Essen/Düsseldorf. . Gut ein Jahr nachdem das verschärfte Nichtraucherschutzgesetz in NRW in Kraft getreten ist, soll in Hunderten Gaststätten in NRW trotz Rauchverbots dennoch gequalmt werden. Dahinter steckt ein juristischer Kniff, glauben die Initiatoren. Er nennt sich “Helmut Party“.

Der Essener Gastwirt Achim Kobsch ist offenbar niemand, der gerne klein beigibt. An diesem Mittwoch muss er sich vor dem Amtsgericht verantworten. Weil in seiner Gaststätte "Kronenstube" drei Besucher beim Rauchen erwischt worden waren und Kobsch das Bußgeld dafür nicht zahlte. Möglich, dass in dem Verfahren noch ein weiterer Fall zur Sprache kommt: eine "Helmut Party", wegen der Kobsch ebenfalls Ärger mit dem Essener Ordnungsamt hat.

Dass in Kobschs Kneipe in Essen-Rüttenscheid trotz NRW-Nichtraucherschutzgesetz geraucht wird, kommt öfter vor. Zuletzt sogar noch diesen Montag und Dienstag. "Einige seiner Gäste", erklärt Kobsch, hätten sich jeweils "spontan verabredet, um eine 'Helmut-Party' bei mir zu feiern". Ganz legal, glaubt Kobsch. "Ich als Wirt habe damit nichts zu tun". Er habe nur Aschenbecher an die Gäste verteilt - "aus Brandschutzgründen" - und ein Schild ins Fenster gestellt. Darauf das Konferfei von Helmut Schmidt.

Helmut-Schmidt-Plakat im Fenster

Der einstige SPD-Bundeskanzler ist zur Galionsfigur der Rauchverbots-Gegner geworden. Vor allem weil sich der mittlerweile 95-jährige Mentholzigaretten-Qualmer wohl noch keinem Rauchverbot in seinem Leben gebeugt hat. Die Partys jedoch huldigen nicht Helmut Schmidt als Nikotin-Hardliner, sondern dem Tabakkonsum allgemein.

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Denn natürlich sind die "Helmut Partys" ein juristischer Kniff, beschreibt der Düsseldorfer Gerald Rademacher. Helmut Partys sollen "den Nichtraucherschutz unterwandern", sozusagen Gesetz mit Gesetz bekämpfen, sagt er. In 1500 bis 1600 Gaststätten NRW-weit sollen mittlerweile hin und wieder Helmut-Schmidt-Plakate im Fenster darauf hinweisen, das drinnen gerade Nebel herrscht. Weil "Versammlungen" abgehalten werden.

Wenn zwei Grundrechte kollidieren

So berufen sich die "Helmut Partys" auf das Versammlungsrecht, das in Artikel 8 des Grundgesetzes geschützt ist. Gegen solche Versammlungen hätten weder Wirte noch Ordnungsämter etwas auszurichten, meinen die Initiatoren. Tun sie es, "verstoßen sie gegen ein Grundrecht", glaubt Rademacher.

Im Essener Ordnungsamt heißt es dazu schlicht: "Wir akzeptieren das nicht". Helmut Partys seien "ein klarer Verstoß gegen das Nichtraucherschutzgesetz". Als einzige mögliche Ausnahme seien darin "geschlossenen Gesellschaften" genannt: wie zum Beispiel Familienfeiern, für die ein abschließbarer Raum in einer Gaststätte gemietet wird. Aber im Ordnungsamt sieht man auch, dass zwei Grundrechte kollidieren: Gesundheitsschutz und persönliche Freiheit. Dies zu interpretieren sei jedoch nicht Sache der Behörde: "Wir haben die Gesetze anzuwenden".

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Ordnungsamt reagiert mit "klaren Ansagen"

Hochburg der "Helmut Partys" soll nach Angaben der Initiatoren Düsseldorf sein, wo angeblich 178 Gaststätten bei der 'Zichten-Guerilla' mitmischen. Michael Zimmermann, Chef des dortigen Ordnungsamtes, glaubt das nicht: "Die Zahl liegt höchstens im unteren zweistelligen Bereich". Mit "klaren Ansagen" an die Wirte habe man derartige Partys bis dato jeweils unterbinden können, berichtet Zimmermann.

Die Initiatoren empfehlen Wirten, die örtliche Ordnungsbehörde vorab via Fax von einer Versammlung zu informieren - sozusagen als weiße Weste, um sich als Wirt rechtlich abzusichern. Da man weder als Privatperson noch als Geschäftsmann "eine gesetzlich geschützte Versammlung" unterbinden dürfe. Zudem hätte dann die Behörde "vor Ort nach Maßgabe der Rechtslage (zu) prüfen, ob die Voraussetzungen für die Auflösung der demonstrativen Versammlung gegeben sind". Die Argumentation hält man im Düsseldorfer Ordnungsamt für "Nonsens". "Sehr vereinzelt" habe man solche Terminhinweise durch Wirte tatsächlich erhalten - und dann stets die Außendienstmitarbeiter vorab zum Ort des Geschehens geschickt, um über die Rechtslage aufzuklären. Aus Sicht von Michael Zimmermann jedenfalls sei klar: "Die Versammlungsfreiheit ist nicht durch das Nichtraucherschutzgesetz tangiert - man darf sich versammeln, aber eben nur nicht dabei rauchen".

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NRW-Gesundheitsministerium sieht Debatte um Gesetz "gelaufen"

Das Bundesverfassungsgericht jedenfalls hat sich in der Vergangenheit klar zum Nichtraucherschutz bekannt. Das Verbot ohne Ausnahme für alle öffentlichen Räume und die Gastronomie verletze weder Raucher noch Gastwirte in ihren Grundrechten, entschieden die Richter im August 2010 im Zusammenhang mit dem Gesetz zum strikten Rauchverbot in Bayern.

Im NRW-Gesundheitsministerium sieht man ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes keinen Anlass mehr, den Nichtraucherschutz zu überarbeiten, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. "Die Debatte um das Gesetz ist gelaufen". Eine Evaluation des Gesetzes sei zwar in Medien kolportiert worden, es werde jedoch keine geben. Den Vorwurf, das absolute Rauchverbot habe das Kneipensterben beschleunigt, sieht man im Ministerium als nicht belegt an. Zudem "bekommen wir viel positives Echo" für den konsequenten Schutz der Nichtraucher, sagt der Sprecher.