Essen. . Mit dem Wirtschaftsaufschwung steigen auch die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger. Weil es mehr Stellen zu vermitteln gibt, fallen auch Arbeitsunwillige mehr auf.

Die Wirtschaft brummt und schafft mehr Stellen. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Doch andererseits fördert der Wirtschaftsboom auch vermehrt arbeitsunwillige Hartz-IV-Bezieher zu Tage. „Durch die bessere Wirtschaftskonjunktur haben wir mehr offene Stellen und daher bessere Möglichkeiten, Arbeitslosen Angebote zu machen. Wer diese nicht annimmt, fällt dann auf“, sagt der Sprecher des Oberhausener Jobcenters, Josef Vogt.

Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, bestätigt: Je besser der Arbeitsmarkt läuft, und je mehr Stellen es zu vermitteln gibt, desto mehr Sanktionen verhängen die Arbeitsämter.

186.400 Mal Sanktionen verhängt

Bundesweit und auch in NRW haben die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. In NRW erteilten die Jobcenter knapp 186.400 Mal Strafen. Das war ein Plus zum Vorjahr um fast elf Prozent, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Düsseldorf auf Nachfrage mitteilte.

Dabei wurde den Betroffenen der Regelsatz von 364 Euro pro Monat sowie die Erstattung der Miete und der Heizkosten zunächst um 10 bis 30 Prozent gekürzt - für die Dauer von bis zu drei Monaten. Bei einem weiteren Fehltritt streicht das Jobcenter die Hartz-IV-Zahlung sogar um 60 Prozent.

Am häufigsten trifft es zwar Arbeitslose, weil sie sich zu spät arbeitslos melden. Aber jede zehnte Sanktion wurde verhängt, weil der Betroffene ein Arbeitsangebot, einen Ein-Euro-Job oder eine Ausbildung abgelehnt hatte. In jedem sechsten Fall verstieß der Arbeitslose gegen seine Eingliederungsvereinbarung, die das Jobcenter mit jedem Arbeitslosen abschließt. Darin werden Schritte festgelegt, um ihn möglichst rasch wieder in Arbeit zu bringen.

Erwerbslosenforum übt Kritik

Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosenforums Deutschland, sieht die Jobcenter unter einem hohen Erfolgsdruck. „Es werden wahllos Stellenangebote rausgeschickt. Doch viele Angebote, die den Arbeitslosen gemacht werden, sind unzumutbar“, so Behrsing. Entweder seien die Jobs schlecht bezahlt oder gar nicht passend für die Qualifikation der Arbeitslosen.

Er fordert daher ein Ende der Sanktionspraxis in den Jobcentern. „Es kann nicht sein, dass Menschen eine prekäre Stelle annehmen müssen, nur um einer Sanktion zu entgehen.“

Arbeitsmarktexperte Schäfer sieht dagegen auch falsche Anreize zur Aufnahme einer Arbeit. Besonders für Teilzeitarbeiter, die ihr Einkommen mit Hartz IV aufstocken, lohne sich eine Vollzeitstelle oft kaum.