Gelsenkirchen-Ückendorf. Nach der Geburt eines Babys spielen die Hormone vieler Mütter vorübergehend verrückt. Die Gelsenkirchener Hebamme Julia Kurscheid erklärt, warum.

Wenn ein Baby unterwegs ist, bedeutet das in den meisten Fällen Freude für die ganze Familie. Viele Mütter können den Zeitpunkt gar nicht abwarten, bis sie das Kleine endlich in den Armen halten. Vor allem, wenn es das erste Kind ist. Aber wenn das Baby endlich da ist, sieht für viele Mütter nach der ersten Freude die Welt völlig anders als erwartet aus: Sie bekommen den Baby-Blues. Das heißt: anstatt großer Freude fließen die Tränen in Strömen.

„Eine depressive Verstimmung macht sich dann breit, das sind die sogenannten Heultage“, erklärt die Leitende Hebamme des Marienhospitals, Julia Kurscheid. Für die 40-Jährige eine ganz normale Angelegenheit. Für viele Mütter, aber auch Väter ist es schließlich eine verwirrende Situation, weil man sich die ersten Tage mit dem Nachwuchs so ganz anders vorgestellt hat. Endlich sind die Strapazen der Geburt vorbei und alles stellt sich anders da als man dachte. „Diese Entwicklung ist völlig normal, denn einige Tage nach der Geburt kommt es zu einem Hormonabfall bei der Frau, der den Körper völlig durcheinander wirbelt“, erklärt Julia Kurscheid.

Wenn der Hormonspiegel in der ersten Woche nach der Geburt sich verändert, verdüstert sich oft die Stimmung der Mütter. Allerdings gehen die Heultage in der Regel von allein vorüber.
Wenn der Hormonspiegel in der ersten Woche nach der Geburt sich verändert, verdüstert sich oft die Stimmung der Mütter. Allerdings gehen die Heultage in der Regel von allein vorüber. © dpa | Patrick Pleul

Zu der Erschöpfung komme die große Frage, wie es zu Hause weitergeht. „Auch Frauen, die eigentlich besonders robust und seelisch gesund sind, kommen mit der neuen, so nicht erwarteten Situation schlecht klar, wenn die Heulphase eintritt“, sagt die Hebamme. „Was sie dann dringend brauchen, ist Unterstützung von außen.“

Was gar nicht gehe, seien Sprüche wie „Stell dich nicht so an“ oder „reiß dich doch zusammen!“ Was junge Mütter in dieser Situation brauchten, sei ganz praktische Hilfe. Ein warmes Mittagessen für die junge Familie, Unterstützung beim Wäsche waschen, aufräumen, alltäglichen Verrichtungen – solche Hilfe sei das, was junge Mütter nötig hätten. Gelassenheit der übrigen Familienmitglieder oder von Freunden helfe ebenfalls sehr, die Heultage durchzustehen.

Eine postnatale Depression ist anders

Nicht in allen Fällen legt sich eine solche depressive Verstimmung von alleine wieder. „Es kann sich auch eine postnatale Depression in den ersten zwei Jahren nach der Geburt entwickeln. Das ist etwas anderes und kann ganz schleichend kommen, mit Angst- oder Zwangsstörungen einhergehen, zu Panik oder Teilnahmslosigkeit führen. Vor allem, wenn solche Erkrankungen schon in der Familie aufgetreten sind“, warnt Kurscheid.

„In so einem Fall muss man unbedingt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. In Herten ist zum Beispiel die Klinik des Landschaftsverbandes auf solche Fälle spezialisiert.“

Schlimm sei diese Situation häufig für Frauen, die einen Migrationshintergrund haben. „Vor allem, wenn sie persönlich noch gar nicht richtig in Deutschland angekommen sind, die Sprache nicht sprechen oder durch Flucht traumatisiert sind“, weiß Julia Kurscheid. Mittlerweile gebe es aber viele Möglichkeiten, Frauen in solchen Situationen zu helfen. Die Betroffenen müssten die Hebammen nur ansprechen. Das gelte natürlich auch für Freunde oder Bekannte, die sehen, dass eine Frau nach der Geburt nicht klar kommt. Vor allem müsse man aufpassen, dass sich die depressive Verstimmung nicht verfestigt. Meistens geht sie von alleine nach circa zehn Tagen wieder weg, wenn sich zu Hause mit Baby der Alltag eingespielt hat und die Frau in ihrer neuen Rolle als Mutter angekommen sei.

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