Essen. . Viele Akteure der Kreativwirtschaft kamen zum „Höchsten Grill im Pott“ auf der ehemaligen Coca Cola Hauptverwaltung im Alexanderpark zusammen. Thomas Siepmann, Geschäftsführer der gastgebenden Werbeagentur TAS, mahnte ganz in der Manier des Bochumer Autors Frank Goosen zu „Schluss mit der Scheiß-Bescheidenheit“ an.

Der Standort für den „Höchsten Grill im Pott“ ist sinnbildlich: Die alte Coca Cola-Hauptverwaltung in Bergerhausen steht wie viele einstige Industriebrachen in Essen für den Strukturwandel. Und längst ist das traditionelle Angrillen der TAS Emotional Marketing GmbH, einer der größten Werbeagenturen der Stadt, mehr als eine reine Kundenveranstaltung. Auf der Gästeliste stehen vor allem Visionäre der Kreativwirtschaft, die sich am Donnerstagabend auf der Dachterrasse mit Blick über die Stadt und zahllosen Ideen im Kopf austauschen, während auf dem Dach eine Country-Rockabilly-Band im Sonnenuntergang spielt.

Unter ihnen ist auch Reinhard Wiesemann, der mit dem Unperfekthaus und dem Generationenkulthaus als einer der ersten erkannt hat, dass es zum Arbeiten und zur Entfaltung mehr braucht als ein Büro mit Schreibtisch. Mit ein bisschen Stolz spielt er auf seinem Handy einen kürzlich gesendeten Radiobeitrag vor, der das Unperfekte auf den Punkt bringt, was sein Haus gegenüber des Limbecker Platzes so besonders macht. Dort zähle nicht, wie alt man ist, welche Kleidung man trägt oder wie groß das Ego ist: „Man definiert sich über sein Tun, das ist das Schöne. Kürzlich hat ein komplett tätowierter Künstler das Buch eines Professors illustriert. Die beiden wären sich sonst vermutlich nie begegnet“, gibt Wiesemann ein Beispiel.

Obwohl gerade erst aus Florida zurück, steht er schon wieder unter Strom. Im Herbst will er gemeinsam mit dem Kulturbüro einen Artwalk in der Nordstadt organisieren. Dabei haben die Besucher konzentriert an einem Abend Zeit, sich unterschiedlichste Ateliers und Künstler, etwa im neuen Atelierkunsthaus anzuschauen.

„Wir sind beliebt in Deutschland. Zeigen wir das doch mal endlich“

Beteiligt ist auch die Essener Wirtschaftsförderung, namentlich Michael Gehlert. Seit 2007 unterstützt er die Kreativwirtschaft in Essen, hat unter anderem den Agenturatlas herausgegeben. Auch er blinzelt an diesem Abend unterm Heizpilz in die Sonne, die es zum Glück pünktlich zur heißen Grillkohle aus den Wolken herausgeschafft hat. „Die Ruhrdesigner, die vor Kurzem mit ihrem Markttag 1000 Leute hierher lockten. Die Kreative Klasse e.V., die für September ihr Festival plant. Oder die Scheidt’schen Hallen, die zurzeit zum Kreativquartier ausgebaut werden. Der Bereich ist gerade sehr in Bewegung“, sagt Gehlert. Essen und das Ruhrgebiet hätten das Potenzial zum Kreativstandort, das habe nicht zuletzt das Kulturhauptstadtjahr gezeigt.

Auch Thomas Siepmann, Geschäftsführer der TAS und Inhaber der Elf-Freunde-Bar, wirbt bei der Begrüßung seiner Gäste für mehr Stolz auf die Heimat. Als mahnenden Beleg bringt er die jüngst veröffentlichte Forsa-Studie an, laut der 34 Prozent der Ruhris dem Revier ein Negativ-Image zuschreiben. Die Außenwirkung sei aber eine andere: „Wir sind beliebt in Deutschland. Zeigen wir das doch mal endlich“, sagt Siepmann. In Ruhrgebiets-Manier gibt Thomas Siepmann seinen Gästen dann auch ein ehrliches Wort mit auf den Weg: „Um es mit der Gradlinigkeit von Frank Goosen zu sagen: Wir müssen endlich aufhören mit dieser Scheiß-Bescheidenheit.“