Gladbeck. Die Gladbecker Tafel fährt ab sofort durch die Stadt. Funktioniert das Konzept? Und was sagen die Menschen, die das Angebot nutzen?

„Das ist super für mich, das hilft mir sehr“, sagt Birgit M., und man glaubt es ihr. Denn die Gladbeckerin strahlt über das ganze Gesicht, wenn sie vom neuen Angebot der Tafel spricht, die Tafel, die über ein Jahr in Gladbeck schmerzlich vermisst wurde, die Tafel, die jetzt mit einem ganz neuen Angebot zurück ist. Denn das Deutsche Rote Kreuz (DRK) fährt ab sofort mit einem „Tafelwagen“ die ganze Woche Marktplätze in der Stadt an und versorgt die Menschen mit Lebensmitteln – wie am Montagnachmittag auf dem Marktplatz in Brauck.

Für Birgit M. ist die neue, mobile Tafel eine große Hilfe. Mit ihrem Rollstuhl in die Innenstadt zu fahren, war für sie keine Option.
Für Birgit M. ist die neue, mobile Tafel eine große Hilfe. Mit ihrem Rollstuhl in die Innenstadt zu fahren, war für sie keine Option. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Käse, Wurst, Brot“ will Frau M. heute mitnehmen, „die Sachen haben eine tolle Qualität, warum sollten die weggeschmissen werden?“ Zur Tafel kommt sie einmal in der Woche, seit zwei Jahren, und jetzt erst recht: „Wird ja alles teurer.“ Für sie sei die neue, mobile Tafel ein echter Segen. Früher, als die Tafel noch in Gladbeck-Ost war – damit meint Frau M. die an der Bülser Straße – war neben dem Auskommen mit dem Einkommen nämlich auch das Hinkommen ein Problem. „Das war für mich fast nicht machbar“, sagt sie, und zeigt auf ihren elektrischen Rollstuhl. Knackige zwölf Minuten veranschlagt Google Maps für die Strecke – mit dem Auto wohlgemerkt.

Neue Gladbecker Tafel: Schön, dass sie da ist, schade, dass sie da sein muss

„Jetzt wird ja auch noch alles teurer, da freue ich mich noch mal mehr über das Angebot“, murmelt die Gladbeckerin, während sie den Berechtigungsschein vom Amt aus ihrer Tasche kramt. Trotzdem muss sie wenig später mit leeren Einkaufstaschen von dannen fahren, denn: „Bei uns können Sie sich heute nicht registrieren, wir machen nur Ausgabe.“ Frau M. mit diesen Worten wegschicken zu müssen, ist DRK-Chef Wilhelm Walter sichtlich unangenehm. Die Gladbeckerin nimmt es gelassen, „bis nächste Woche“.

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„Das geht leider nicht anders“, erklärt Walter, „es kommen massiv mehr Leute zu uns.“ Die müssen sich mit ihrem Berechtigungsschreiben beim DRK an der Europastraße registrieren, dafür bekommen sie eine Checkkarte, mit der sie einmal in der Woche kostenlos Lebensmittel holen können. „Es sind so viele, wir mussten sogar einen Extratag für die Registrierung einrichten.“

Gladbecker Tafel als Integrationsinstrument

Nicht nur bei der Lebensmittelausgabe, auch schon davor. Ein Mitarbeiter zündet sich eine Zigarette an und schnauft durch. „Wir haben seit 8 Uhr heute Morgen die Discounter abgeklappert, 18 Stück“, immerhin, der Vorrat reicht auch für die Station am Dienstag in Rentfort. Die eingesammelten Lebensmittel verteilen Nazek, Selina und Simone aus dem neuen Tafelwagen an die Menschen. „Das macht einfach Spaß“, erklärt Selina ihr ehrenamtliches Engagement, „unbezahlbar“ nennt Wilhelm Walter die Helfer.

DRK-Chef Wilhelm Walter muss nur die Tafel-Karte der Kunden scannen, dann werden sie mit Lebensmitteln versorgt.
DRK-Chef Wilhelm Walter muss nur die Tafel-Karte der Kunden scannen, dann werden sie mit Lebensmitteln versorgt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Für Nazek ist die Arbeit gleich doppelt schön, die Junge Frau wurde nach ihrer Flucht aus dem Irak von einem Freund auf die Tafel aufmerksam gemacht. „Da lernt man gleich auch noch Deutsch dabei“, sagt sie grinsend. Noch dazu sei der größte Teil der Kunden sehr freundlich, „auch wenn schonmal ein Joghurtbecher zurückgeflogen kommt“, erinnert sich Simone und rückt die Milchtüten zurecht, „aber jeder hat mal einen schlechten Tag.“

Das erste Mal zur Tafel: Bedenken oder Scham?

Dann gibt es wieder was zu tun, Kartoffeln in die Tüten, Rosenkohl, noch mehr Gemüse, Obst, Aufschnitt, Brot, ein Überraschungsei. Ob sich Freya darauf am meisten freut, mag sie nicht so richtig sagen, ihre Mutter Nicole ist sich aber sicher, „das, oder der Salat“. Die Gladbeckerin geht heute zum ersten Mal zur Tafel, und wie Frau M. freut sie sich über das neue, mobile Angebot. „Ich habe kein Auto, und mit den ganzen Lebensmitteln Bus zu fahren, das wäre nicht so einfach“, sagt sie, und schultert drei Taschen, Tochter Freya kümmert sich um die Radieschen und den Rosenkohl.

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„Es wird alles immer teurer“, gibt auch Nicole zu Protokoll, „ich bin Hartz IV-Empfängerin, alleinerziehend und habe drei Kinder, die Tafel ist eine riesige Hilfe.“ Bedenken gehabt oder gar Scham verspürt habe sie nicht, beim Entschluss, zur Tafel zu kommen. „Warum auch, die Lebensmittel sind doch alle super. Und außerdem“, sagt sie, und schmunzelt, „ist das doch auch total nachhaltig.“

>> DIE MOBILE TAFEL IN GLADBECK: SO FUNKTIONIERT SIE

  • Der Wagen der Tafel hält montags bis donnerstags auf Marktplätzen in Gladbeck, freitags werden Kunden, die nicht mehr mobil sind, beliefert.
  • Montags steht der wagen in Brauck, dienstags in Rentfort, mittwochs in Mitte und Donnerstags in Zweckel.
  • Wer das Angebot wahrnehmen möchte, muss sich beim DRK an der Europastraße 26 mit einem Berechtigungsschein registrieren. Mehr Informationen gibt es im Internet unter drk-gladbeck.de.