Gladbeck. Wilhelm Mundt ist international berühmt für seine Trashstones. Einige dieser „Müllsteine“ sind jetzt in der Neuen Galerie Gladbeck zu sehen.
Zugegeben, in eine 08/15-Wohnung gehen sie nicht rein; für den schmalen Geldbeutel sind sie ohnehin mindestens vier Nummern zu groß. Aber in die Neue Galerie Gladbeck passen sie wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge: Trashstones, die Künstler Wilhelm Mundt im Mammut-Format kreiert. Manch’ Überraschendes steckt in diesen mitunter tonnenschweren Steinen, die ab dem 14. April in den Ausstellungsräumen an der Bottroper Straße im Rathauspark zu sehen sind. Die Schau trägt den auf den ersten Blick vielleicht verwirrenden Titel „totes Kapital“.
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Aber bei Wilhelm Mundt muss man eben zwei, drei, vier Mal hinsehen – oder noch häufiger, um seine Werke erfassen zu können. Wenn dies denn überhaupt möglich ist. Um-fassen lassen sich seine Mammut-Formate jedenfalls nicht. Die gigantischen Werke haben manchmal mehr als eine Tonne Gewicht. Nehmen wir als ein Beispiel ‘mal Nummer 532. Als erste Assoziation mag einem ein etwas aus den Fugen geratenes Riesenschwein einfallen. Liegt’s an der „Fleischfarbe“? An den Rundungen? Der Künstler selbst findet diese Eingebung interessant, sieht er doch eine – offenbar nicht beabsichtigte – Verbindung zu seinem Privatleben: „Ich bin ein Metzgers-Enkel.“ Eingesperrt ist dieses Werk in einen Käfig, die Farbe identisch zum Trashstone.
In der Neuen Galerie Gladbeck sind die Trashstones von Wilhelm Mundt bis Juni zu sehen
Wozu die Gitter? Mal eben lange Finger machen und das Exponat mitgehen lassen, das ist ja nicht drin bei diesen enormen Maßen. Der Zwinger ist Teil des Mega-Klumpens; die Farbe kennzeichnet die Zusammengehörigkeit beider Elemente. Die Wirkung aufs staunende Publikum: Wilhelm Mundt erzeugt mit der skulpturalen Gefangenschaft den Eindruck, dass in dieser doch starren, toten Materie Leben steckt. Mundt „beseelt“ Lebloses.
Warum dann der Titel „totes Kapital“, der auch auf einem Trashstone handlicheren Formats steht? Der Ausdruck, so die Neue Galerie, impliziere im übertragenen Sinne nicht einzig ungenutztes Wissen oder Können oder die Leblosigkeit ökonomischen Kapitals des sterblichen Menschen: „Über die materialistische Verengung hinaus, nach der Erweiterung des Kunstbegriffs, ist das menschliche Kapital menschliche Fähigkeit und ihre Gestalt.“
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Was die Gäste der Neuen Galerie zu sehen bekommen, sind Objekte, die ihr Innenleben für sich, in sich verschlossen, behalten. Der Name „Trashstone“ gibt allerdings schon einen Hinweis, denn – übersetzt aus dem amerikanischen Englisch – ist darunter „Müll“ zu verstehen. Und zwar genauer gesagt: Abfall, der im Atelier übrig bleibt. „Mit Recycling“, so unterstreicht der Künstler, „hat das aber nichts zu tun. Das hat ja keine Offenheit.“ Gerd Weggel, Vorsitzender des Vereins „Neue Galerie Gladbeck“, hat die Ausstellung kuratiert. Er berichtet: „Wilhelm Mundt hat als Maler angefangen und vor etwa 30 Jahren damit aufgehört. Seitdem macht er seine Trashstones, die nummeriert sind.“ Mal farbig, mal schwarz, mal weiß. Und in Gladbeck, in der Maschinenhalle Zweckel, sei der Künstler mit seinen Arbeiten auch schon einmal gewesen.
Schrauben, Papier, ja sogar frühere Arbeiten verschwinden in den – flapsig gesagt – Kaventsmännern und kleineren „Verwandten“. Der Künstler erzählt: „Die Reste sind da und müssen weg.“ In einem Stein, so verrät der 63-Jährige, der in Rommerskirchen wohnt und eine Professur an der Kunsthochschule in Dresden hat, habe er sogar „das kaputte Fahrrad meiner Söhne“ verschwinden lassen. Auch eine Arbeit des jungen Wilhelm Mundt verbirgt sich in einem Trashstone: ein Tonkopf: „Wenn man es weiß, kann man die Form erahnen.“
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Am liebsten schaffe er große Müllsteine. Das Drehen, Wenden, Schieben „geht an die Leibhaftigkeit“ und bedeutet auch körperliche Anstrengung. Wieder und wieder ändert Mundt die Position seiner Arbeit, trägt Schicht um Schicht Polyesterharz auf, das vor einem nächsten Arbeitsschritt trocknen muss. Wo ist oben, wo unten? Mundts Gegenstände sind da nicht definiert. „Ich umkreise wie ein Planet die eigene Arbeit.“
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Er rechne fortwährend etwas aus. Auf einem Trashstone mit einer schwarzen Endlos-Schleife auf weißem Grund sind schwach Zahlen und Buchstaben erkennbar. Er stehe tagelang vor den Steinen, mache sich Notizen. Bei diesem Werk, um „eine Leichtigkeit der Linie zu entwickeln, wie bei einer Carrerabahn“.
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Gerd Weggel meint dazu: „Da hat Mundt wohl mit einer breiten Quaste gearbeitet.“ An einer Stelle macht der Adlerblick einen gestrichelten Totenschädel aus. Der Künstler gibt preis, was es damit auf sich hat: eine Hommage an einen „tollen Ausstellungsmacher, der sich im November das Leben genommen hat“.
Kunsttalk: Leser treffen Wilhelm Mundt
Die WAZ feiert Jubiläum. Seit 75 Jahren gibt es die Tageszeitung fürs Ruhrgebiet nun schon. Klar, dass sich das Geburtstagskind etwas Besonderes einfallen lässt – genauer gesagt: 75 exklusive Veranstaltungen. In Gladbeck ist es eine Begegnung mit dem Künstler Wilhelm Mundt, dessen berühmte Trashstones vom 14. April bis 25. Juni in der Neuen Galerie an der Bottroper Straße 17 zu sehen sind.
Und genau an diese Stätte führt der Weg derjenigen, die am 28. April ab 21 Uhr beim Kunsttalk „Nachts im Museum“ der WAZ Gladbeck dabei sein dürfen. Eine feine, kleine Runde: Um die 20 Gäste können an der „Nacht im Museum“ der WAZ Gladbeck teilnehmen. Und aus dem Munde des Künstlers erfahren, was er über Inspiration, Arbeitsweise, persönliche Gedanken und vieles mehr zu sagen hat.
Anmeldungen sind bis zum 20. April unter waz.de/nachts-im-museum möglich. Eine Übersicht über alle WAZ-Jubiläumsaktionen gibt es unter waz.de/75aktionen.
Das Gewicht der Objekte hängt logischerweise davon ab, was drinsteckt. „Manchmal kann ich einen Stein nur mit Hilfe einer Laufkatze bewegen“, sagt der Künstler. Dann greift Alexander Hilgers aber auch zu, seit fast 20 Jahren zupackend an Mundts Seite. Während der 63-Jährige wie ein Flummi zwischen den Räumen hin und her springt, legt der 51-Jährige im ehemaligen Lesesaal Hand an. Dort liegen ein paar schwarze und weiße kleine Steine, wenigstens im Vergleich zu den gigantischen Exemplaren im Hauptausstellungsraum. Mal aufgereiht, mal übereinander. Vollkommen schwarz wird dieses Zimmer verkleidet, es wirkt beklemmend wie eine Zelle. Der Gast tritt ein in ein Gesamtkunstwerk, bekommt die Wirkung der Arbeiten zu spüren.
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Wie viele Exponate die Gäste in den sonst lichtdurchfluteten nüchternen Räumen vom 14. April bis 25. Juni zu sehen bekommen, lässt sich angesichts nicht beziffern. „Das kommt darauf an, wie man die Ausstellungsstücke betrachtet“, sagt Gerd Weggel. Einzelne Steine oder das große Ganze?
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Die Ausstellung „totes Kapital“ mit den Trashstones von Wilhelm Mundt wird am 14. April, um 19.30 Uhr in der Neuen Galerie, Bottroper Straße 17, eröffnet. Zu dieser Schau, die bis zum 25. Juni läuft, gibt es eine Edition mit vier Steinen.