Essen. Die Essener Buchhandlung Proust besteht seit zehn Jahren und könnte unter den 108 besten Buchhandlungen Deutschlands auf die ersten Plätze rücken.

Ein Geschenk zum zehnjährigen Bestehen könnte in diesen Tagen üppiger ausfallen. Wenn Beate Scherzer und Peter Kolling nächste Woche nach Frankfurt fahren, dann ist die Buchhandlung Proust in jedem Fall schon um 7000 Euro reicher. Vielleicht werden es am Ende sogar 15.000 oder gar 25.000 Euro sein, mit denen Kulturstaatsministerin Monika Grütters erstmalig kleinere, inhabergeführte Buchhandlungen mit besonderem Programm auszeichnet.

Proust ist einer von 108 Nominierten zwischen Bergisch-Gladbach und Bienenbüttel. Eine Buchhandlung, wie gemacht für so einen Wettbewerb, in dem nur die Umsatzzahlen gedeckelt sind. Vielleicht, weil literarischer Anspruch, liebevolle Beratung und Leidenschaft für die Sache in Buchhandlungen wie Proust ohnehin unbezahlbar sind. Gegründet vor zehn Jahren, als das Ketten-Rasseln der Branchenriesen schon bedrohlich schepperte und der Online-Handel sich anschickte, die Kleinen zusätzlich in den Klammergriff zu nehmen.

Die nächsten Veranstaltungen im Proust

Um „Verlust und Vermächtnis“ geht es am 15. September mit Mihran Daba & Kristin Platt. Überlebend des Genozids an den Armeniern erinnern sich.

„Literatur: Literatur!“ heißt die Lese-Reihe in Kooperation mit Norbert Wehrs „Schreibheft“. Am 28. September, 20 Uhr, kommt Bora Cosic mit seinem Meisterwerk „Die Tutoren“. Leila S. Chudori setzt die Reihe am 12. Oktober mit „Pulang (Heimkehr nach Jakarta)“ vor.

Am Handelshof 1 fand man das neue Ladenlokal, das damals noch parallel zur Buchhandlung im Grillo-Theater geführt wurde, die in diesem Jahr übrigens 25 Jahre bestehen würde. 2007 allerdings wurde das Bücher-Kleinod im Schauspiel geschlossen. „Nicht zu viel, nicht zu groß, nicht verfransen“, lautete das Motto, lieber etwas „Feines, Kleines“ in dem nicht jeder Hype der Neuerscheinungs-Maschinerie stapelweise steht, direkt neben den Kochbüchern, den Reisebüchern und Geschenke-Accessoires. „Proust zielt auf ein literarisch überdurchschnittlich interessiertes Publikum“ schrieb das Fachmagazin „Buchmarkt“ zur Eröffnung. Was nicht heißt, das hier nicht auch schon „Fifty Shades of Grey“ oder „Feuchtgebiete“ im Regal lagen, „aber nicht mehr nachbestellt wurden“, lacht Beate Scherzer. Spannender sind doch die Neuentdeckungen, die Vielleserin Scherzer ihren Kunden immer wieder offeriert. „Das Phantom des Alexander Wolf“ haben sie hier zigfach verkauft, bevor das Feuilleton sein Lob über Gaito Gasdanow ausschüttet.

Proust war eine Rotwein-Idee

Diese Entdeckungen jenseits des Mainstreams sind für viele Kunden willkommene Einladung. Mancher lässt sich von all zu viel Unbekanntem aber auch abschrecken, weiß Peter Kolling. Im Proust gibt es eben keinen Grabbeltisch, kein anonymes Stöbern im Meer der Neuerscheinungen, sondern das, was man im Handel sonst so oft vermisst: ein Gespräch, eine persönliche Empfehlung, dazu ein Stück selbstgebackenen Kuchen. An diesem verkaufsoffenen Sonntag wird die nächste Torten-Schlacht in kalorienverbundener Konkurrenz mit der Lichtburg geschlagen. Neben Institutionen wie dem Kulturwissenschaftlichen Institut, dem Deutsch-Französischen Kulturzentrum, dem Schreibheft natürlich ist das Kino einer der vielen Partner, mit denen Proust das Besondere gelingt: Weltliteratur ins Ruhrgebiet zu holen, von Herta Müller bis Stéphane Hessel, von Jan Philipp Reemtsma bis Bernhard Schlink und vielen internationalen Autoren.

Die Liste der großen Namen ist lang, und entsprechend groß ist dann oft auch die Publikums-Nachfrage. Spontane Umzüge, wie erst in dieser Woche bei Georg Stefan Troller, gehören dazu, denn das schmale Ladenlokal muss auch ohne Lesepublikum schon viel unterbringen: deutsche und internationale Literatur, Novitäten aus Kulturwissenschaft, Kunst, Musik, dazu noch CDs, schließlich heißt es „Proust. Wörter und Töne“.

Zwei Regale sind dem Namensgeber vorbehalten. Dabei war Proust zunächst eine reine Rotwein-Idee, angelehnt an einen Comic, der einen beschwingten Literaten mit Buchwand und Beaujolais-Glas zeigt: „Proust!“

Literatur und Tortenschlacht

Zehn Jahre Proust stehen schon für eine bewegte Geschichte: „Wir haben mitten in die Wirtschaftskrise hinein eröffnet“, sagt Peter Kolling rückblickend. Doch das „Jetzt erst recht“ hat sich bewährt – bis heute. Trotz wirtschaftlicher Startschwierigkeiten, trotz Dauerbaustelle, die das Proust 2013 mit monatelangem Lärm, Dreck und ausbleibenden Kunden konfrontiert hat. Trotz der „Hinterhofsituation“, die man heute im Schatten des Kettwiger Tors fristet und einer insgesamt wenig erfreulichen Innenstadt-Situation, die nach Beobachtung von Peter Kolling immer weniger Besucher in die City lockt.

Der Kuchenduft dürfte trotzdem anziehend sein, wenn Proust am kommenden verkaufsoffenen Sonntag, 13. September, zur schon traditionellen Kuchenschlacht in Kooperation mit der Lichtburg lädt und die Kundschaft am Ende abstimmen lässt.

Aufs zehnjährige Bestehen wird dann noch einmal am nächsten verkaufsoffenen Sonntag anlässlich der Eröffnung der Lichtwochen am 25. Oktober mit den Kunden angestoßen. Das schönste Geschenk haben sie sich ohnehin vor zehn Jahren selber gemacht, finden beide Betreiber. „Wir haben hier einen Laden geschaffen, in den wir selber jeden Tag gerne reingehen“, lächelt Beate Scherzer. Und diese berufliche Zufriedenheit sei„unbezahlbar“.