Essen. Debatte zum Thema Stadtentwicklung beim Literaturviertelfest. Warum die kulturelle Nutzung leerstehender Immobilien nicht so einfach ist.

Seit sich die Akazienallee zum Literaturviertel entwickelt hat, wachsen die Bäume zwar nicht in den Himmel. Aber rund um den Welttag des Buches tragen sie dort regelmäßig ganz frische Lesefrüchte. Beim Literaturviertelfest verwandelt sich die seitliche Nebenstraße der Kettwiger dann in eine bunte Lesemeile mit Aktionen für Große und Kleine. Initiiert wird das Straßenfest seit 2019 von den Anrainern der Straße, allen voran die renommierte und vielfach ausgezeichnete Buchhandlung Proust sowie das mit seinen Veröffentlichungen zum Potsdamer Rechten-Geheimtreffen bundesweit bekannt gewordene Recherche-Netzwerk Correctiv und die Literarische Gesellschaft Ruhr, die mit ihrem Leseraum an der Akazienallee seit ein paar Jahren einen festen Ort für Begegnungen mit namhaften Autoren geschaffen hat.

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Gemeinsam hat man am Rande der von Leerständen und zunehmender Verödung bedrohten City einen Ort etabliert, der für Aufbruchstimmung stehen soll. Ohne Stadtentwicklungs-Procedere, ohne öffentliche Subventionen, aber wenn es ganz schlecht laufen sollte, auch ohne Zukunft. Denn die weiterhin hohen Mieten für Innenstadtimmobilien machen es vorwiegend ehrenamtlich getragenen Institutionen wie einem „Leseraum“ fast unmöglich, in Citylage zu bestehen. Wenn die Stiftungsmittel turnusmäßig auslaufen, die zuletzt von der Brost- und derzeit von der Mercatorstiftung übernommen werden, sieht es 2025 düster aus. Und so passte es denn, dass eine Diskussionsrunde beim Literaturviertelfest dem Thema Stadtentwicklung gewidmet war. Just am Wochenende der Bekanntgabe der Galeria-Schließung in Essen stand damit auch die Frage im Raum, wie man städtischen Leerständen mit kultureller Belebung begegnen kann.

Räume zu eröffnen und Ressourcen bereitzustellen, die dann von Künstlerinnen und Künstlern gefüllt und genutzt werden können, das ist jedenfalls ein Credo von Grünen-Politikerin Inga Sponheuer. Beispielhaft dafür stehen Einrichtungen wie das Maschinenhaus Essen, das auf dem Areal der Zeche Carl in Altenessen beheimatet ist und als „Theater der kommenden Generationen“ künstlerisch in die Zukunft und in die unmittelbare Nachbarschaft schaut.. Um solche Orte zu bespielen, braucht es freilich auch Etats. Absehbar aber sei, dass das Geld für die Kultur in den kommenden Jahren nicht steigen werden, fürchtet Kulturamtsleiterin Anja Herzberg. Es werde Umschichtungen geben müssen.

Leer stehende Innenstadtimmobilien einfach in einen Kreativort umzuwidmen, das funktioniere eben nicht so problemlos, weiß Herzberg. Viele städtische Immobilien seien in früheren Zeiten veräußert worden und nun oft nur noch schwer oder teuer zurückzuholen. In der Nordstadt bemüht sich die städtische Wohnungsgesellschaft Allbau seit geraumer Zeit, das Quartier mit gezielten Immobilienkäufen aufzuwerten. Mit dem neuen Wohn- und Geschäftshaus am Weberplatz und dem vom Rat beschlossenen Umbau des ehemaligen Nachtclubs „Naked“ zum neuen Spielort für das Schauspiel Essen soll der städtebauliche Wandel dort einen guten Schritt vorangetrieben werden.

Wunder dauern in solchen Prozessen freilich etwas länger, das weiß auch die Kulturamtschefin. Es brauche „Zeit, Geduld und Zuversicht“, so Herzberg, um innerstädtische Räume mit neuem Sinn aufzuladen: weg vom Konsum hin zu mehr Austausch und Miteinander. Sogenannte „Dritte Orte“ wie die künftige Zentralbibliothek in der ehemaligen Mayerschen Buchhandlung seien dafür gute Beispiele. Das Gebäude am Markt und das Literaturviertel an der Akazienallee liegen zwar nicht in unmittelbarer Nachbarschaft, aber vielleicht finden sich irgendwann nicht nur zum Welttag des Buches Gelegenheiten, beide Orte zu verbinden.

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