Gladbeck. Mit den neuen Corona-Impfstoffen steigt die Bereitschaft der älteren Bürger, sich ein viertes Mal immunisieren zu lassen. Warum einige zögern.

Die Verfügbarkeit neuer Impfstoffe, die an die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 angepasst sind, führt im Kreis Recklinghausen zu einer verstärkten Nachfrage der Bürger nach Boosterimpfungen. Das bestätigt Lena Heimers, Sprecherin der Kreisverwaltung. An den beiden kommunalen Impfstellen des Kreises in Recklinghausen und Marl sind demnach in den vergangenen Wochen jeweils rund 300 Impfdosen verabreicht worden. Bevor der neue Impfstoff verfügbar war, waren es zwischen 50 und 60 pro Woche.

Auch in Arztpraxen wird zunehmend mit dem neuen Vakzin geimpft. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) dominieren die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 fast ausschließlich das Infektionsgeschehen. Die anderen Varianten, etwa BA.1, spielten derzeit keine Rolle, so das RKI.

Nur 36 Prozent der über 60-Jährigen sind vier Mal geimpft

Alle angepassten Impfstoffe sind nur für Auffrischungsimpfungen vorgesehen. Bislang haben etwa 53 Prozent der Menschen in NRW lediglich einen ersten Booster erhalten, 13 Prozent auch einen zweiten. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die vierte Impfung unter anderem für alle, die mindestens 60 Jahre alt sind. In dieser Gruppe sind in NRW aber bislang nur 36 Prozent der Bürger vier Mal geimpft.

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Das Kreisgesundheitsamt geht davon aus, dass die Impfquoten für NRW auch treffgenau auf den Kreis Recklinghausen übertragbar sind. Wenn dem so ist, bedeutet das, dass mehr als 120.000 über 60-Jährige bislang auf einen zweiten Booster verzichtet haben, obwohl das Angebot vorhanden wäre. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Ein beachtlicher Teil dürfte in diesem Sommer bereits eine Infektion durchgemacht haben, vermutet Lena Heimers, und sollte deshalb in den sechs Monaten danach nicht geimpft werden.

Sind milde Krankheitsverläufe der Grund für die Zurückhaltung?

Eine Erklärung für die Zurückhaltung könnte aber auch sein, dass inzwischen viele Menschen milde Verläufe im privaten Umfeld miterlebt haben und entsprechend gelassen sind. Das Kreisgesundheitsamt hält die Impfung und die Auffrischung gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission allerdings für absolut ratsam – „weil sie vor einem schweren Verlauf der Corona-Erkrankung schützt“, wie Lena Heimers betont.

Kreissprecherin Lena Heimers geht davon aus, dass ein beachtlicher Teil der Menschen in diesem Jahr eine Infektion durchgemacht habe, der deshalb in den sechs Monaten danach nicht geimpft werden sollte.
Kreissprecherin Lena Heimers geht davon aus, dass ein beachtlicher Teil der Menschen in diesem Jahr eine Infektion durchgemacht habe, der deshalb in den sechs Monaten danach nicht geimpft werden sollte. © Kreis Recklinghausen

Sommer bereits eine Infektion durchgemacht haben, vermutet Lena Heimers

Studien zeigen, dass eine Kombination aus Impfung und Genesung nach Infektion die beste Schutzwirkung entfacht. Nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung dürfte im laufenden Jahr inzwischen jeder Dritte eine Omikron-Infektion durchgemacht haben. Die Frage ist: Sind damit die Voraussetzungen für einen Winter ohne große Covid-19-Sorgen gegeben? Der Dortmunder Immunologe Prof. Carsten Watzl macht Hoffnung darauf, dass das Coronavirus tatsächlich an Schrecken verliert. „Wir werden immer immuner“, sagte er im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Es werde für das Virus „immer schwieriger, unseren nun bestehenden Immunschutz zu umgehen“, so der Experte. Dadurch sei es für das Virus auch immer schwieriger, „sich zu optimieren“.

Wenn diese Prognosen zutreffen, würden davon auch die mehr als 112.000 Menschen im Kreis Recklinghausen – das sind rund 18 Prozent der Bevölkerung – profitieren, die bislang überhaupt nicht gegen Corona geimpft sind. Darunter befinden sich allerdings auch rund 29.000 Kinder unter fünf Jahren, für die es keine Impfempfehlung gibt.