Gladbeck/Bottrop. Das SEK hat in Gladbeck vergangene Woche einen Bottroper festgenommen. Er fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Das ist seine Sicht.
Vergangene Woche stand er im Mittelpunkt eines SEK-Einsatzes am Problemhochhaus Steinstraße in Gladbeck, jetzt meldet sich der Mann, der aufsehenerregend nur in Badeshorts bekleidet abgeführt wurde, zu Wort. Er fühle sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und in den Fokus eines großen Polizeieinsatzes geraten, sagt der 63-jährige Uli Kunzmann, ein Bottroper Frührentner, im Gespräch mit der WAZ. Die Polizei wollte sich zu Details des Geschehens nicht äußern und betonte auf Nachfrage, dass die Ermittlungen in dem Fall noch nicht abgeschlossen seien.
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Dass das SEK im Einsatz gewesen sei, so Kunzmann, sei ihm erst bewusst gewesen, als er nach Öffnen der Wohnung, in der er sich befand, von Einsatzkräften überwältigt worden war. Er habe sich „nicht träumen lassen“, dass sich die Situation dermaßen zuspitze. Zuvor habe es einen Streit mit mehreren Bewohnern des Hochhauses gegeben, in dessen Verlauf er zunächst mit einem Golfschläger die Fensterscheibe einer benachbarten Wohnung eingeschlagen habe. „Das war falsch, ein Fehler, da habe ich total überreagiert“, gibt der Mann zu, der zur Rechtfertigung vorbringt, von anderen Bewohnern des Hochhauses – „nicht zum ersten Mal“ – provoziert worden zu sein.
Er habe zur Selbstverteidigung eine Gaspistole in der Hand gehalten – keine Schusswaffe
Von den gleichen Männern habe er sich anschließend bedrängt gefühlt, als sie „die Wohnungstür fast eingetreten haben“. Er habe sich ihnen entgegengestellt und „zur Selbstverteidigung eine Gaspistole in der Hand gehalten“ – keine scharfe Schusswaffe, wie die Polizei, die die Pistole sicher gestellt hat, bestätigte. „Ich habe niemanden bedroht, sondern nur die Gaspistole gezeigt.“ Nach dieser Situation habe er sich in die Wohnung zurückgezogen, sich dort aber keineswegs verschanzt, wie behauptet worden sei. Kunzmann betont, dass er einen Waffenschein habe.
Der Runde Tisch tagte erstmals
Erstmals hat sich ein „Runder Tisch“ zur Problematik Steinstraße 72 im Rathaus getroffen – und zur Zufriedenheit bei der Stadtverwaltung geführt. Ordnungsdezernentin Linda Wagner zog ein positives Fazit: „Es war ein gelungener Auftakt und ein erster Schritt, um die Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu stärken.“ Vier Arbeitsgruppen berichteten über erste Maßnahmen.
Die Gruppe „Sicherheit“ schlug u.a. eine Einfriedung des Geländes auf der Rückseite vor, um den Zugang zum Wäldchen auf der Rückseite zu erschweren. Optimiert werden solle zudem die Beleuchtung an und um das Gebäude. Zum sicheren Passieren der Steinstraße wurde die Schaffung eines „Alternativraumes“ vorgeschlagen. Die AG „Soziale Arbeit“ schlug u.a. die Einrichtung einer Vorschule im Karo und die Übernahme von Patenschaften für Hochhaus-Familien durch Anwohner vor.
Beim Thema „Lärm“ wolle man Spielregeln und eine Hausordnung, die klar, mehrsprachig und leicht verständlich seien. Für Kinder und Erwachsene könnten Angebote wie ein Gemeinschaftsraum oder ein schallgeschützter Aufenthaltsraum durch entsprechende Freiraumplanung geschaffen werden. Auch beim Thema „Müll“ müsse stärker auf die Bewohner zugegangen werden, hieß es – durch einfache mehrsprachige Hinweise zum richtigen Verhalten und durch Piktogramme.
Betroffen habe ihn gemacht, dass er, der provoziert und bedrängt wurde, festgenommen wurde und wie hart die Festnahme durch die Polizei gewesen sei, obwohl er – wie aufgefordert – mit erhobenen Händen aus der Wohnung gekommen sei. Und dass er anderntags frühmorgens lediglich mit einem T-Shirt zu seinem einzigen Bekleidungsstück, dem Strandshorts, aus dem Polizeigewahrsam in Bottrop entlassen wurde, sei ebenso befremdlich gewesen. Er habe sich barfuß und ohne einen Cent auf den Weg machen müssen. Vorübergehend sei er nun bei seiner Mutter in Gladbeck untergekommen.
Kunzmann sei von den Lebensumständen in der Problemimmobilie an der Steinstraße bestürzt gewesen
Er sei, so Kunzmann, kein Bewohner des Hauses, sondern – da er sich gerade von seiner Frau trenne – dort nur als Gast in der Wohnung eines Freundes untergekommen. Von den Lebensumständen in der Problemimmobilie, in der überwiegend Migranten mit rumänischen und bulgarischen Hintergrund leben, sei er angesichts der Lärm- und Müllbelästigungen, aber auch sich immer wieder anbahnenden Konfliktsituationen bestürzt gewesen. In das Hochhaus wage er sich nicht zurück, ihm sei auch vom Eigentümer der Wohnung signalisiert worden, die Wohnung nicht mehr betreten zu dürfen. Auch die Polizei habe ihm abgeraten.
Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber sagte auf Anfrage, dass die Kripo ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen habe. Dem Festgenommenen könnte eine Strafanzeige wegen Bedrohung folgen. Eine Bewertung des Falls obliege letzten Endes aber der Staatsanwaltschaft. Bei einer Lage wie der in der vergangenen Woche an der Steinstraße sei es nicht Aufgabe der Polizei, vorab Details oder gar Hintergründe zu klären.
„Hier geht es allein um eine rasche Bereinigung einer gefährlichen Situation oder um die Verhinderung einer Eskalation“, so Wilming-Weber. Und wenn es zum Zugriff komme, dann werde konsequent gehandelt und überwältigt. „Schließlich war es das SEK, das im Einsatz war.“ Was die Entlassung aus dem Polizeigewahrsam anbelangt, so habe man über die Kleidung gesprochen, leider aber keine Lösung für Schuhe gefunden. Dem Mann, so Wilming-Weber, sei aber angeboten worden, einen Anruf zu machen, was er nicht wahrgenommen habe.