Herne. Ein Jahr nach Verschärfung des Nichtraucherschutzgesetzes beklagen Herner Wirte massive Umsatzeinbußen von mehr als 50 Prozent. Die Stadt geht Beschwerden gegen Verstöße nach. Bislang wurden erst 14 Verfahren eingeleitet. Gaststättenbesucher beschweren zudem sich über fehlende Kneipenatmosphäre.
Seit einem Jahr gilt das verschärfte Gesetz zum Nichtraucherschutz in NRW. Bei den Betreibern von Kneipen und Gaststätten in Herne und Wanne-Eickel stößt das absolute Rauchverbot in ihren Räumlichkeiten auf Unverständnis und breite Ablehnung.
„In der jetzigen Form ist das Rauchverbot definitiv zu hart“, sagt etwa Jens Willemsen, Inhaber vom „Nils“ an der Freiligrathstraße in Herne-Mitte und der Flottmannkneipe an der Straße des Bohrhammers in Herne-Süd. „Sowohl meine Gäste als auch ich empfinden das strikte Rauchverbot als eine starke Bevormundung. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass wir mündige Bürger sind“, bemängelt der Kneipier. Er sieht auch die Wettbewerbsfähigkeit der Wirte beschnitten.
Kneipen haben Umsatzeinbußen
Sowohl die Wahlfreiheit für Wirte in Form von Raucherräumen als auch die generelle Wahlmöglichkeit für Betreiber von Eckkneipen hält Willemsen für anpassbar. „Da wünsche ich mir definitiv eine Gesetzesänderung“, erklärt der Gastronom. Für seine Lokalitäten hat Willemsen eine Lösung gefunden und sein Konzept etwas umgestellt. Das Geld, das nicht mehr durch den Verkauf von Bier in die Kasse komme, müsse nun auf andere Weise erwirtschaftet werden. Willemsen hat etwa seine Speisekarte geändert. Außerdem ist seine Gaststätte heute ohne die vielen Raucher für Familien wesentlich attraktiver geworden. „Für Kneipen, die keine Küche haben, fällt diese Möglichkeit natürlich weg“, weiß Jens Willemsen.
Dass durch das Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten viele Gäste weggebrochen seien, bestätigt auch Ortrud Taubert von der Wanner Gaststätte „Ortrud´s“. Sie spricht von „einschneidenden Veränderungen“ durch das verschärfte Gesetz. Umsatzeinbußen von mehr als 50 Prozent habe sie zu verzeichnen.
„Das kann kein Wirt besonders lange aushalten“, sagt Gertrud Taubert. Sie betreibt ihre Gaststätte am Buschmannshof seit 17 Jahren. „Die Gastronomiekultur in NRW wird sich nachhaltig verändern“, prophezeit die Wirtin.
Gäste beklagen sich über fehlende Kneipenatmosphäre
Auch für andere Kneipen in Herne stellt sich die Lage nicht viel besser dar. „Wir haben etwa 40 Prozent Umsatzeinbußen. Wie es weitergehen soll, weiß ich nicht“, sagt Beata Brzoska, Wirtin der „Gildenschänke“ an der Ecke Behrensstraße/Markgrafenstraße in Herne-Mitte. Auch viele Gäste, die nicht rauchten, beklagten sich über die fehlende Atmosphäre in der Kneipe, sagt sie.
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Pavlos Simeonidas, Inhaber der Gaststätte „Bei Paul“ an der Königstraße in Eickel, zeichnet ein ähnliches Bild. „Ich glaube nicht, dass wir uns halten werden. Unser Umsatz ist um etwa 35 Prozent zurückgegangen“, bedauert er. Das Rauchverbot mache seine Kneipe kaputt, ist er sich sicher.
„Gildenschänke“-Chefin Beata Brzoska hat die Hoffnung hingegen noch nicht ganz aufgegeben: „Ich habe die Hoffnung, dass das Gesetz wieder aufgehoben wird“, sagt die Wirtin.
Wenig Verstöße gemeldet
Bis jetzt werde sich aber konsequent an das Nichtraucherschutzgesetz gehalten. So sei die Zahl der bei der Stadt vorliegenden Beschwerden über Verstöße sehr gering. „Bislang wurden 14 Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Rauchverbot eingeleitet“, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken auf WAZ-Anfrage.
Insgesamt wurde dabei eine Summe von weniger als 2000 Euro fällig. Die jeweilige Höhe des Bußgeldes ist in Richtsätzen festgelegt. Wird in einer Gaststätte geraucht, werden 35 Euro für den Gast und 200 Euro für den Wirt fällig. Kontrolliert wird von der Stadt nicht. „Wir gehen von Anfang an nur konkreten Beschwerden nach“, so Hüsken.