Essen. . Bereits vor den Sommerferien überlegten Essen, Bottrop und Gelsenkirchen, gemeinsam das Müllheizkraftwerk Karnap zu kaufen. Ein Kauf erscheint plötzlich weniger wahrscheinlich. Denn nun liegt das Angebot des Entsorgers AGR vor, den städtischen Müll in verbandseigenen Anlagen zu verfeuern.

Werden die Karten in Sachen Müllverbrennung neu gemischt? Noch bevor der Rat der Stadt sich in die politische Sommerpause verabschiedete, deutete vieles daraufhin, dass die Stadt Essen das Müllheizkraftwerk in Karnap gemeinsam mit den Nachbarstädten Gelsenkirchen und Bottrop vom Betreiber, RWE Power, erwirbt.

Die angedachte Übernahme sei eine „sichere, ökologische und wirtschaftlich attraktive Lösung“, hieß es noch im Juli in einer Vorlage an den Rat, mit der die Verwaltung den Verhandlungsstand wiedergab. Jetzt, wo die für Ende September avisierte Abstimmung im Rat näher rückt, klingen politische Entscheidungsträger, befragt, ob die Stadt den Müllofen tatsächlichen kaufen wird, deutlich zurückhaltender. Warum? Die Abfallgesellschaft Ruhrgebiet (AGR), eine 100-prozentige Tochter des Regionalverbandes Ruhr (RVR), hat nach Bottrop und Gelsenkirchen auch der Stadt Essen ein Angebot unterbreitet, den hier anfallenden Hausmüll in den verbandseigenen Müllverbrennungsanlagen verfeuern zu lassen.

Grüne favorisieren die AGR-Offerte

Ein möglicher Kauf des MHKW Karnap sei damit nicht vom Tisch, heißt es unisono bei CDU und SPD. „Wir gehen da mit dem Rechenschieber ran“, sagt Thomas Kufen, Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion. Andere sind in der Entscheidungsfindung schon einen Schritt weiter. Die Grünen favorisieren die AGR-Offerte. Ihnen ist übel aufgestoßen, dass RWE Strom und Fernwärme, die bei der Verbrennung in Karnap gewonnen werden, weiterhin selbst vermarkten will. Fest steht: Allein der Umstand, dass ein weiteres Angebot auf dem Tisch liegt, bringt die Städte gegenüber dem RWE in eine komfortable Verhandlungsposition, verfügen sie doch bei der Entscheidungsfindung nun über eine weitere Alternative neben einer öffentlichen Ausschreibung der Müllmengen, von der niemand weiß, welchen Preis diese erzielt.

Welche Konditionen die AGR den Kommunen angeboten hat, bleibt offen. Die Rede ist von einer Laufzeit von zehn Jahren zu einem Veraschungspreis pro Tonne, der nicht allzu weit von jenen 85 Euro entfernt liegen dürfte, welche die Verwaltung für realistisch erachtet, sollten die drei Städte sich für den Kauf des MHKW in Karnap entscheiden. Unter 100 Euro pro Tonne müsste der Preis schon liegen, damit es sich für die Stadt rechnet, sagen Insider. Sollte nur eine der drei Städte auf das Angebot der AGR eingehen, hätte sich auch für die Stadt Essen ein Kauf des MHKW erledigt.

Kein Mangel an Verbrennungskapazitäten in NRW

Was würde dann aus den Karnaper Müllöfen und den dort 125 Beschäftigten? Es wäre womöglich der Einstieg in den Ausstieg der Müllverbrennung im Essener Norden. Denn an Verbrennungskapazitäten herrscht in NRW kein Mangel. Im Gegenteil. Und bei der Verbrennung von Gewerbeabfällen liefert sich die Branche einen gnadenlosen Wettbewerb zu Dumpingpreisen.

Einem führenden Entscheidungsträger im Rat könnte eine Entscheidung pro AGR umso schwerer fallen: Oberbürgermeister Reinhard Paß, Mitglied des Aufsichtsrates bei RWE Power.