Essen.

Das Berufsförderungszentrum „bfz“ ist in diesem Jahr 40 Jahre alt geworden, und vielleicht ist es kein Zufall, dass das bisher keinem groß aufgefallen ist. Denn eins hat sich in der wechselvollen Geschichte des Hauses nur wenig verändert: Bundesweit und regional erfuhr das „bfz“ stets große Beachtung. Doch in seiner eigenen Stadt blieb es vielen Bürgern weitgehend unbekannt.

Neu: Arbeitslosigkeit

Dabei war es gerade die Stadt Essen, die das Haus vor der Insolvenz rettete. Und: Das „bfz“ ist die Keimzelle des so genannten „Essener Konsens“, dem Kooperationsverbund für gemeinnützige Arbeitsmarktprojekte. Der „Essener Konsens“ ist heute noch wichtig. Das „bfz“ sicher auch. Aber die Bedingungen haben sich geändert.

Der Anfang: Es sind die Sechziger Jahre, das neue Phänomen heißt „Arbeitslosigkeit“, und die Bundesagentur für Arbeit beschließt, eine bundesweite „Modelleinrichtung für die berufliche Umschulung und Weiterbildung Erwachsener“ zu gründen. Das Ruhrgebiet, im Sog der Montankrise, scheint dafür der beste Standort zu sein.

Den Unterricht neu erfinden

370 Bewerber melden sich noch vor der Einweihung an. 13 Prozent der Kandidaten kommen aus Essen, der weitaus größere Teil aus anderen Städten in NRW. Der damalige Bundesarbeitsminister Walter Arendt (1925 – 2005) kommt zur feierlichen Eröffnung. Später stattet auch Bundeskanzler Willy Brandt dem „bfz“ einen Besuch ab.

Abgesehen von öffentlichkeitswirksamen Promi-Terminen: Den Unterricht muss das „bfz“ quasi neu erfinden. Die Rede vom „Lebenslangen Lernen“, das heute üblich ist, gibt es schließlich noch nicht. Man hat stattdessen mehrheitlich mit Leuten zu tun, die einst auf der Zeche waren und dachten, dort immer bleiben zu können. Entsprechend schwer tun sich viele bei ihren Elektro- und Metall-Umschulungen.

Integration der Frauen nicht geglückt

„Es zeigt sich“, heißt es aus den Anfangsjahren in der Chronik des Hauses zum 35. Geburtstag, „dass erwachsene Teilnehmer mit einer Didaktik, die sich eng an das bisherige Schulwesen anlehnt, wenig anfangen können.“ Zu viel Theorie, zu wenig Anschauung. So entwickelt man Kooperationen mit Betrieben, um dem Unterricht mehr Farbe zu geben.

Noch später, Ende der Siebziger, ersinnt man einen Modellversuch namens „Frauen in gewerblich-technischen Berufen“. 25 Frauen starten, die meisten bestehen am Ende auch die IHK-Prüfung. Doch nur wenige verbleiben dauerhaft in ihren neuen Berufen. „Leider muss gesagt werden, dass die Integration der Frauen in solche Berufszweige nicht geglückt ist“, schreibt der langjährige Leiter des Hauses, Norbert Meyer, in einer Rückschau. Heute gibt es deshalb ja den „Girl’s Day“. Im Grunde ist man also noch nicht sonderlich viel weiter.

Vor dem „Girls’ Day“

In den Achtzigern halten dann die Computer Einzug ins „bfz“. Auf alten Bildern sieht man schrankgroße Geräte, die wahrscheinlich weniger können als jedes Handy heute. Ausgebildet werden unter anderem Elektronik-Fachkräfte; im Metallbereich hält „CNC“ Einzug, das computergestützte Drehen und Fräsen von Werkstücken. Im „bfz“ wird diskutiert: Ist der Umgang mit Computern für Facharbeiter nicht zu anspruchsvoll?

Der Siegeszug der Heimcomputer in alle Haushalte und noch später die Verbreitung des Internet quer durch alle Schichten liefert da heute eindeutige Antworten.

„Hartz“-Gesetze sorgen für einen Kahlschlag

1994 findet eine Fachtagung im „bfz“ statt, Titel: „Essener Konsens“. Hier entsteht das bis heute währende Bündnis für lokale, gemeinnützige Arbeitsprojekte. Es fließen Fördergelder zusammen, die ein Einzelner niemals aufbringen könnte. Eins der ersten und bekanntesten Vorhaben: Das Gründerzentrum „Triple Z“ auf Zollverein 4/5/11 entsteht. Ende der Neunziger kommt die „IT“-Welle: Die Hälfte aller Bildungsmaßnahmen haben jetzt mit Informationstechnologie zu tun. Baulicher Ausdruck dessen ist der Gebäudekomplex „ComIn“ mit seiner markanten Brücke. Die Einweihung findet 2004 statt. Da ist das „bfz“ alten Zuschnitts längst in größter Not.

Die „Hartz“-Gesetze der Regierung Schröder sorgen auf dem Weiterbildungsmarkt für einen Kahlschlag. Fördermittel werden radikal heruntergefahren. Die Folge: 2003 werden im „bfz“ die ersten 85 Mitarbeiter entlassen. Am Ende müssen mehr als 280 von 380 Mitarbeitern gehen. Die verbliebenen erhalten weniger Geld. Die Stadt Essen rettet das „bfz“ vor der Insolvenz und kauft über ihre Grundstücksgesellschaft das Gebäude des „bfz“. „Es ging um rund zehn Millionen Euro, davon mussten auch die Sozialpläne bezahlt werden“, erinnert sich Geschäftsführer Burkhardt Wüllscheidt, der seit 2006 dem Vorstand des „bfz“ angehört.

„Verlagerung der Risiken auf freie Mitarbeiter hinterlässt einen schalen Beigeschmack"

Heute ist das „bfz“ eine GmbH, kein Verein mehr – und ein Weiterbildungsanbieter unter vielen in der Region. 120 Mitarbeiter gibt es derzeit, „viele Honorarkräfte“, sagt Wüllscheidt. Wie merkte der frühere Leiter des Hauses, Norbert Meyer, in einer Festschrift kritisch an? „Die Verlagerung der geschäftlichen Risiken auf die freien Mitarbeiter hinterlässt einen schalen Beigeschmack, der mit den sozialpolitischen Grundeinstellungen der Gründer nichts mehr zu tun hat.“

Das „bfz“ ist heute eine Tochter der städtischen Beschäftigungsgesellschaft „EABG“. Rund 1000 Teilnehmer durchlaufen Qualifikationen, die meisten Angebote gibt es für kaufmännische Berufe. Teilnehmer heißen heute „Bildungskunden“. Die Metall- und Konstruktionsberufe sind weiterhin stark nachgefragt. „Wir wollen weiter Potenziale heben“, sagt Wüllscheidt. „Angesichts des Fachkräfte-Mangels gibt es für uns viel zu tun.“