Essen. .
In seiner Jugend stand der Gelsenkirchener Dominik Förster (25) kurz vor dem Absturz: Drogen, Obdachlosigkeit, kein Abschluss. Er hat sich wieder aufgerappelt. Für seinen beispielhaften Weg wird er jetzt in Berlin ausgezeichnet.
Diese Augen! Konzentriert und hellwach. Sie passen perfekt zur ganzen Erscheinung. Dominik Förster ist ein aufmerksamer Mensch. Er redet so engagiert wie er auch zuhören kann. Starker Händedruck, entschiedener Gang. Typ Sportstudent. Aber sein Ding ist die Technik. Der 25-Jährige findet „Erneuerbare Energien“ spannend. Da haben Sachbücher aus seiner Sicht das Zeug zum Krimi.
Es ist kaum zu glauben, dass dieser Mann, dieses blühende Leben, noch vor wenigen Jahren am Ende war. Abgerutscht, abgeschrieben, abgemagert. Wenn es so weiter gegangen wäre, hätte eine Briefwaage für ihn gereicht: Der 1,90-Meter-Hüne brachte es noch auf 60 Kilo. Er hatte sein junges Leben zu Grunde gerichtet. „Ich war fix und fertig”, sagt er heute. Er kann drüber sprechen, er ist über den Berg. Drogen, Zoff, Obdachlosigkeit – mit diesem Dominik Förster will der Dominik Förster von heute nicht mehr als den Namen gemeinsam haben.
Er erscheint lässig, ohne dabei obercool zu sein. Nur an diesem Freitag dürfte das etwas anders aussehen. Dann wird er nervös sein, Respekt vor dem Auditorium haben. In Berlin, wenn seine große Stunde schlägt. Der junge Mann aus Gelsenkirchen wird ausgezeichnet und auf die Bühne gebeten. Er bekommt den Preis des Deutschen Weiterbildungstages, Kategorie „Zweite Chance – Aufstieg durch Weiterbildung”. Seine zweite Chance hat der junge Gelsenkirchener genutzt. Und wie.
„Deshalb haben wir ihn für den Bundespreis vorgeschlagen. Weil sein Weg so beispielhaft ist”, sagt Reiner Siebert vom Berufsförderungszentrum (Bfz) Essen. Volltreffer! Dieser Lebenslauf hat den Nerv der Jury getroffen.
Tschüss Elend, auf Nimmerwiedersehen Dunkelheit! „Wenn man nicht einsichtig ist, schafft man den Absprung nie”, sagt Dominik Förster, wirkt reif und spricht von Strafen und einer Reha, die ihn geläutert habe. Er hat zuerst seinen Hauptschulabschluss nachgeholt (Note 1) und macht jetzt beim Bfz eine Ausbildung, Ziel: Mechatroniker.
Ziele – vor zehn Jahren plante er nicht weiter als bis zum nächsten Abend. Da ging es für den Gelsenkirchener darum, Kumpel zu bequatschen, um einen Schlafplatz aufzutun und im besten Fall noch an Drogen zu kommen. „Ich war ein Chaot und Rebell”, sagt Dominik Förster. „Ich habe gekifft wie ein Schlot.”
Das Dilemma begann damit, dass er von der Realschule geflogen und auf der Hauptschule nicht mit den Mitschülern zurecht gekommen ist. Nach der achten Klasse machte er lieber die Biege. Nicht gerade die beste Bewerbungsempfehlung. Für Gelegenheitsjobs an einem Schwenkgrill reichte sie. Bis er sich dabei selbst in der Rolle des armen Würstchens erkannte: „Ich hatte keine Lust mehr auf dieses Leben.”
Es gab aber auch keinen, der ihn gewarnt hätte. Geht ja nicht, wenn niemand mehr mit einem spricht. Längst hatte sich Dominik Förster mit seiner Familie überworfen und mit den echten Freunden auch. Was blieb, war die Wahl zwischen den zwielichtigen Gestalten und den obskuren. Sein einziger verlässlicher Freund hieß Hartz IV. „Er hat viel Pech gehabt”, sagt Bfz-Mann Reiner Siebert. Ob es nun die Wohngruppe gewesen sei, die ihn noch tiefer in den Sumpf gezogen habe. Oder die Jugendhilfeeinrichtung, die über Nacht vor seinen Augen dicht gemacht worden sei.
Es war einmal. Jetzt ist es vorbei.
Ziele – die hat Dominik Förster längst und sie reichen weit über den nächsten Abend hinaus. Er lernt Englisch, kann sich vorstellen, eines Tages nach Kanada auszuwandern. Seiner Mutter hat er das schon erzählt. Geht gut, wenn jemand wieder mit einem spricht. Dominik Förster hat seine Chance genutzt. Es war seine zweite. Vielleicht sogar seine letzte.