Essen. . Erst spät wusste Anna Kruljac, was sie wirklich will: Gastgeberin sein. Und dann begann der lange Kampf um die „Alte Lohnhalle“ in Kray. Heute ist sie Inhaberin des gut gehenden Hotels in Kray mit 15 Zimmern und zwei Studios, zwei Konferenzräumen, Restaurant und Fahrradverleih.
Annas Traum hat sich erfüllt – aber nicht wie im Märchen, sondern wie im Ruhrgebiet: durch harte Arbeit, durch Maloche. Sie ist Inhaberin eines gut gehenden Hotels in Kray mit 15 Zimmern und zwei Studios, zwei Konferenzräumen, Restaurant und Fahrradverleih.
All das in Räumen, die früher mal zur Zeche Bonifacius gehörten, die einer der schönsten Zechen im Ruhrgebiet war. Meistens beherbergt und bewirtet sie Tagungsgäste und Kulturtouristen und beschäftigt zehn Angestellte. „Lauter Individualisten“, lächelt Anna und lässt sie gewähren, solange sie ihren Job gut machen, so wie die taubstumme und lernbehinderte Natalie, die mit Hingabe und konkurrenzloser Perfektion Servietten faltet, Tische dekoriert und Wäsche zusammen legt.
Anna Kruljac, geboren 1961, ist in Oberhausen aufgewachsen. Ihr Schulweg führte sie vorbei an den dampfenden Kühltürmen der Thyssen-Hütte, genau da, wo heute das Centro Einkaufsbummler anlockt. Und ihre beste Freundin wohnte in einem backsteinernen Zechenhäuschen mit Kanapee und Kachelofen in der Küche. Seitdem, also eigentlich schon immer, hat sich Anna zu historischer und insbesondere Industrie-Architektur hingezogen gefühlt. „Diese alten Häuser haben eine Seele“, meint sie.
„Fremden für eine kurze Zeit ein Zuhause zu bieten“
Ihr Vater stammt aus einer Familie tatkräftiger Unternehmer. Er wurde in Kroatien geboren und nach dem Krieg mit dem Strom der Entwurzelten ins Ruhrgebiet gespült. Ihre Mutter ist Oberhausenerin mit polnischen Vorfahren. Deren Vater war Bergmann. Und Anna hat halbherzig ein bisschen Germanistik, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte in Bochum studiert, nebenbei beim Westdeutschen Rundfunk in Essen gejobbt und schließlich ein Volontariat bei der kleinen Wochenzeitung Borbecker Nachrichten absolviert. „Aber ich war keine gute Journalistin“, bekennt sie.
Als Mitbegründerin der Jazz Offensive Essen, heute unter dem Kurztitel JOE ein regional erfolgreiches Festival, kam sie ihren wahren Talenten schon näher. Und sie lernte ihren späteren Mann Heinrich kennen, der in der kultigen Marchingband „Schwarz/rot Atemgold 09“ die Trompete bläst. Was Anna Kruljac wirklich kann und will, merkte sie, als sie das Gästehaus des Kulturzentrums Grend in Steele aufbaute. „Es macht mir riesigen Spaß“, sagt sie, „Fremden für eine kurze Zeit ein Zuhause zu bieten.“ Außerdem ist sie eine Meisterin im Organisieren, Koordinieren, Improvisieren, Rechnen und Durchhalten.
Fünf Jahre lang hat sie für die Verwirklichung ihrer Idee gekämpft, hat zusammen mit Heinrich per Fahrrad die Industriebrachen des Reviers abgeklappert, ist über Zäune gestiegen und durch halboffene Fenster geklettert, hat sich in die Wissenschaft der Finanzierungsmodelle und Förderungsmöglichkeiten eingearbeitet, komplizierte Verhandlungen mit Bankern und Behörden geführt.
Hotel- und Restaurantbetrieb als One-Woman-Show
Das erste Objekt, in das sie sich ernsthaft verliebte, war ein historisches Wasserwerk in Dortmund, doch kam das Geschäft trotz vieler ermutigender Gespräche schließlich doch nicht zustande. Am Ziel ihrer Wünsche wähnte sie sich, als sie endlich die Verträge über die ehemalige Lohnhalle der Zeche Bonifacius, in der früher der Rocksänger Stefan Stoppok gewohnt und produziert hatte, in den Händen hielt. Doch sollte sich dieser Moment als der Auftakt zu den anstrengendsten Jahren ihres Lebens erweisen.
Weil die bewilligte Kreditsumme hinten und vorne nicht reichte, standen Anna Kruljac und ihr Mann bei der aufwändigen Renovierung mit auf den Gerüsten. Und der nachfolgende Hotel- und Restaurantbetrieb war zunächst eine One-Woman-Show. Von der Bedienung bis zur Buchhaltung hat die Inhaberin erst einmal alles nahezu allein gemacht, kam nachts frühestens um 1 Uhr in den Schlaf und stand morgens um 5 Uhr wieder in der Küche, um den Obstsalat fürs Frühstücksbuffet zu schnibbeln, und das an sieben Tagen in der Woche.
Ihr Mann arbeitete zu der Zeit noch in seinem Ingenieur-Beruf und half nach Feierabend. Die beiden wohnten sogar im Hotel und zogen von Zimmer zu Zimmer. Im Sommer 2009 konnten sie sich zum ersten Mal nach sieben Jahren unentwegter Arbeit wieder einen Urlaub gönnen, drei Wochen Sizilien. Und das Beste: Das Geschäft lief daheim trotzdem wie am Schnürchen.
„Wir haben’s geschafft!“, sagt Anna Kruljac schlicht. Eine Weile will sie dieses Sattsein, die tiefe Zufriedenheit mit ihrem Erfolg noch genießen. Aber dann darf es ruhig eine neue Herausforderung geben. Seit einer Ewigkeit sammelt sie Design-Objekte. Ihre Liebe gilt den Möbelklassikern vor allem der frühen 70er Jahre. Vielleicht irgendwann ein An- und Verkauf schöner, alter Dinge in einer dieser schönen, alten Maschinenhallen, von denen es im Ruhrgebiet ja noch so viele gibt... Anna träumt schon wieder.