Essen. Museum Folkwang feiert sein 100-Jähriges. Für Frank-Walter Steinmeier ist das Haus ein Schatz – und vieles in Essen sei nachahmenswert im Land.
Der Terminkalender von Frank-Walter Steinmeier ist in diesen Tagen ein wenig luftiger als üblich. Die Pandemie und die anstehende Wiederwahl zum Bundespräsidenten am 13. Februar lassen öffentliche Auftritte momentan etwas seltener werden. Umso stolzer sind sie an diesem Samstagabend in Essen, das Staatsoberhaupt als Schirmherrn begrüßen zu dürfen. 100 Jahre Folkwang sind für den Bundespräsidenten ein guter Besuchsgrund. „Vieles hier in Essen kann auch für andere Orte in unserem Land als nachahmenswertes Beispiel dienen“, sagt Steinmeier beim großen Festakt in der Essener Philharmonie.
„Essen hat einen Schatz – und der sollte für möglichst alle zugänglich sein“, sagt Steinmeier
Vorbildlich gilt dem Bundespräsidenten vor allem der freie Eintritt in die kostbare Sammlung des Museums. Möglich wurde die in dieser Größenordnung bundesweit einmalige Reglung in den ersten Jahren durch eine Millionen-Spende der Krupp-Stiftung, nun wird sie durch die Stadt Essen übernommen, die damit auf Eintrittsgelder verzichtet. „Sie weiß offenbar, was sie hier für einen Schatz hat – und dass dieser Schatz für möglichst alle zugänglich sein sollte“, sagt Steinmeier. Er lobt aber auch die beispielhafte Förderung durch Mäzene und Sponsoren, die „aktive, unablässige bürgergesellschaftliche Initiative“, die den Ankauf der kostbaren Osthaus-Sammlung vor 100 Jahren erst möglich gemacht hat, und die Tatsache, dass der von Star-Architekt David Chipperfield entworfene und 2010 eröffnete Erweiterungsbau im Zeit- und im Kostenrahmen geblieben ist. „Wenn man aus Berlin kommt, ist allein das schon ein Grund zum Staunen“, bemerkt Steinmeier.
Auch interessant
Zuvor hat sich der Bundespräsident von Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter in einer exklusivem Rundgang durch die Jubiläums-Ausstellung „Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt“ führen lassen und einmal mehr gestaunt: „Die große Qualität der Sammlung, der wunderbare, erweiterte Bau und das Engagement der Förderer – gerade aus der Wirtschaft, dieses exemplarische Zusammenspiel hat mich bewogen, als Bundespräsident heute mit Ihnen dieses Fest zu begehen“, sagt er am Abend in der Philharmonie.
„Auch nördlich der A 40 soll man sagen: Das ist unser Museum Folkwang, unsere Philharmonie, unser Aalto-Theater“
Steinmeier spricht aber auch über das Nord-Süd-Gefälle, über wie in Asphalt gegossene Grenzen von Bildung und Teilhabe diesseits und jenseits der A 40. Grenzen, wie man sie nicht nur in Essen erlebe. „Der Erfolg unserer kulturpolitischen Bemühungen wird entscheidend davon abhängen, dass solche Grenzen überwunden werden“, betont der Bundespräsident und skizziert einen Wunsch: „Auch nördlich der A 40 soll man wissen und sagen: Das ist unser Museum Folkwang, das ist unsere Philharmonie, das ist unser Aalto-Theater.“
Im Folkwang wollen sie in den kommenden Monaten viel dafür tun und in die Stadt hineingehen, doch am Samstagnachmittag ist das Museum Folkwang ausnahmsweise mal nur für Ehrengäste geöffnet. Sie sind die glücklichen Premierenbesucher einer Sonderschau, die trotz Corona einer der großen und wichtigen Publikumsmagneten des diesjährigen Ausstellungsjahres werden dürfte. Denn die großen, hohen Säle des weitläufigen Chipperfield-Baus laden zur lustvollen Blicke-Reise ein – um mit Claude Monet in die Provence zu ziehen oder mit Paul Signac auf den „Hafen von St. Tropez“ zu schauen. Das Haus voller Weltkunst leuchtet in diesem Jahr noch ein wenig heller in die Welt.
„Wir in NRW sind stolz auf eines der renommiertesten deutschen Kunstmuseen“
„Der Glanz strahlt weit über die Stadt, das Land und die BRD hinaus“, betont auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU): „Wir in NRW sind stolz auf eines der renommiertesten deutschen Kunstmuseen.“ Er lobt nicht nur das Folkwang-Museum, sondern auch die Folkwang-Idee, die besagt, dass Kunst nicht nur ein Privileg von Eliten sein soll. Dass das Ruhrgebiet heute eine blühende, urbane Kulturlandschaft sei „die ihresgleichen sucht“, so Wüst, sei auch Vorreitern wie Karl Ernst Osthaus zu verdanken und dem von einem breiten bürgerschaftlichen Engagement getragenen Museum, zu dessen Erfolg der Folkwang Museumsverein maßgeblich beigetragen habe.
Seit 100 Jahren kümmern sich die Stadt Essen und der Folkwang Museumsverein gemeinsam um die Geschicke des Museum Folkwang. Und so übernehmen Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) und Ulrich Blank, Vorsitzender des Folkwang-Museumsvereins, die Begrüßung der mehr als 600 Ehrengäste in der Philharmonie am Samstagabend denn auch gemeinsam. Jede Stadt wünsche sich ein Alleinstellungsmerkmal, etwas Herausragendes. Folkwang bilde das alles ab, es sei „Erkennungsmerkmal und Aushängeschild für die Stadt und die Region“, sagt der OB und erhofft sich durch das Jubiläum „neuen Schub für eine weitere Entwicklung. Der Folkwang Museumsverein wolle das seinige dazutun, versichert Ulrich Blank: „Wir wollen die Exzellenz wahren und nach Kräften zu Neuerwerbungen beitragen“.
Ein Wunsch im Jubiläumsjahr: Das Bundesinstitut für Fotografie soll nach Essen kommen
Einen Blick in die Zukunft wagt schließlich auch Museums-Direktor Peter Gorschlüter, der an diesem Abend nicht als einziger bedauert, dass man die Kollegen aus dem National Museum of Western Art in Tokio Corona-bedingt nicht in Essen begrüßen kann. Rund 40 Meisterwerke haben sie für die große Impressionisten-Gala nach Essen geschickt, von Monet und Manet, Pissarro und Rodin.
Lesen Sie auch: Folkwang-Jubiäum – die Rede des Bundespräsidenten im Wortlaut
Gorschlüter erweist ihnen die Reverenz mit einer Ansprache im aus Japan stammenden Pecha-Kucha-Vortragsformat. Es beschränkt jeden Vortrag auf exakt 20 Bilder in 6.40 Minuten. Nicht viel Zeit für 100 Jahre Geschichte und doch gelingt dem rhetorisch blendend aufgelegten Gorschlüter auch noch ein Schwenk auf die Themen der Zukunft, nennt Digitalisierung, Klimaschutz, mehr weibliche Führung und die Hoffnung, in Essen demnächst noch einen weiteren Grund zum Feiern zu haben. Man sei schließlich nicht nur Folkwangstadt, sondern „auch Fotostadt“, sagt Gorschlüter, „bald hoffentlich mit einem Bundesinstitut für Fotografie“, so sein Wunsch. Im Saal jedenfalls mangelt es an diesem Abend nicht an passenden Adressaten.