Gladbeck. Der Jazzclub Gladbeck bringt vor allem alten Jazz auf die Bühne. Will der Club weiter bestehen, muss sich das ändern. Das plant der Vorstand.
Der Jazzclub Gladbeck ist eine Institution, keine Frage, sogar über die Stadtgrenzen hinaus, und das seit beinahe 40 Jahren. Die Mitgliederzahl bewegt sich stabil um die 200, die Soireen locken verlässlich viele Zuhörer, auch die Konzerte außer der Reihe schlagen ein. Und doch mag der geneigte Jazzhörer das Gefühl verspüren, dass etwas fehlt – nicht ohne Grund. Was der Club höchst erfolgreich auf die Bühne bringt, ist in den allermeisten Fällen der „alte“ Jazz: Dixieland und New Orleans.
Zweifelsohne noch heute populäre Strömungen der uramerikanischen Musikrichtung, die mit einer gewissen Unbeschwertheit, oft mit wilden Bläsertrios und vor allem mit sehr leichter Verdaulichkeit bestechen. Wer den eher moderneren Richtungen Bebop oder Contemporary zugewandt ist – dabei bleibt im Hinterkopf zu behalten, dass auch der Bebop schon über 70 Jahre alt ist – mag nun argumentieren, dass den alten Stilrichtungen die Tiefe und das Gefühl fehlen, was die Stars wie Joshua Redman, Brad Mehldau oder Pat Metheny heute mitbringen. Warum also gibt es diese Strömungen im Jazzclub Gladbeck nicht?
Warum gibt es keinen modernen Jazz im Jazzclub Gladbeck?
„Diese Frage bekommen wir oft gestellt, vor allem von außen“, nickt Marvin Wetekam, Vorsitzender des Gladbecker Jazzclubs. „Jazzstudenten von der Folkwang-Hochschule in Essen fragen zum Beispiel an, und stellen dann fest, dass wir eher älteren Jazz spielen lassen“, erklärt Wetekam, der moderne „Hochschuljazz“, wie der Vorsitzende ihn nennt, steht in Gladbeck nicht so oft auf dem Plan.
„Das ältere Publikum will ihn einfach nicht hören“, begründet Marvin Wetekam kurz und knackig, sagt aber auch: „Wir wollen ein breites Spektrum an Jazzrichtungen anbieten. Dass wir beinahe nur alten Jazz anbieten, das wollen wir ändern.“ Die ersten Versuche waren nicht alle von Erfolg gekrönt, „die Rückmeldungen zu der Nu-Jazz-Band ,Nighthawks’ waren sehr durchwachsen“.
Erneuerung in kleinen Schritten
Dass der Fokus des Jazzclubs bis heute vor allem auf altem Jazz liegt, hat auch mit den persönlichen Vorlieben des langjährigen Vorsitzenden Wolfgang Röken zu tun. Mit Marvin Wetekam und seinen Vorstandskollegen soll sich das ändern, auch um einen alten Stempel loszuwerden. „Man hört sehr oft: ,Im Jazzclub Gladbeck gibt es nur Musik für alte Leute’“, bedauert der Vorsitzende.
Daran sei dem Club allein schon aus Selbsterhaltungstrieb gelegen. „Wenn wir uns musikalisch nicht verjüngen und neues Publikum anlocken“, erklärt Wetekam, und wählt die nächsten Worte mit Bedacht, „dann stirbt der Jazzclub aus.“ Zum Glück können die Macher aus der ganze Bandbreite des facettenreichen Genres schöpfen, „wir können so viel machen. Und diese Erneuerung ist uns in kleinen Schritten auch schon gelungen“.
Corona schneidet dem Jazzclub Gladbeck ins Fleisch
Tatsache ist aber auch: Der größte Teil der rund 200 Jazzclubmitglieder will den alten Jazz hören. „Das ist eine Gratwanderung. Wir wollen unsere älteren Mitglieder nicht vergraulen, gleichzeitig müssen wir mit modernerer Musik aber auch neue Mitglieder gewinnen“, erklärt Wetekam. Doch der Weg ist steinig, erst kürzlich musste der Jazzclub den „Summernight Jazz“ mit zeitgemäßem Jazz absagen, „das lag nicht nur an den schlechten Ticketverkäufen“, sagt Marvin Wetekam, „aber auch daran.“
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Dem modernen Jazz wurden in Gladbeck aber noch andere Steine in den Weg gelegt. Die vor Corona sehr erfolgreiche Reihe „Jazzcorner“, in der semiprofessionelle Bands regelmäßig mehr als 150 Zuhörer ins Café Stilbruch lockte, musste erst der Pandemie wegen und dann aufgrund der Schließung des Stilbruchs pausieren, „aber wir sind auf der Suche nach einem neuen Spielort“, versichert Wetekam.
Jazzclub Gladbeck will keine Luftschlösser bauen
Kurz gesagt: Mit der Brechstange und auf Teufel komm raus will sich der Jazzclub Gladbeck nicht verjüngen, sondern langsam und behutsam. „Wir werden erstmal unser Kernprogramm weitermachen“, sagt Marvin Wetekam und betont: „Wir machen das alle ehrenamtlich und neben dem Beruf. Wir sind keine Profiveranstalter, die damit ihr Geld verdienen.“ Soll heißen: Der Jazzclub muss sich um seiner Existenz willen verjüngen – Luftschlösser will er dabei aber auch nicht bauen.
Deswegen freut sich der Vorsitzende jetzt auch auf bewährte Traditionsveranstaltungen, etwa auf die Gladbecker All-Stars, das traditionelle Gospelkonzert und auf Boogieman Vito am Jahresende. Dass der Jazzclub Gladbeck quasi synonym mit der Jazzszene in Gladbeck ist, macht die zärtliche Revolution, die Wetekam und sein Team anstreben, nicht einfacher.
Kommt das Jazzival zurück?
Aber umso wichtiger. Der Jazzclub ist ein elementarer Bestandteil, möglicherweise sogar der Schlussstein im Gewölbe des Kulturstandorts Gladbeck. Auch deswegen pochten Marvin Wetekam und seine Stellvertreterin Frauke El Meshai auf die Durchführung der Gladbecker Kulturkonferenz im September, „um mal die ganze Szene an einen Tisch zu kriegen und zu besprechen, wie wir zusammenarbeiten können“.
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Alleine steht der Club trotzdem mit dem Problem des angestaubten Jazz-Images nicht da. „Jazz wird oft missverstanden“, sagt Wetekam, als „alte-Leute-Musik“ eben. Eine Chance, dieser Missinterpretation zu Leibe zu rücken, könnte sich 2025, im 40. Jahr des Clubs bieten. Ganz vorsichtig und ohne Versprechungen irgendeiner Art denkt der Vorstand nämlich über die Auferstehung des „Jazzivals“ nach, das 2011 das vorerst letzte Mal über die Bühnen des Schloss Wittringen ging.
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Wolfgang Röken, erzählt Marvin Wetekam, habe stets klar gemacht: „Solange er Vorsitzender ist, wird es das Jazzival nicht mehr geben.“ Zu groß das finanzielle Risiko, eine „mittlere fünfstellige Summe“ müsse investiert werden. Geht das Festival dann in die Hose, etwa wegen des Wetters, hat es den Jazzclub Gladbeck die längste Zeit gegeben. Trotzdem, sagt Wetekam, „für den runden Geburtstag denken wir in diese Richtung.“ Vielleicht kann ja ein neues Jazzival den Jazzclub Gladbeck musikalisch in die Jetztzeit hieven.