Gladbeck. Mitglieder der „Letzten Generation“ attackieren in Museen wertvolle Kunstwerke. Gladbecker haben zu diesen Aktionen eine klare Meinung.
Junge Menschen, die sich als Angehörige der „Letzten Generation“ verstehen, attackieren international in Kunstmuseen wertvolle Werke. Diejenigen, die sich „Aktivisten“ nennen, werfen in der Londoner Nationalgalerie auf Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ Tomatensuppe; im Potsdamer Barberini-Museum ist es Claude Monets „Getreideschober“, der eine Packung Kartoffelbrei abbekommt; in der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister kleben sich zwei Protestler am Rahmen der „Sixtinischen Madonna“ fest und verursachen einen Schaden von schätzungsweise 12.000 Euro. Kreative Köpfe, die in Gladbeck Kunst schaffen und/oder ausstellen, haben zu derartigen Aktionen eine klare Meinung.
Künstlerin Susanne Schalz sagt: „Ich sehe den Zusammenhang zwischen Aktivismus und Kunstwerk nicht. Wenn sich jemand auf einer Straße festklebt, kriege ich noch die Brücke von Autoverkehrssituation und Umwelt hin. Aber die Künstler, deren Werke jetzt in den Museen angegriffen werden, sind tot, die Farbe ist getrocknet. Die Aktionen sind nicht nachvollziehbar.“
Gladbeckerinnen vermissen Respekt vor den Werken der Künstler
Die Angriffe ließen Respekt gegenüber Museen und Gemälden vermissen. Schalz, die im Magazin an der Talstraße Atelier und Ausstellungsraum hat, kritisiert scharf: „Die Akteure nehmen bewusst Zerstörung von Kunst in Kauf. Ihnen geht es nicht ums Klima. Das ist eine billige Nummer für Klicks und Schlagzeilen.“ Es gehe um Aktionen „als Show“, um Reichweite auf diversen Kanälen. Mit derartigen Attacken werde eher eine negative Aufmerksamkeit erzeugt. „Was Aktivisten in den vergangenen Jahren an Akzeptanz aufgebaut haben, ist mit einem Schlag futsch“, meint die Gladbeckerin.
Museen betrachtet die Künstlerin als „geschützten Raum, der genau vor Zerstörung schützen soll“. Zumal sich auch viele Maler mit dem Thema „Weltende“ – wie die „Letzte Generation“ – beschäftigt hätten. Wer mit Leim, Tomatensoße und Kartoffelbrei agiere, „nimmt sich Rechte heraus, von denen die Betreffenden meinen, sie an sich reißen zu dürfen“. Bestimmt gebe es „ansatzweise die eine oder andere gute Idee“. Aber: „Eine gute Botschaft, die schlecht kommuniziert wird, ist – flapsig gesprochen – für die Tonne.“ Schalz unterstreicht: „Ich bin nicht jemand, der nichts fürs Klima tut.“ Es komme halt auf den Weg an. Immerhin stehen Kulturgüter der Menschheit auf dem Spiel.
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Dem pflichtet Künstlerin und Galeristin Karoline Dumpe bei: „Wir haben es bei diesen Werken mit besonderen geistigen und handwerklichen Leistungen zu tun.“ Bis heute strahlen diese aus. Dumpe verweist auf den italienischen Maler Michelangelo Merisi da Caravaggio: „Er schuf besondere Lichteffekte, die Vorbilder für die Filmindustrie sind.“
Dumpe erkennt in den Attacken Ignoranz und bezeichnet sie als „Respektlosigkeit gegenüber Mitmenschen und den betreffenden Künstlern“. Ihr fehlt ebenfalls der Zusammenhang zwischen Werk und Aktion: „Man versucht, einen maximalen Effekt zu bekommen. Eine ,Mona Lisa’ kennt schließlich jeder.“ Die Künstlerin fragt sich: „Was ist, wenn man mit diesen Beschädigungen nicht genug Aufmerksamkeit erzeugt? Fährt man dann in einen Kindergarten und sprüht die Kinder an? Oder in einem Autohaus die Fahrzeuge?“
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Die Menschen in Deutschland leben in einer Demokratie und seien bisher gut damit gefahren. „Es kann nicht sein, dass sich ein paar Leute nicht an die Spielregeln halten“, betont Dumpe. Was, wenn sich alle derartig verhielten? Anstatt Energie in Anschläge zu stecken, sollte „man seine Gedankenkraft eher in Lösungen“ fließen lassen. Wie wäre es mit eigener Kreativität? „Es ist keine Kunst, in ein Museum zu kommen und Werke zu beschädigen.“
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Gerd Weggel, der die Neue Galerie Gladbeck über Jahrzehnte zu einem renommierten Ausstellungsort entwickelt hat, findet harte Worte: „Es ist kriminell, was in den Museen passiert. Aber mittlerweile ist alles salonfähig, wenn man sich einen Kontext für seine Taten baut, der als Alibi dient.“ Wie Schalz und Dumpe, so vermisst er Ehrfurcht vor Kunstwerken, „unabhängig vom materiellen Wert“. Anketten, Ankleben, Beschmutzen und Beschädigen „sind töricht, albern und kindisch“: „Der Zweck heiligt nicht die Mittel!“ Diese Aktionen kritisiert Weggel als „schädlich und schändlich“. Eine Konsequenz könnte sein, dass in Kunstmuseen mehr Überwachung notwendig werde. Solch ein Schritt steigere Kosten, die sich auf Eintrittspreise niederschlagen könnten.
Kulturdezernentin Linda Wagners Kommentar: „Protest ist in einer Demokratie wichtig, aber es sollte um die Sache gehen. Die Verbindung von einem Anschlag mit Kartoffelbrei und Hunger in der Welt ist weit hergeholt.“ Der Angriff auf Kunstwerke sei kontraproduktiv, weil er sein Ziel verfehle.
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„Es gilt, Kunst für zukünftige Generationen zu schützen, ebenso wie das Klima“, so die Dezernentin. Was derzeit geschehe, „ist vollkommen fehlgeleitet“: „Die Akteure verlieren Unterstützer und Akzeptanz. Die Aktionen helfen dem Klimaschutz nicht.“ Wagner schlägt vor: „Wie wäre es denn, sich mit Künstlern zu verbünden? Da sind ja einige, die Themen wie Erderwärmung und Artenvielfalt aufgreifen.“ Der Appell an Beschmierer und Beschädiger lautet: „Finger weg von der Kunst!“
Vielleicht bringt ja ein jüngerer Mensch mehr Verständnis für die Aktionen auf, zum Beispiel Luisa Schlotterbeck? Die 29-Jährige ist Künstlerische Leiterin der Neuen Galerie. „Das eigentlich Interessante ist ja, dass ausgerechnet Museen Orte der Aktionen sind“, so Schlotterbeck. Werden diese Häuser als Institution kritisiert? „Ich glaube nicht.“ Die 29-Jährige führt aus: „Wir haben hier einen Populismus, der nach Aufmerksamkeit sucht. Keiner klebt sich an den Reichstag. Der Diskurs bleibt bei den Aktionen auf der Strecke, denn eine Mona Lisa hat nichts mit den Zielen zu tun.“ Überlegung: „Warum sind’s ausgerechnet Museen? Das scheint die letzte Anlaufstelle zu sein, um Aufmerksamkeit zu erregen.“ Schlotterbeck: „Dafür habe ich kein Verständnis.“