Essen. . Noch ist unklar, ob das neue umstrittene Asylkonzept von Sozialdezernent Peter Renzel in Essen zum Tragen kommt. Der Dezernent wehrt sich derweil gegen den Namens-Missbrauch durch „Pro NRW“ und droht mit einer Unterlassungsklage. Die Rechtspopulisten hatten seinen Namen für parteipolitische Werbung genutzt.

Ob das neue umstrittene Asylkonzept von Sozialdezernent Peter Renzel zum Tragen kommt, steht weiterhin in den Sternen: Die SPD im Rat der Stadt sieht nach wie vor Beratungsbedarf zu den strittigen Punkten wie Sach- statt Geldleistungen für eine unterschiedliche Dauer des Aufenthalts der Menschen und will sich erst in einer Sitzung am kommenden Montag festlegen. Dies wurde auf der Sitzung des Sozialausschusses noch einmal deutlich.

Bislang hatten nur CDU und FDP deutliche Zustimmung für das Konzept signalisiert, für das es zuletzt besonders lauten Beifall von der falschen Seite gab. Sozialdezernent Renzel hat reagiert und „Pro NRW“ inzwischen mit einer Unterlassungsklage gedroht, nachdem die Rechtspopulisten seinen Namen für parteipolitische Werbung missbraucht hatten. Sollte ein juristischer Streit unvermeidbar sein, hat Oberbürgermeister Reinhard Paß entschieden, dass die Stadt ihrem Beigeordneten Rechtsschutz gewährt.

Erstmals belegt

„Renzel-Konzept umsetzen“ heißt ein Teil der Forderung, mit der Vertreter von „Pro NRW“ am 5. Oktober vor der Walter-Pleitgen-Schule in Frintrop und der Dilldorfschule in Kupferdreh aufmarschieren wollen.

Die Behelfseinrichtung an der Oslenderstraße wird in den nächsten Tagen erstmals belegt und – das ist ein Novum in dieser Stadt – von einem privaten Essener Unternehmen betrieben, das später auch an der Walter-Pleitgen-Schule zum Einsatz kommen soll. Die „European Homecare GmbH“ mit Sitz am Uhlenkrug sorgt sozusagen für ein Rundum-Sorglos-Paket in der Flüchtlingsbetreuung. Nicht nur Möbel werden gestellt, sondern auch Sozialarbeiter und Sicherheitskräfte. Zudem werden die Menschen drei Mal täglich mit Mahlzeiten und Getränken versorgt. Solche Dienstleistungen sind nicht zum Nulltarif zu haben: Nach NRZ-Informationen zahlt die Stadt 50.000 Euro monatlich an „European Home Care“. Der Vertrag für die Dilldorfschule gilt zunächst für ein halbes Jahr. Macht unterm Strich: 300.000 Euro.

Belegung der Behelfsunterkünfte zeitlich möglichst begrenzen

Nicht nur angesichts dieser Kosten, die Experten im Übrigen als vergleichsweise günstig ansehen, will das Viererbündnis im Rat der Stadt alles daran gesetzt sehen, die Belegung der Behelfsunterkünfte zeitlich möglichst zu begrenzen. Gleichzeitig sollen Asylbewerber, die absehbar einige Jahre in der Stadt bleiben werden, als auch syrische Kontingentflüchtlinge verstärkt in Wohnungen untergebracht werden. Dies fordern die Fraktionen von CDU, Grünen, FDP und EBB in einem gemeinsamen Antrag für die nächste Ratssitzung. Zudem sollen alle bebaubaren städtischen Grundstücke daraufhin überprüft werden, ob und wo neue Asylunterkünfte entstehen und sozial gerecht übers Stadtgebiet verteilt werden können. Die Landesregierung soll aufgefordert werden, für die bereits abgelehnten Asylbewerber „zeitnahe Charterflüge“ zur Abschiebung zu organisieren.

Mit Blick auf die Ratssitzung am kommenden Mittwoch hat sich jetzt erneut der Flüchtlingsrat NRW in die Diskussion um das Asylkonzept der Stadt Essen eingeschaltet und ergänzende Informationen der Sozialverwaltung kritisiert. So sei die Stadt Essen laut Auffassung ihres Rechtsamtes sogar verpflichtet, in einer kommunalen Erstaufnahmeeinrichtung Sachleistungen zu gewähren. Das Asylbewerberleistungsgesetz biete da keinen Spielraum. An anderer Stelle werde suggeriert, so der Flüchtlingsrat, dass in Serbien und Mazedonien keine politische Verfolgung stattfinde – obwohl diese Länder weder zu den „sicheren Drittstaaten“ noch zu den „sicheren Herkunftsländern“ zählen und damit eine solch pauschalisierende Aussage dem Wesen des Asylrechts widerspreche. Mit „fehlender politischer Verfolgung“ werde eine verlängerte Unterbringung in der geplanten kommunalen Erstaufnahmeeinrichtung mit einer Dauer von bis zu sechs Monaten gerechtfertigt.

Mangel an Verständnis

Dem Flüchtlingsrat fehlt da jedes Verständnis: „Die Stadt Essen hat jahrelang allen Flüchtlingen ab Ankunft in Essen Barleistungen gewährt“, erklärt Heinz Drucks, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates NRW. „Nun eine kommunale Gemeinschaftsunterkunft in eine kommunale Erstaufnahmeeinrichtung umzubenennen, um dann zu behaupten, dort müssten Sachleistungen gewährt werden, ist pure Polemik. Ziel der unzutreffenden ,rechtlichen Erwägungen’ ist allein, der SPD die Zustimmung zu dem geplanten Konzept abzuringen.“

Das geplante Konzept müsse daher als Rückschritt in der Flüchtlingspolitik der Stadt Essen gewertet werden. Es stelle Asylsuchende unter den Generalverdacht des Asylmissbrauches, schränke sie massiv in ihrer Alltagsgestaltung ein und degradiere sie durch die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Leistungsempfängern zu Menschen zweiter Klasse.