Essen. Die Stadt Essen rückt vom Kauf des Müllheizkraftwerkes in Karnap ab. Oberbürgermeister Reinhard Paß favorisiert bei der Müllverbrennung eine europaweite Ausschreibung. Der Wettbewerb auf dem Müllmarkt verspricht nach Überzeugung der Stadtspitze niedrige Preise.
Die Stadt Essen nimmt von einem möglichen Kauf des Müllheizkraftwerkes in Karnap Abstand und will die Verbrennung ihres Hausmülls europaweit ausschreiben. Auf diese Variante der Müllentsorgung hat sich Oberbürgermeister Reinhard Paß nach Informationen dieser Zeitung am Dienstag im Kreise der städtischen Dezernenten festgelegt.
In den kommenden Tagen will die Stadt sich mit den Nachbarstädten Bottrop und Gelsenkirchen auf diese Strategie verständigen. Erst dann wird die Verwaltung der Politik einen entsprechenden Vorschlag zur Abstimmung vorlegen.
So schnell dreht sich also der Wind. Noch vor der politischen Sommerpause deutete alles darauf hin, dass Essen den Karnaper Müllofen gemeinsam mit Bottrop und Gelsenkirchen erwerben wird. Ein Kauf, so hieß es, sei eine attraktive Lösung, um die vom Land NRW geforderte Entsorgungssicherheit für die nächsten zehn Jahre zu garantieren. Im Raum stand ein Preis von 68 Millionen Euro für das Müllheizkraftwerk und ein Verbrennungspreis pro Tonne Müll von maximal 85 Euro.
Besserer Preis durch Ausschreibung erhofft
DAS SAGEN DIE RATSFRAKTIONEN
Auch die FDP spricht sich dafür aus, den Müll zur Verbrennung auszuschreiben. Vorrangiges Ziel sei Gebührenstabilität. CDU und SPD hatten erklärt, auch für sie sei die Frage der Gebühren eine zentrale. Die Grünen werben für eine Verbrennung bei der AGR. Die Anlage sei hochmodern, der Transportweg akzeptabel.
Erscheint der Stadtspitze der Preis zu hoch oder das Risiko gar als zu groß? Drohten in naher Zukunft in Karnap gar Investitionen in Millionenhöhe, sollten sich die drei Städte für den Erwerb entscheiden? Davor hatten jüngst die Grünen gewarnt, um im selben Atemzug dafür zu werben, das Angebot der AGR anzunehmen.
Die Tochtergesellschaft des RVR hatte den drei Karnapstädten praktisch auf der Zielgeraden offeriert, den Müll in Herten zu verfeuern. Doch auch dies wäre aus Sicht der Stadtspitze allenfalls die zweitbeste Lösung. Rechtlich wäre eine solche nach Einschätzung der Verwaltung über die Gründung eines Zweckverbandes zwar ohne öffentliche Ausschreibung möglich.
Da die Stadt die Müllentsorgung aber bis 2019 den Entsorgungsbetrieben Essen (EBE) übertragen hat, wäre sie auf das Wohlwollen von Remondis angewiesen. Um das Verhältnis zum privaten Mitgesellschafter steht es nicht zum Besten, siehe den schwelenden Konflikt bei der EBE.
Am Ende dürfte die Überzeugung den Ausschlag gegeben haben, auf dem umkämpften Müllmarkt über eine öffentliche Ausschreibung einen noch günstigeren Preis erzielen zu können. Den Mülheimern ist dies dem Vernehmen nach gelungen; die Nachbarstadt lässt nach Informationen dieser Zeitung künftig in Krefeld verbrennen. Und was wird aus dem Müllheizkraftwerk in Karnap? An einer europaweiten Ausschreibung, so die Erwartung im Rathaus, wird sich Betreiber RWE beteiligen.