Essen. Jubiläumsausstellungen lockten Hunderttausende ins Museum. Auch der Bundespräsident gratulierte zum 100. Geburtstag. Was vom Folkwang-Fest bleibt

„Folkwang und die Stadt“ hieß eines der besonderen Projekte im Jubiläumsjahr 2022. Zu seinem 100. Geburtstag hat das Museum Folkwang aber einmal mehr bewiesen, dass es nicht nur ein Haus für alle Essenerinnen und Essener sein will, sondern auch eine enorme Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen hinaus besitzt. Deutlich über 400.000 Besuche dürfte das Haus bis Ende 2022 gezählt haben, obwohl das Jubiläumsjahr von Krieg und Krisen, der Corona-Pandemie und steigenden Energiekosten überschattet war. Genaue Zahlen will das Folkwang in Kürze vorlegen. Museumsdirektor Peter Gorschlüter freut sich aber schon jetzt über das erfolgreichste Ausstellungsjahr nach der Kulturhauptstadt 2010 und wohl eines der besucherstärksten in der Folkwang-Geschichte.

Im Mai verwandelte sich der Berliner Platz im Rahmen der Aktion „Folkwang und die Stadt“ in ein „Eco-Village“.
Im Mai verwandelte sich der Berliner Platz im Rahmen der Aktion „Folkwang und die Stadt“ in ein „Eco-Village“. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Publikumsmagneten waren dabei nicht nur die großen Sonderschauen zu den Impressionisten und Expressionisten am Museum Folkwang, die über 270.000 Gäste nach Essen lockten. Deutlich mehr Besucher als üblich kamen auch, um die exquisite, von Karl Ernst Osthaus zusammengetragene Folkwang-Sammlung zu sehen, das eigentliche Herzstück des Hauses. Der Ankauf der Meisterwerke von van Gogh bis Renoir, die 1922 durch die finanzielle Großtat Essener Bürger von Hagen nach Essen kamen, hat schließlich die große Folkwang-Tradition in Essen begründet.

Die Folkwang-Idee, Kunst für breite Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen, habe sich auch im Jubiläumsjahr bewährt, sagt Gorschlüter. So hätten 2022 noch einmal deutlich mehr junge Leute den Weg ins Museum gefunden. „Wir sind nicht nur ein Haus für das klassische Bildungsbürgertum und Menschen der Generation 60 plus“, betont der Folkwang-Chef, „wir sind so viel mehr.“ Ein Blick auf die Instagram-Seite des Museums beweist den vielfältigen Zuspruch. Die jungen Frauen mit dem Hidschab posten ihre Selfies vor den Gemälden der Expressionisten da ebenso selbstverständlich wie Schülergruppen.

Großer Bahnhof: Zum Festakt anlässlich des 100-jährigen Folkwang-Jubiläums kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Bildmitte) im Februar 2022 in Begleitung seiner Frau Elke Büdenbender. Folkwang-Chef Peter Gorschlüter (li.) übernahm die Führung.
Großer Bahnhof: Zum Festakt anlässlich des 100-jährigen Folkwang-Jubiläums kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Bildmitte) im Februar 2022 in Begleitung seiner Frau Elke Büdenbender. Folkwang-Chef Peter Gorschlüter (li.) übernahm die Führung. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Nicht zuletzt der enorme Zuspruch beim großen 24-Stunden-Fest im Sommer 2022 mit den mehr als 9000 Besuchern ließ erkennen, welche Anziehungskraft von einem nächtlichen Besuch Museum mit Live-Musik und Taschenlampen-Führung ausgehen kann. Ein Highlight von vielen, das mit dem Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Februar 2022 begann und mit der auslaufenden Expressionisten-Schau in diesen Tagen sein Finale findet.

Klimaaktivisten werden ins Museum eingeladen: „Wir taugen nicht als Feindbild“

Dass ein Jahr mit zwei großen Publikums-Schauen, Festen und Festakt, einer umfangreichen Jubiläums-Publikation und dem langjährig vorbereiteten Kunstprojekt in der Nordcity ein Kraftakt für das gesamte Folkwang-Team war, lässt Gorschlüter dabei nicht unerwähnt. Nun hoffe man, die Dynamik des Jubiläumsjahres in die Gegenwart mitnehmen zu können.

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Zudem will Folkwang zügig seine Vorreiterrolle als klimaneutrales Museum ausbauen. Die Umstellung auf Ökostrom wurde längst eingeleitet, zuletzt wurde eine große Photovoltaikanlage auf dem Museums-Dach installiert. „Wir sind auf einem guten Weg“, freut sich Peter Gorschlüter. Der Ehrgeiz in Sachen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung wird wahrgenommen, auch von Klimaaktivisten wie „Extinction Rebellion“, von denen nach eigenen Angaben in Essen offenbar keine Attacken auf Kunstwerke wie in Berlin, Madrid oder Potsdam zu befürchten sein sollen.

2023 ist nach Angaben des Folkwang-Chefs sogar eine gemeinsame Aktion mit der Umweltorganisation im Museum geplant, möglicherweise in Form einer besonderen Führung zum Thema Umwelt und Naturgewalten. Folkwang sei schließlich ein offener und transparenter Ort des Austauschs und der Begegnung. „Wir taugen nicht als Feindbild“, gibt sich Gorschlüter zuversichtlich.

9-Euro-Ticket hat sich positiv auf Besucherzahlen ausgewirkt

Auch ein Angebot wie das 9-Euro-Ticket habe sich im Sommer positiv auf die Besucherzahlen im Museum ausgewirkt, erklärt der 48-Jährige. Zumal sich der kostenfreie Eintritt in die Sammlung, mit dem das Essener Museum seit 2015 eine bundesweite Vorreiterrolle einnimmt, als ideale Ergänzung erwiesen habe. Die Einnahme-Ausfälle werden seit 2022 von der Stadt Essen kompensiert, zuvor hatte die Krupp-Stiftung das Angebot über mehre Jahre mit einer Millionen-Spende getragen. Die Stadt leiste im Rahmen ihrer Möglichkeiten unglaublich viel, lobt Gorschlüter. Und auch die Förderer und Sponsoren, angefangen von der RAG-Stiftung über RWE, Evonik, Eon und Mercator-Stiftung, hielten dem Haus weiterhin die Treue. „Das ist für uns überlebenswichtig“, betont der Museumschef.

Museum Folkwang hofft auf noch mehr Präsenz in der Stadt

Endspurt für die Expressionisten am Folkwang

Endspurt für die „Expressionisten am Folkwang. Entdeckt – Verfemt – Gefeiert.“ Die Sonderschau zum 100-jährigen Bestehen des Essener Museums läuft noch bis zum 8. Januar 2023.

250 Meisterwerke von August Macke bis Ernst Ludwig Kirchner erzählen auch ein bedeutendes Kapitel der eigenen Folkwang-Geschichte. Der Besucherandrang ist derzeit noch einmal groß.

Unter https://museum-folkwang.ticketfritz.de können allerdings noch ausreichend Zeitfenster-Tickets für die kommenden Tage gebucht werden.

Ohnehin liegt Folkwang mit seinen Ausstellungs-Eintrittspreisen im Vergleich zu Nachbarstädten wie Düsseldorf oder Köln noch im moderaten Bereich. Eine Erhöhung der Eintrittspreise stehe derzeit nicht an. Lieber sollen mehr Besucher den Weg ins Museum zu günstigeren Konditionen finden.

Dabei könne ein weiteres Folkwang-Standbein in der Stadt künftig für eine noch engere Publikumsbindung sorgen, hofft Gorschlüter. Ein möglicher Platz wäre etwa die leerstehende Etage über dem Konsumreform-Shop am Kopstadtplatz, die im Rahmen von „Folkwang und die Stadt“ bereits als „Expo Alternativ“ bespielt worden ist. Und Folkwang-Kooperationspartner und Projektentwickler Markus Ambach hat mit seinem Entwurf der „Wunderkammer City Nord“ bei der Abstimmung über die Neugestaltung des Willy-Brandt-Platzes derzeit die Nase vorn.

Gleich gegenüber auf dem Handelshof macht „Essen. Die Folkwangstadt“ derzeit ohnehin in großen Leuchtschrift-Lettern von sich reden. Ob und wie der Schriftzug im Laufe des Jahres ausgetauscht wird, ist noch nicht entschieden. Folkwang-Chef Gorschlüter kann sich auch eine Verlängerung vorstellen. Mit Folkwang habe Essen eine Marke, die integrativ und nicht austauschbar sei.