Essen. NRW-Bilanz 2020: Corona-Pandemie treibt Keil in den Einzelhandel: Modehändler kämpfen um Existenz, Onlinehandel und Möbelhäuser erzielen Rekorde.

Fast fünf Prozent (4,9 Prozent) mehr Umsatz hat der nordrhein-westfälische Einzelhandel im Corona-Jahr 2020 erzielt, teilte das Statistische Landesamt IT.NRW am Freitag mit. Das ist etwas weniger als die vorläufigen Zahlen aus dem Februar hergaben. Nichtsdestotrotz fällt die Bilanz so gemischt aus wie nie zuvor: Riesige Umsatzsprünge in den einen Handelsbereichen stehen historische Einbrüche in den anderen gegenüber.

Lockdown beschert Onlinehandel Umsatzplus von 40 Prozent

Der Online- und Versandhandel schreibt Rekorde, hat in den Lockdown-Monaten gut 40 Prozent mehr Geld eingenommen, insgesamt 27,2 Prozent im gesamten Jahr 2020. Auch wer Lebensmittel verkauft, Möbel, Heimwerker-Produkte oder Fahrräder verkauft, hatte deutlich mehr in der Kasse. Dagegen brach der Umsatz im stationären Handel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen um satte 20,5 Prozent ein. Und die Lage der betroffenen Unternehmen hat sich inzwischen noch weiter verschärft.

Der lange Lockdown zu Jahresbeginn hat Boutiquen, Modefilialisten und Bekleidungshäuser bis April im Vergleich zum Vorjahr weitere 40 bis 50 Prozent Umsatz gekostet, heißt es beim Handelsverband Textil (BTE). Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 sind das sogar rund 60 Prozent. Bundesweit verloren die Modehändler in nur vier Monaten etwa sechs Milliarden Euro Umsatz. Das reißt nie da gewesene Löcher in ihre Kassen. Und weil sie nun die mit unverkaufter Ware überfüllten Lager zu großen Rabatten zu leeren versuchen, schreiben viele auch nach ihrer Wiedereröffnung weiterhin rote Zahlen. Für viele Mode- und Schuhhändler wird die Pandemie zur Existenzkrise.

Rekordumsätze in Supermärkten und Discountern

Während der Lockdown-Phasen haben auch die Supermärkte und Discounter Umsatzrekorde erzielt. Den größten Sprung machten sie zu Beginn des ersten Lockdowns, als viele Menschen sich mit Lebensmitteln eindeckten. Die Hamsterkäufe ließen die Umsätze im März 2020 um 10,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat ansteigen, im April betrug das Plus laut IT.NRW immer noch 8,3 Prozent. Nach einer Normalisierung der Einkaufsgewohnheiten im vergangenen, vergleichsweise unbeschwerten Sommer verkauften die Supermärkte und Discounter zum Jahresende wieder deutlich mehr als üblich. Auch mit Textilwaren und Elektronikgeräten, die im geschlossenen Fachhandel liegen blieben.

Ein beispielloses Hoch erlebten auch Händler von Fahrrädern, Sport- und Campingartikeln: Im Mai 2020 verkauften sie ein knappes Drittel (30,7 Prozent) mehr als ein Jahr zuvor. Auch im Rest des Jahres lagen ihre Verkaufserlöse stets um rund 20 Prozent darüber. In diesem Jahr geht der Fahrrad- und Freizeitartikelboom weiter, was inzwischen zu erheblichen Lieferengpässen geführt hat.

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Die enormen Unterschiede der Handelszweige spalten die Branche, was auch die laufenden Tarifverhandlungen in NRW so schwierig macht. Denn die Arbeitgeber der rund 700.000 Beschäftigten im NRW-Einzelhandel spüren extrem unterschiedliche Auswirkungen der Pandemie. Gleichzeitig haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der besonders betroffenen Handelszweige selbst starke Einbußen durch Kurzarbeit erlitten.