Gladbeck. Eine Gladbecker Hausbesitzerin befürchtet, dass ihre Einsparbemühungen in 2022 nicht honoriert werden. Das sagen Experten zur Gaspreisbremse.
„Alle Bürger, die im Vorjahr kräftig eingespart und dazu beigetragen haben, dass keine Gasmangellage in Deutschland entsteht, sind jetzt die Dummen“, sagt Sabine A.*. Die Gladbeckerin ist sauer, denn sie befürchtet, dass die finanziellen Entlastungen durch die dieses Jahr greifende Gaspreisbremse des Staates für sie „und sicher auch viele weitere Gladbecker nicht wirksam wird“. Sind ihre Sorgen berechtigt?
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Sabine A. (*Name auf Wunsch geändert) erzählt von dem großen ausgebauten Eigenheim, das sie mit ihrem Mann in Alt-Rentfort bewohnt. Rund 150 Quadratmeter Wohnfläche seien zu beheizen. Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine, dem Gaslieferstopp aus Russland nach Deutschland und den Appellen aus der Politik, auch den privaten Gasverbrauch um mindestens 20 Prozent zu drosseln, hätten sie sofort reagiert. „Wir haben ab dem Frühjahr 2022 versucht, so wenig Gas wie möglich zu verbrauchen.“ Um das Einsparziel zu erreichen, „haben wir unseren Kaminofen genutzt, um zuheizen zu können“. Für zwischenzeitlich stark verteuertes Brennholz habe man rund 500 Euro ausgegeben und gelagert. Zwei Raummeter seien in etwa schon verbraucht. Ihre Bemühungen hätten Wirkung gezeigt, sagt die Gladbeckerin nicht ohne Stolz, „wir konnten unseren Gasverbrauch um mehr als 30 Prozent senken“.
Statt einer Belohnung werden wir jetzt für das Sparen bestraft
Statt Belohnung werde man jetzt aber bestraft. Denn die durch die Gaspreisbremse beabsichtigte finanzielle Entlastung der Privathaushalte, „kommt bei uns nicht so an, wie bei einem Hausbesitzer, der sich bislang gar nicht bemüht hat, Gas beim Heizen einzusparen“. Denn es sei doch so, dass für die dieses Jahr ab März rückwirkend bis zum Januar wirksam werdende Gaspreisbremse „als Bemessungsgrundlage der durchschnittliche Gasverbrauch des Vorjahres herangezogen wird“. Die Preisbremse subventioniere zudem nur 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs, „da ja 20 Prozent eingespart werden sollen“. Und alle, die darüber hinaus 2023 noch mehr einsparten, „werden vom Staat zusätzlich belohnt“. Letzteres bestrafe sie nun doppelt, so Sabine A.
Denn sie sagt, dass aufgrund ihrer Sparbemühungen 2022 einerseits schon ihr für die Gaspreisbremse 2023 zugrunde gelegte Durchschnittsverbrauch niedrig sei. Zudem könnten sie nicht in den Genuss einer zusätzlichen Belohnung gelangen, „da wir im Vorjahr ja schon alle unsere möglichen Einsparpotenziale genutzt haben, so dass wir 2023 den Gasverbrauch nicht weiter drücken können“. Dies sei doch für sie und alle Bürger, „die 2022 schon solidarisch kräftig ihre Heizung heruntergedreht haben, ungerecht“ und es müsse vom Staat entsprechend nachgebessert werden. Ein Problem, das nicht nur die Gladbeckerin sieht. Selbst innerhalb der Gaspreisbremsen-Expertenkommission sind die Meinungen zur Gerechtigkeit des Modells gespalten. Darüber hinaus kritisieren politische Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbände, das „Gießkannenprinzip“.
Verbraucherzentrale erwartet noch den großen Ansturm Ratsuchender
Die steigenden Energiepreise und die Gaspreisbremse führen auch zu Anrufen bei der für Gladbeck zuständigen Verbraucherzentrale in Bottrop. Der große Ansturm mit Beratungsbedarf werde aber erst noch kommen, „im Mai, wenn die großen Energieversorgungsunternehmen wie ELE oder EON ihre Gaspreisrechnungen verschicken“, sagt Beratungsstellenleiterin Claudia Berger. Den es gebe sicher etliche Haushalte „die an der finanziellen Belastungsgrenze sind und befürchten, aufgrund ihres geringen Einkommens und der hohen Energiekosten in die Sozialhilfe abzurutschen“. Die Gaspreisbremse sei generell ein gutes Instrument zur Entlastung. Und Privathaushalte, „die schon im Vorjahr kräftig den Gasverbrauch reduziert haben“, könnten zwar vielleicht nicht weiter drastisch den Verbrauch drosseln, würden aber auch von der Gaspreisbremse profitieren. „Und sie können ja mit einem geringeren Abschlag aufgrund ihres gesunkenen Vorjahresverbrauch rechnen, der ihre Haushaltskasse zudem entlastet.“ Sie denke aber, dass in Sachen Ungerechtigkeiten „noch etwas passieren wird und Nachbesserungen bei der Energiepreisbremse erfolgen“.
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So werden Haushalte entlastet
Der Deutsche Bundestag hat die vom Bundeskabinett vorgelegten Gesetzentwürfe für die Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen verabschiedet, die Weihnachten in Kraft getreten sind. Er hat zusätzlich die Voraussetzung für Härtefallhilfen geschaffen für Haushalte, die mit Heizöl, Pellets oder Flüssiggas heizen.
Mit der Preisbremse bekommen Gaskunden einen Zuschuss zum Gaspreis. Diesen Rabatt übernimmt der Bund gegenüber den Energieversorgern, die verpflichtet sind, den Verbrauchern den Entlastungsbetrag gutzuschreiben. Für Mieter gilt, dass ihre Vermieter die Entlastung über die Betriebskostenabrechnung weitergeben muss.
Die Gaspreisbremse gilt für 14 Monate (ab Januar). Das bedeutet, dass ein Kontingent von 80 Prozent des Erdgasverbrauchs (Abschlag) zu 12 Cent je Kilowattstunde gedeckelt wird (Rabatt zum Marktpreis). Für den restlichen Verbrauch muss der Marktpreis gezahlt werden.
Ihre ‘Chefin’ Ramona Pop, Vorständin vom Verbraucherzentrale Bundesverband, hat dazu schon Verbesserungsvorschläge benannt. Sie fordert, um Verbraucher zu entlasten, die schon alle Einsparpotenziale realisiert haben, dass ein Mindestkontingent von 4000 kWh Gas festgelegt werde, auf das der staatlich garantierte Brutto-Arbeitspreis von zwölf Cent zu 100 Prozent angewendet wird. Gutverdiener mit Spitzensteuersatz sollten die Entlastung durch die Preisbremse als zusätzliche Einnahme versteuern müssen und die Bundesregierung müsse bis Mitte des Jahres Voraussetzungen für sozial-differenzierte Direktzahlungen des Bundes schaffen.
Auch die kalten Wintermonate 2021/ 2022 werden für die Gaspreisbremse berücksichtigt
Peter Efing, Pressesprecher vom regionalen Energieversorger Emscher Lippe Energie (ELE), hat zudem eine vielleicht beruhigende Nachricht für alle wie Sabine A. in Gladbeck, die bereits im Vorjahr ihr Gas-Einsparpotenzial ausgeschöpft haben. Es sei richtig, dass die neu in Rechnung gestellte Abschlagszahlung für den Gasbezug als Durchschnitt auf Basis der Verbräuche der Monate des vergangenen Bemessungszeitraumes ermittelt werde. Für den Jahresverbrauch würde aber nicht das Kalenderjahr 2022 berücksichtigt, „sondern der Verbrauchszeitraum von September 2021 bis September 2022“. Dies bedeute, „dass auch die kalten Monate vor Beginn des Ukrainekrieges und der Gaskrise berücksichtigt werden“, als noch nicht das 20 Prozent Einsparziel ausgerufen worden sei. Somit würden die Einspareffekte der Haushalte, die ab Frühjahr 2022 ihren Gasverbrauch gedrosselt hätten, nur zum Teil in die Bemessungsgrundlage auch für die Gaspreisbremse und deren Berechnungskontingent einfließen würden. Das Unternehmen erstelle dazu jetzt Kunden-Informationen, „die Ende Januar auf unserer Homepage veröffentlicht werden“.