Gladbeck. Michael Korn vom Nabu in Gladbeck sieht: Amphibien sterben zu hunderten in Wittringen den Straßentod. Der Fachmann schlägt Lösungen vor.
Wer Gutes tun will, braucht häufig vor allem eines: Kröten. Denn am lieben Geld scheitert so manches Projekt. Das befürchtet auch Michael Korn aus Gladbeck. Der Vertreter des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) beobachtet im Umfeld des Parkplatzes am Wasserschloss Wittringen ein erschreckendes Erdkrötensterben – und schlägt Lösungen vor.
In der Verantwortung sieht der Fachmann die Stadtverwaltung. Für ihn ist sonnenklar: „Wenn man von Natur- und Artenschutz spricht, dann haben selbstverständlich auch Amphibien eine Lebensberechtigung.“ Sie fressen Insekten und sind ein Glied im Ökosystem. Außerdem, so betont der Gladbecker: „Wir haben das so genannte Tötungsverbot.“ Also niemand darf einem Tier ohne vernünftigem Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Gladbeck: Eine Schranke oder eine Straßensperrung könnten das Problem lösen
Korn erklärt: „Was viele Menschen nicht wissen: Erdkröten wandern nur zur Laichzeit ins Gewässer, ansonsten leben sie im Wald oder in Parkanlagen.“ Dann bekomme der Mensch sie selten zu sehen – was allerdings bei vielen Zeitgenossen nicht gerade Entzücken hervorruft. „Bei Igeln sagen Menschen eher: ,Wie niedlich’“, sagt der Nabu-Experte. Der Anblick von Amphibien lasse hingegen so manch’ einen zusammenzucken.
Auch interessant
So ergeht es Michael Korn, bildlich gesprochen, wenn er zuhauf platt gefahrene Erdkröten auf der Burgstraße und auf dem Parkplatz am Wasserschloss Wittringen sieht – oft vielmehr gesagt das, was von den Tieren übrig geblieben ist, nachdem Autos sie überfahren haben. Der Nabu-Mann erzählt: „Als ich jetzt den Parkplatz begangen habe, habe ich in einer halben Stunde ungefähr 80 tote Kröten gezählt, die noch halbwegs als Tiere erkennbar waren.“ Wenn er die Flecken auf dem Asphalt zähle, die einmal eine Amphibie waren, dann komme er auf mehr als 100, ja fast 200 Exemplare. Und Tag für Tag sterben in diesem Bereich unzählige weitere Erdkröten, Grasfrösche, Berg- und Teichmolche den Straßentod.
Die Zahl der Optionen zum Schutze der Amphibien ist begrenzt
Aus Expertensicht „eine Folge vom Menschen gemachten Eingriffe in die Natur“: „Die Zerstückelung der Landschaft durch den Straßenbau macht die Laichwanderung der Lurche zum russischen Roulette!“ Aber was tun? „Einen Krötenzaun um den kompletten Parkplatz Haus Wittringen zu montieren, ist nicht durchführbar“, räumt Korn ein. Er schlägt als Ausweg aus der Situation vor: die Sperrung des Parkplatzes in den Abendstunden zu den Zeiten der Laichwanderung – für mindestens vier bis sechs Wochen. Das könnte beispielsweise eine Schranke bewerkstelligen. Aber: Das kostet Geld für Personal und Unterhaltung. Die Schranke muss nicht nur installiert, sondern auch geöffnet und geschlossen werden. Andere Optionen, beispielsweise ein Krötenschutzzaun wie an der Berliner Straße, seien auf dem Parkplatz unmöglich: „Da ist alles behindertengerecht.“ Ein Slalom für eingeschränkte Besucher darf nicht sein, die Barrierefreiheit muss gewährleistet sein.
Auch interessant
Michael Korn verweist auf die rechtlichen Grundlagen: „Straßensperrungen sind eine wirksame Schutzmaßnahme für wandernde Amphibien. Dazu werden betroffene Straßenabschnitte während der Hauptwanderung für den Verkehr gesperrt. Je nach Wandergeschehen können unterschiedliche Sperrungen notwendig sein. Die meisten Straßensperrungen schützen die Frühjahrswanderung der Amphibien. Dazu müssen die entsprechenden Straßenabschnitte während der Hauptwanderzeit in den Abend- und Nachtstunden (19 bis 6 Uhr) für den Fahrzeugverkehr gesperrt werden.“ Zudem könnten, um die Abwanderung der Jungtiere in den Sommermonaten zu schützen, auch Straßensperrungen am Tage notwendig sein. „Die Möglichkeit der Straßensperrung aus Gründen des Artenschutzes ist in der Straßenverkehrsordnung geregelt“, so Korn. Es bestehe das Recht zur Beschränkung des Verkehrs „hinsichtlich örtlich begrenzter Maßnahmen aus Gründen des Arten- und Biotopschutzes“.
Auch interessant
Die zuständige Verkehrsbehörde müsse solch’ eine Straßensperrung genehmigen und festlegen. „Voraussetzung ist meist das Vorhandensein einer zumutbaren Umleitungsstrecke. Erfahrungsgemäß ist diese Maßnahme nur bei Straßen mit geringem Verkehrsaufkommen realisierbar“, meint Michael Korn. Mancherorts erfüllten mobile Sperrbarken ihren Zweck. Der Kenner der Materie unkt aber auch: Diese Hindernisse werden häufig umfahren. Wirkungsvoller seien also fest eingebaute Schranken oder Pfosten – eine Überlegung, die zwangsläufig wieder zum Thema „Kosten“ führt.
Auch interessant
Was als schnelle Hilfe möglich sei: eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Michael Korn: „Man könnte Schilder mit einem Tempolimit aufstellen.“ Aber auch dieser Schritt muss genehmigt und gegebenenfalls kontrolliert werden. Bleibt die Frage: Was ist den Verantwortlichen der Krötenschutz wert? Die Stadtverwaltung will sich zu diesem Thema noch äußern.
An der Berliner Straße wurde zeitlich befristet ein Krötenschutzzaun aufgestellt
Damit Kröten auf ihrer Wanderschaft in der Laichzeit nicht unter die Räder kommen, haben die städtische Umweltabteilung und der Zentrale Betriebshof Gladbeck (ZBG) neulich an der Berliner Straße einen Schutzzaun installiert. Dafür standen aus dem Topf für Innovation City etwa 1000 Euro zur Verfügung.
Auch interessant
Die Konstruktion besteht aus einem ungefähr wadenhohen 30 Meter langen Zaun auf beiden Seiten der Straße in der Höhe der Feuerwache. Die Kunststoffhürde ist kombiniert mit jeweils sechs Eimern, die in die Erde eingelassen sind. In die Behältnisse purzeln die Amphibien auf ihrem Weg. Dann kommen „menschliche Taxis“ ins Spiel: Ehrenamtliche Kräfte nehmen die Tiere aus den Eimern und tragen sie über die Berliner Straße zum Laichgebiet „Quälingsteich“ sowie retour in den angrenzenden Bach.
Kröten und Frösche sollen heil vom Bach zum Quälingsteich und retour gelangen
Zweimal täglich – optimal: morgens und abends – nehmen Helfer die Kröten, Molche und Laubfrösche aus den Kübeln. Scheu müssen die Retter nicht haben, denn die Amphibien sind trocken und warm, überhaupt nicht glitschig und kühl, wie ein weit verbreitetes Vorurteil behauptet.
Während der Krötenzaun an der Berliner Straße zeitlich begrenzt installiert ist, gäbe es da auch noch die Alternative einer dauerhaften Maßnahme. Doch so etwas ist laut Fachmann Michael Korn wegen der Kosten wahrscheinlich utopisch. Er erklärt: „An dieser Stelle wäre ein unterirdischer Durchlass erforderlich – und der ist richtig teuer.“ Korn rechnet mit mindestens 500.000 Euro. Aber: „Die Frage der Zuständigkeit muss geklärt werden. In welchem Haushalt wird dieser Posten gebucht?“ Stadt, Kreis...? Sicherlich könne man irgendwo Fördergelder beantragen, meint Korn.
Auch interessant
Doch neben den Kosten ist seiner Ansicht nach zusätzlich zur Umsetzung der zeitliche Aspekt nicht zu unterschätzen. Ein permanenter Amphibienschutz lässt sich nämlich wegen des baulichen Aufwands nicht mal eben hopp-la-hopp realisieren. Korn meint: „Das braucht bestimmt zwei Jahre Planung.“
Auch interessant
Wer sich ehrenamtlich als Krötenretter engagieren möchte, kann sich in der Umweltabteilung melden. Ansprechpartnerinnen sind Carolin Reich, zuständig für das Projekt Innovation City-Stadtmitte sowie Umwelt- und Artenschutz, unter der Telefonnummer 02043/992503 oder Sophia Sprang, deren Aufgabengebiet Innovation City-Rentfort Nord ist, unter 02043/992351.