Essen. Der Frauen-Gesundheitstag hat sich zur etablierten Marke entwickelt: Am Mittwoch (19.7.) wird auf Schloss Borbeck mit über 1000 Gästen gerechnet.
Die Themen wechseln von Jahr zu Jahr, das Format ist längst etabliert: Die Besucherinnen tanzen, machen Yoga-Übungen, liegen im Gras – und sie hören Fachvorträge von Gastroenterologie bis Viszeralchirurgie: Beim Frauen-Gesundheitstag im Schloss Borbeck gibt es praktische Übungen, Sinneserfahrungen und jede Menge Information – eine Darreichungsform die sich bewährt hat und Jahr für Jahr mehr als 1000 Frauen anzieht. Bisher habe auch das Wetter immer mitgespielt, sagen die Veranstalterinnen, und hoffen an diesem Mittwoch, 19. Juli, wieder auf Sonnenschein. Themenschwerpunkt ist diesmal die Perfektion – und das Glück der Unvollkommenheit.
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Veranstaltet wird der Tag mit seinen fast 50 Programmpunkten von der Contilia, die hier auf die Experten aus ihren Kliniken zurückgreifen darf, unterstützt von Ehrenamt-Agentur, Verein für Gesundheitssport (VGSU) und der Selbsthilfe-Beratung Wiese. Deren Vorsitzende Gabriele Becker veranschaulicht, wie man schwierigen Themen die Schwere nehmen kann, ohne sie zu bagatellisieren. „Die meisten denken bei Selbsthilfe an Stuhlkreis, spotten über Jammerrunden“, sagt sie. Es gebe längst auch andere Formate, etwa den „Chor fürs Leben“, in dem Krebspatienten singend Optimismus, Lebensfreude, Selbstvertrauen gewinnen. Insgesamt gibt es laut Wiese mehr als 300 Essener Selbsthilfegruppen, „und das Gros betrifft den Gesundheitsbereich. Darum ist dieser Tag ein tolles Angebot für uns“.
Ein Wohlfühltag im Schloss Borbeck in Essen
Umgekehrt freut sich Gesundheitstag-Projektleiterin Anja R. Steinhoff von der Contilia, dass die Teilnehmerinnen hier zum Beispiel medizinische Aufklärung zu Darmkrebs und Darmausgang erhalten – „und erfahren, welche Selbsthilfe es für die Zeit danach gibt“. Nach Heilung, Therapie, Krankenhausaufenthalt, wenn Körper und Seele gezeichnet sind. „Perfekt unperfekt – so bin ich gerne!“ haben sie den Tag überschrieben. Für die eine mag das Realität sein, für andere Wunsch.
Ermutigende Berichte wird es geben, etwa von einer Frau, die seit 30 Jahren mit Alopecia universalis lebt, also mit komplettem Haarausfall. Sie wird die Frage „Frauen ohne Haare – zeigen oder verstecken?“ beantworten. Eine Frage, die die Erwartungen der Gesellschaft ebenso wie den eigenen Perfektionsdrang berührt, wie Anja Steinhoff sagt. Fast jede Frau kenne doch das Gefühl, in Familie, Freundeskreis und Beruf bestehen zu wollen, am besten kombiniert mit blendendem Aussehen – und ohne sichtbare Anstrengung.
Cornelia Simmberg von der Essener Frauenberatung wendet sich an diejenigen, „die aus dem Rahmen fallen: zu schmal, zu breit, zu klein, zu groß, zu schräg...“ So hat sie auch ihren Workshop überschrieben. Sie arbeitet in der Beratung mit Mädchen und Frauen, die ihren Körper verzerrt wahrnehmen und Essstörungen entwickeln. Sie verwendeten viel Energie darauf, ihr Erscheinungsbild zu verbessern, wo es doch am Selbstwertgefühl hapere. „Dabei kann Anderssein auch eine Möglichkeit sein, ein zufriedenes Leben zu führen: Wer damit aufwächst, hat schon viel überstanden, viel Kritik gehört – aber auch eine andere Art Wertschätzung erlebt.“ Das könne auch stärken.
Tanz und Waldspaziergang als Kraftquelle
Genau das nennt Petra Brodeßer als Ziel des VGSU: „Wir versuchen, Frauen Stärke zu vermitteln. Zeigen ihnen, welche Möglichkeiten sie haben, Sport zu treiben.“ Nicht um Leistungssport geht es, sondern um Kraftquellen von „Entspannung mit der Klangschale“ über den Waldspaziergang bis zu „Tanz Dich fit“. Aktuell hat der Verein 60 Frauen mit Zuwanderungsgeschichte ermutigt, schwimmen zu lernen: in rein weiblichen Kursen und mit Übersetzerin. Sie erobern sich auch neue Freiheiten.
Motto: „Perfekt unperfekt – so bin ich gerne!“
Der Frauengesundheitstag der Contilia findet in diesem Jahr am Mittwoch, 19. Juli, ab 9.30 Uhr im Schloss Borbeck (Schlossplatz 1 in Essen) statt. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht nötig.
Mit dabei sind die Ehrenamt-Agentur Essen, der Verein für Gesundheitssport und Sporttherapie (VGSU) und das Selbsthilfeberatungsnetzwerk Wiese e.V. Der Tag klingt endet mit einem Gottesdienst um 16 Uhr.
Das Motto ist diesmal „Perfekt unperfekt – so bin ich gerne!“ Infos zum Programm auf: https://www.contilia.de/leistungen/frauengesundheitstag.html
„Wir wollen dazu beitragen, dass auch zum Gesundheitstag mehr Frauen kommen, die nicht hier geboren sind“, betont Janina Krüger, Geschäftsführerin der Ehrenamt-Agentur. Das sei schließlich keine Minderheit, sondern ein großer Teil der Stadtgesellschaft. „Bei uns sind viele von ihnen schon aktiv. Also werden türkisch- und arabischsprachige Ehrenamtliche an den Info-Points stehen.“
Psychische Erkrankungen als wichtige Signale wahrnehmen
Viele der gut 1200 Frauen, mit denen die Veranstalterinnen rechnen, werden 60 Jahre oder älter sein. „Da sind die Kinder aus dem Haus und man sucht nach etwas Neuem – das könnte ein Ehrenamt sein“, wirbt Krüger. Nebenbei tue das der Gesundheit gut, ergänzt Dr. Özge Pekdoğan Çağlar, die seit April Chefärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische Medizin am Philippusstift ist. Es gebe zwei zentrale Faktoren für langfristiges Lebensglück: soziale Kontakte und „einem Ziel zu dienen, das über einem steht“. Das also nicht nur einem selbst oder der Familie nutze – etwa ein Ehrenamt.
Am Gesundheitstag wird die Psychiaterin erklären, dass Frauen sich generell besser um ihre Gesundheit kümmern als Männer. „Nur die mentale Gesundheit ist ihre Schwachstelle. Weil sie wissen, dass sie sehr viel meistern können, nehmen sie psychische Belastungen oft erst spät wahr.“ Özge Pekdoğan Çağlar mahnt daher, Frauen sollten psychische Leiden ernster nehmen: „Sie sind wichtige Signale.“