Berlin.

Für Ursula von der Leyen steht fest, „uns geht nicht die Arbeit aus“, aber die Fachkräfte. Darauf antwortet das Kabinett am Dienstag mit einem Konzept, mit dem die Arbeitsministerin eine Kurskorrektur einleitet. Seit 1973 gilt ein Anwerbestopp. Nun soll Deutschland wieder gezielt um Menschen aus dem Ausland werben, nicht um ungelernte Kräfte, sondern diesmal um Ärzte, um Elektroingenieure sowie um Maschinen- und Fahrzeugbauingenieure. Die Arbeitgeber sollen „rausgehen und im Ausland werben“, meint von der Leyen. Ein Überblick über Zahlen, Fakten und Pläne.

Worauf reagiert von der Leyen?

Kurzfristig auf die Engpässe in drei Berufsfeldern, langfristig auf die Überalterung. Bis zum Jahr 2030 geht die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um sechs Millionen zurück, allein in NRW um 1,2 Millionen, errechnete das Statistische Bundesamt.

Warum gerade jetzt?

Die Arbeitslosigkeit sinkt. Laut Umfragen steigt die Akzeptanz für eine gezielte Zuwanderung. Von der Leyen verfolgt ihre Pläne seit langem. Bereits im Dezember 2010 hatte sie die Anwerbung propagiert.

Wann herrscht Fachkräftemangel?

Wenn die Agentur für Arbeit in zwei Halbjahren nacheinander feststellt, dass in einem Beruf auf 100 gemeldete Stellen weniger als 150 Arbeitslose kommen. Gleichzeitig müssen die Stellen 40 Prozent länger vakant sein als im Durchschnitt (derzeit 58 Tage) aller Berufe. Das traf im Oktober 2010 und noch einmal im April 2011 auf die drei erwähnten Berufe zu. Wobei der Engpass bei Ärzten bundesweit fast überall gleich hoch ist. Bei den Ingenieuren ist stärker der Westen betroffen.

Was passiert nun?

Bisher muss ein Unternehmen, das einen Bewerber aus dem Ausland im Auge hat, bei der Agentur für Arbeit anfragen. Die prüft, ob es für die Stelle einen einheimischen Bewerber gibt. Der hat Vorrang. Man spricht von der „Vorrangprüfung“. Die setzt von der Leyen für die drei Berufe aus. Die Wirtschaft ist dafür. Die Gewerkschaften sind da zurückhaltender.

Ist das neu?

Auf die Vorrangprüfung wurde bisher nur in speziellen Fällen verzichtet: Bei Leistungssportlern, Künstlern und Spezialitätenköchen.

Was ist mit den Pflegeberufen oder der IT-Branche?

Auch sie klagen, und für die IT-Branche wurde zwischen 2000 und 2004 sogar versucht, mit einer „Green Card“ Experten anzuheuern. Aktuell kann von der Leyen in der IT-Branche keinen Engpass feststellen. Die Zahlen geben es nicht her. In der Pflegebranche ist die Lage noch etwas anders: Dort ist der Markt zwar leer gefegt. Aber die Branche tut nach der Analyse der Regierung zu wenig für die Aus- und Fortbildung.

Ist die Erwerbsbeteiligung zu niedrig?

Auf jeden Fall: „Wer hier lebt, braucht bessere Chancen“, so von der Leyen. Sie nennt drei Gruppen: Die große Zahl der Frauen, dort besonders die Alleinerziehenden, ältere Arbeitnehmer sowie jüngere Arbeitslose, die bisher gefördert werden müssten. Die Wirtschaft müsse mehr tun, insbesondere für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgen. „Das größere Potenzial liegt bei uns im Land“, so von der Leyen.