Gladbeck. Seit zwei Wochen gibt’s in und am Gladbecker Problem-Hochhaus Steinstraße 72 einen Sicherheitsdienst. Das sind erste Erfahrungen.
Die Hoffnungen waren groß, die Stadtverwaltung Gladbeck und vor allem die Anwohnerschaft in einen Sicherheitsdienst an der Adresse Steinstraße 72 gesetzt hatten. Ruhiger sollte es im und um das Problem-Hochhaus werden, sauberer, schlichtweg angenehmer. Vor zwei Wochen hat der besagte Sicherheitsdienst seinen Job angetreten. Und, haben sich die Erwartungen erfüllt? Oder wurden Hoffnungsfrohe enttäuscht? Anwohner und Stadtverwaltung berichten.
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Uwe Bergmann, einer der Sprecher für die Nachbarschaft der Immobilie Steinstraße 72 in Butendorf, erzählt: „Die ersten drei Tage, an denen der Sicherheitsdienst im Einsatz war, hatte ich tatsächlich das Gefühl, die Situation habe sich gebessert.“ Die Ruhe sei geradezu auffallend gewesen. Bergmann: „Ich habe mich erstmals seit sehr, sehr langer Zeit entspannt auf den Balkon setzen können.“
Anwohnerschaft und Stadtverwaltung Gladbeck ziehen eine erste Bilanz zum Einsatz des Sicherheitsdienstes an der Steinstraße 72
Aber: Zu früh gefreut, könnte man wohl sagen. Denn, so berichtet Bergmann: „Danach war alles wie vorher: Immer noch wurde auf dem Hof geschrien, das waren Erwachsene und Kinder.“ Negativ herausgestochen seien Tage, an denen der Radau bis 4.20 Uhr gedauert habe.
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Es herrschten ja an vielen Tagen hochsommerliche Temperaturen, geradezu prädestiniert für einen Aufenthalt unter freiem Himmel. Wenn die Sonne scheint, kommen daher die Anwohner auf trübe Gedanken. Uwe Bergmann: „Doch selbst bei schlechtem Wetter ist es nicht ruhig im Hochhaus. Wenn es regnet, halten sich viele Bewohner auf den Laubengängen auf, schreien von oben nach unten, von unten nach oben.“ Erst am Mittwoch sei das Gebrüll wieder einmal extrem laut gewesen.
„Stimmt“, sagt Anwohner Tobias Stolze, der solch ein Verhalten ebenfalls beobachtet hat. Er meint: „Wir hocken ja nicht immer am Fenster und beobachten alles; aber ich habe das Gefühl, dass das ganz Extreme, das lange währte, etwas besser geworden ist.“ Da klingt zwischen den Zeilen mit: Es gibt noch Luft nach oben.
Die Polizei hat es schwer, die Verursacher herauszufinden
Wie Uwe Bergmann registriert auch Tobias Stolze: Nach einer vielversprechenden Anfangsphase hat sich erneut der allseits bekannte Zustand – mit aller Vorsicht gesagt: möglicherweise etwas abgemildert – eingeschlichen. „Die Bewohner wissen ja ganz genau, wie der Hase läuft“, so Stolze. Aus den Augen, aus dem Sinn… Schließlich könne der zweiköpfige Sicherheitsdienst nicht überall im Riesen-Gebäude sein. „Ich habe tatsächlich zwei Leute mit grünen Sicherheitswesten gesehen, die offensichtlich mit Bewohnern im Gespräch waren.“
Umgang mit Beschwerden
Ein Sicherheitsdienst ist seit dem 1. September im Einsatz, zunächst befristet bis Ende Oktober. Die Zweier-Teams patrouillieren zwischen 20 und 1 Uhr im Hochhaus Steinstraße 72 und auch im Umfeld.
„Einsätze des Sicherheitsdienstes werden anlassbezogen bearbeitet – entweder in Form der mündlichen Ermahnung oder als Sofortmaßnahme unter Hinzuziehung des Kommunalen Ordnungsdienstes bzw. der Polizei – , dokumentiert und täglich der städtischen Problemimmobilienkoordinatorin Monika Kuschnierz gemeldet“, erklärt die Stadtverwaltung.
Sie teilt zudem mit: „Außerhalb der Einsatzzeiten des Sicherheitsdienstes sind die Beschwerdeführer weiterhin angehalten, das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Gladbeck oder die Polizei zu informieren. Beschwerden, die der Kommunale Ordnungsdienst feststellt bzw. die dem Amt für öffentliche Ordnung gemeldet werden oder die über die Hotline des KOD eingehen, werden – wie auch in der Vergangenheit – umgehend bearbeitet und gegebenenfalls an zuständige Stellen koordiniert.“
Allerdings, so konstatiert der Anwohner: „Die Leute tummeln sich schon noch draußen. Es herrscht, sagen wir mal, eine gewisse Geräuschkulisse.“ Eine Verlagerung der Lärmquellen bestätigt Stolze: „Sie gehen auch von den Laubengängen aus. Das erschwert es der Polizei herauszufinden, wer verantwortlich ist.“
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Ob es sauberer im Umfeld der Problem-Immobilie geworden ist? Da fallen Bergmann nur zwei Buchstaben als Antwort ein: „Nö!“
Unverändert sei ein weiterer Kritikpunkt, ergänzt Stolze. Seine Feststellung: „Fakt ist, dass immer noch Kinder sehr lange draußen sind.“ Es sei wünschenswert, dass sich die Sozialarbeit dieser Situation verstärkt annehme.
Auf Anfrage der WAZ ist aus dem Rathaus zu hören: „Der Sicherheitsdienst meldete bisher insgesamt 13 Maßnahmen, von denen vier als Sofortmaßnahme der Polizei gemeldet werden mussten. Zwei Meldungen (widerrechtliche Abfallentsorgung und Verstoß gegen die Hausordnung) erfolgten an die Problemimmobilienkoordinatorin, die weitere Schritte in die Wege geleitet hat.“ In den anderen Fällen haben laut Stadtverwaltung mündliche Ermahnungen zur weiteren Verhinderung von Lärmbelästigungen und zur Einhaltung der Nachtruhe ausgereicht.
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Der Sicherheitsdienst habe berichtet, dass „viele Bewohnerinnen und Bewohner auf die Teams zugehen und über deren Präsenz im Objekt erfreut seien“. Es sei zu beobachten, dass es ruhiger an der Steinstraße 72 geworden sei. Dennoch heißt es auch: „Zurzeit kommt es noch zu einigen Ruhestörungen bis ungefähr 30 Minuten nach Einsatzbeginn des Sicherheitsdienstes und sehr vereinzelt zu erheblichen Störungen, die das Eingreifen der Polizei erforderlich machten.“
Während der regelmäßigen Kontrollen des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) seit Anfang September habe es keine besonderen Feststellungen gegeben, so Stadtsprecherin Christiane Schmidt. „Es ergingen fünf Beschwerden wegen Lärmbelästigung, lediglich in zwei Fällen konnten die Verursacher ermittelt werden, es wurden Verwarnungsgelder erhoben.“
Die Anwohner bewerten die Situation etwas anders, haben vielleicht zu hohe Erwartungen in den Sicherheitsdienst gesetzt. Mag sein. Aber in der stundenweisen Einsatzzeit lässt sich nun einmal nicht der Kosmos „Steinstraße 72“ umkrempeln. „Die Ausweitung der Dienststunden wäre bestimmt sinnvoll“, überlegt Uwe Bergmann. Sein Mitstreiter Tobias Stolze: „An der richtigen Effektivität muss noch gearbeitet werden. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf.“
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