Gladbeck. Immer wieder entdecken Ausflügler in Wittringen tote Vögel und sammeln sie ein. Gerd Tersluisen vom Hegering Gladbeck klärt auf.
Gerd Tersluisen kennt diese herzzerreißenden Szenen: Kinder entdecken im Wittringer Wald tote Vögel, lesen sie auf und bringen sie weinend ihren Eltern. Und die sind prompt alarmiert, war doch der Schlossteich vor sieben Jahren Schauplatz eines mysteriösen Gänsesterbens, dessen Ursache nie ergründet werden konnte. Gift? Eine rätselhafte Krankheit? Sollte sich dieses geheimnisvolle Ereignis etwa wiederholen? Fachmann Tersluisen vom Hegering Gladbeck klärt auf.
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Er weiß: Nach dem ungeklärten Vogelsterben im Jahre 2015 sind viele Menschen sensibilisiert, schauen ganz genau hin, was sich in Flora und Fauna so tut. Erst unlängst, so der Jäger, haben Spaziergänger in den Wittringer Grünanlagen tote Vögel eingesammelt: Enten, Kanadagänse, Bläss- und Teichhühner. Tersluisen erläutert: „Tote kleinere Vögeln sehen wir so gut wie nie. Sie werden in Null-Komma-Nichts gefressen.“ Von Füchsen, Krähen oder Ratten, ergänzt der Experte. Größere Kadaver, beispielsweise einer Kanadagans, fallen optisch eher auf.
Hegering-Fachmann mahnt: „Alle toten Tiere liegen lassen und nicht aufnehmen“
Der Fachmann erzählt: „Eine Graugans verendete etwa 70 Meter neben mir. Ich konnte ihren Abschied vom Leben beobachten.“ Der Vogel sei eines natürlichen Todes gestorben, betont der Hegering-Experte. Und das sei tatsächlich der Normalfall: Die toten Vögel, die Ausflügler aufsammeln, sterben an Altersschwäche. Eine Graugans könne zum Beispiel 14 Jahre alt werden.
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Tersluisen appelliert: „Alle toten Tiere liegen lassen und nicht aufnehmen.“ Denn „Füchse und Krähen spielen Totengräber und holen sich diese Kadaver. In der Natur geht nichts verloren“.
Sind Tiere verletzt, könne der Mensch eingreifen. Aber bitte nicht einfach Vögel mitnehmen wie in einem – sagen wir mal ganz speziellen – Fall. „Da hat jemand einen Schuhkarton mit noch lebenden Blaumeisen zu einer städtischen Dienststelle gebracht“, berichtet Tersluisen, „dort waren sie dann tot.“
Er gibt einen Einblick ins Familienleben dieser Vögelchen: „Blaumeisen bekommen eine sehr große Kinderschar. Zwischen sechs und 16 Jungvögel verlassen das Nest. Bei Kohlmeisen sind es fünf bis zwölf Jungvögel. Ihr Energiebedarf ist so groß, dass selbst die Eltern nur mit Mühe dem Hungertod entgehen.“ Sie müssen sofort nach dem morgendlichen Ausfliegen Nahrung und damit Energie zu sich nehmen. Das Gleiche gilt für den Nachwuchs. Die Eltern füttern ihn den ganzen Tag im Abstand von zwei bis fünf Minuten.
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„Wenn ein Elternteil durch eine Katze oder andere Beutegreifer stirbt, ist die gesamte Brut verloren“, sagt Tersluisen. Ein Elternteil allein könne keine ausreichenden Nahrungsmengen für die Jungvögel heranschaffen: „Das Ausfliegen eines Jungvogels erfolgt innerhalb von ein, zwei Stunden. Wenn er dann nicht seinen Eltern folgen kann, ist er am kommenden Morgen im Meisenhimmel.“
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Aber auch das menschliche Handeln kann zum Tod eines Vogels oder Wildtieres führen, selbst wenn gut gemeinte Absichten dahinter stecken. Der Hegering-Vertreter mahnt: „Niemals Jungtiere anfassen oder mitnehmen. Auch Streicheln kann tödlich sein, da diese Tiere nicht mehr von ihrer Mutter angenommen werden. Bei Eulen sitzen die Jungvögel noch vier Wochen als ,Ästlinge’ im Geäst der Bäume. Sie sind weitestgehend flugunfähig und müssen von ihren Eltern gefüttert werden.“ Die Menschen sollten wissen: Diese Vögel in Bodennähe seien keineswegs verlassen, auch wenn sich weit und breit kein Elterntier ausmachen lässt.
Jagd in Gladbeck
Gerd Tersluisen vom Hegering Gladbeck sagt: „Wir jagen nicht im Wittringer Wald und auch nicht im Nordpark. Wir dürften es, aber wir tun es nicht.“ Grund: „Zu gefährlich!“ Schließlich sind diese Grünflächen von Menschen stark frequentiert.
Dabei seien vor etlichen Jahren Jagden in den beiden Parkanlagen durchaus üblich gewesen. In Gladbeck, so erläutert Tersluisen, existieren vier Reviere: Rentfort, Ellinghorst, Zweckel und Brauck.
Füchse sind überhaupt nicht wählerisch, was ihnen in den Magen kommt. Sie nehmen, was ihnen vor die Schnauze kommt. „Füchse sind sehr anpassungsfähig, was ihre Nahrung angeht.“ Sie können auch wochenlang Regenwürmer verputzen. Und wenn Mutter Natur den Tisch besonders mager deckt, bringen Füchse weniger Junge zur Welt. Oder die Mutter frisst sie.
Um das Überleben der Rotpelze müssen sich Tier-Fans also keine Sorgen machen, selbst wenn der Speiseplan in einer heißen Dürreperiode dürftig ausfällt. Um Rehe, Hirsche und Hasen ebenfalls nicht, weil „sie Grasfresser sind“. Und was ist mit gefiederten Tieren? Ganz einfach: „Sie fliegen weg und weichen dorthin aus, wo es ihnen angenehmer ist.“ Ein Beispiel dafür ist der Kiebitz. Tersluisen: „Im vergangenen Jahr hatten wir hier bei uns noch zwei dieser Vögel. Jetzt haben wir keinen mehr. Wegen der intensiven Landwirtschaft.“ Ohne Brutplätze und Insekten als Futter ziehe der Kiebitz eben um in komfortablere Gegenden. Rebhühner sind ebenfalls von der Gladbecker Bildfläche verschwunden. Tersluisen sagt im Rückblick: „Vor 30 Jahren hatten wir sie hier noch überall.“ Doch die Natur hat auch das geregelt.