online-Geschäft bezeichnet Jens Große-Kreul als seine „vierte Filiale“ – neben den drei klassischen Schuhläden in Gladbeck und Castrop-Rauxel.
Das Online-Geschäft bezeichnet Jens Große-Kreul als seine „vierte Filiale“ – neben den drei klassischen Schuhläden in Gladbeck und Castrop-Rauxel. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Corona habe dann noch einmal einen richtigen Schub gegeben. Vorher habe er über die eigene Internetseite und vor allem über Amazon seine Waren verkauft. Mit Corona und dem Lockdown wuchs dann die Erkenntnis, sich nicht zu sehr von US-Handelsriesen abhängig zu machen. Und so hat er sich auf viele weitere Plattformen ausgeweitet. Er verkauft nun über den ehemals größten Konkurrenten, Zalando, ebenso über Schuhe.de, ebay, otto.de. oder shopfair – um nur einige der inzwischen mehr als zehn Plattformen, auf denen Große-Kreul aktiv ist, zu nennen.

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Seine Kunden kommen inzwischen aus der ganzen Welt. Es gebe kaum ein Land, in das er noch kein Paket versandt hat, sagt der Gladbecker. In seinem Laden an der Goethestraße hat er im Keller längst einen Arbeitsraum geschaffen, zwei Mitarbeiter kümmern sich nur ums Onlinegeschäft. Sie fahren rum, holen die im Netz verkauften Schuhe aus den Filialen, verpacken alles und sorgen für den Versand. Insbesondere an Montagen werden bergeweise Pakete von der Gladbecker Fußgängerzone aus in die Welt verschickt. Denn, auch das hat Große-Kreul mittlerweile gelernt: Vor allem am Wochenende kaufen die Kunden online.

Ebay, Amazon und Co. – jede Verkaufsplattform hat Eigenarten, die es zu kennen gilt

Sein Onlinegeschäft sei inzwischen enorm „plattformgetrieben“, sagt er. Dabei sei es wichtig, die Eigenarten der unterschiedlichen Plattformen zu kennen. Beispiel? „Die Retourenquote ist für uns enorm wichtig.“ Heißt also, wie viele Kunden schicken die bestellt Ware zurück und nutzen das Angebot des kostenlosen Rückversands. Die sei bei Zalando eben höher als anderswo, das sei ja auch bekannt, sagt Große-Kreul. Seine Konsequenz daraus: Er bietet dort eher höherpreisige Produkte an. Das ist eine Auflage, die er sich selbst auferlegt hat, dann lohne sich das auch mit den Retouren. Hinzu kommen andere Auflagen auf anderen Plattformen und von Herstellern, die beispielsweise nicht bei Amazon auftauchen wollen. „Daran halte ich mich auch.“

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Man dürfe sich nur keine Illusionen bezüglich der Treue der Online-Kunden machen, sagt Große-Kreul. Anders als vor Ort, gebe es im Internet keine Stammkunden, dort entscheide der Preis und – noch wichtiger – die Verfügbarkeit. Ist also ein Schuh nur noch in wenigen Shops im Angebot, steigen die Chancen, dass die Kunden bei Große-Kreul zuschlagen. Da funktioniere Online-Handel tatsächlich ganz anders als stationärer berichtet der Gladbecker, das habe er lernen müssen. Denn im klassischen Ladengeschäft sei es eher ein schlechtes Zeichen, wenn ein Schuh lange liege.

Erfahrung: Gerade im Ruhrgebiet braucht der Einzelhandel auch den Onlinehandel

Jens Große Kreul rät den lokalen Einzelhändlern, sich offen für den Onlinehandel zu zeigen. Er mahnt aber auch, das ernst zu nehmen und entsprechende Technik einzusetzen. Das habe er von Anfang an getan. „Ich wollte nicht anfangen mit Bestellungen per Mail, die wir dann ausdrucken, umhertragen und die womöglich verloren gehen könnten.“ Sein Shop ist direkt angedockt an sein Warenwirtschaftssystem, werden Schuhe online verkauft, geht die Nachricht sofort an die entsprechende Filiale, wo sie dann aussortiert werden. Fotos stellten viele Hersteller inzwischen von sich aus bereit, im Zweifel fotografiere man die Ware auch selbst, sagt Große-Kreul und deutet auf eine kleine Fotoecke in seinem Keller. Für ihn ist klar: „Wir im Haifischbecken Ruhrgebiet mit vielen, teils spezialisierten Stores, wir brauchen online.“