Essen. . In Nordrhein-Westfalen stocken immer mehr Selbstständige ihre Einkünfte mit Geld vom Staat auf. 22 817 Selbstständige bezogen im Februar 2011 zusätzlich zu ihrem Verdienst Hartz IV. Im Dezember 2007 waren es noch 13 974. Das entspricht einer Zunahme von mehr als 60 Prozent.
Auch in Nordrhein-Westfalen stocken immer mehr Selbstständige ihre Einkünfte mit Geld vom Staat auf. 22 817 Selbstständige bezogen im Februar 2011 zusätzlich zu ihrem Verdienst Hartz IV. Im Dezember 2007 waren es noch 13 974. Das entspricht einer Zunahme von mehr als 60 Prozent.
12 665 der Aufstocker hatten ein monatliches Brutto-Einkommen von weniger als 400 Euro. 4796 verdienten zwischen 400 und 800 Euro, 5356 brachten mehr als 800 Euro nach Hause. Doch diese Einkünfte könnten nur auf dem Papier gelten – Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, sagte der Süddeutschen Zeitung am Dienstag: „Natürlich können Selbstständige theoretisch ihr Einkommen so gestalten, dass sie in der Hilfebedürftigkeit verbleiben.“
Missbrauch kann 1000 Euro pro Monat bringen
Aneta Schikora, Sprecherin der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, bestätigt: „Wir können Missbrauch nicht ausschließen.“ Der kann sich lohnen. 365 Euro Grundsicherung, Erstattung von Mietkosten und ein Zuschuss zur Krankenversicherung von knapp 300 Euro: Wer’s drauf anlegt und sich arm rechnet, kann mit Hartz IV rund 1000 Euro pro Monat hinzu verdienen. Schikora weiß: „Die Möglichkeit des Runterrechnens gibt es. Das Illegale fängt da an, wo man vorsätzlich die Kosten höher rechnet, als sie tatsächlich sind.“
Dass dieses Vorgehen nicht nur Theorie, sondern auch Praxis ist, vermutet Dieter Hagelstein, Präsident des Verbands der Selbstständigen und Freiberufler: „Ich habe davon gehört, dass einige sich Gelder einverleiben, die nicht rechtens sind.“ Wie viele Selbstständige sich an Hartz IV bereichern, kann er aber nicht einschätzen. Persönlich sei ihm kein Fall bekannt. Auch Schikora sagt: „Wir haben keine Anzeichen für einen vermehrten Missbrauch.“
Aus der Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit
Überlegungen, Selbstständige würden Hartz IV abzocken, erteilt Marc Peine eine klare Absage. Der Assistent der Geschäftsführung beim Bund der Selbstständigen NRW sagt: „Dieser vermeintliche Missbrauch ist nicht belegbar. Die Vorwürfe beruhen ausschließlich auf Spekulationen der Bundesagentur.“ Ein Kleinrechnen der Einkünfte Selbstständiger hält er für „nicht durchführbar, da die Finanzämter das mit Sicherheit sofort merken würden.“ Im Gegenteil seien viele Selbstständige tatsächlich auf Geld vom Staat angewiesen: „Die Konten vieler Selbstständigen sind restlos überzogen.“ Besonders in der Gastronomie seien viele auf Hartz IV angewiesen.
Eine mögliche Ursache für die Zunahme der Zahl der aufstockenden Selbstständigen nennt Hagelstein: „Die Förderung der Ich-AG hat mit Sicherheit zu dem Problem beigetragen.“ Auch Schikora hält das für plausibel: „Immer mehr Menschen versuchen statt der Arbeitslosigkeit den Sprung in die Selbstständigkeit.“ Während der Wirtschaftskrise 2009 könnte sich dieser Trend noch verstärkt haben. Sie schränkt aber ein: „Das ist eine Vermutung. Das ist nicht empirisch fundiert.“