Essen. Museum Folkwang feiert 100-jähriges Bestehen in Essen. 9000 Menschen kommen zum 24-Stunden-Sommerfest und sorgen für einen Rekord-Andrang.
Es kommt nicht oft vor, dass Menschen zum Museumsbesuch die Zahnbürste mitbringen. Am Freitag aber war das Essener Folkwang auf Übernachtungsgäste eingestellt. Sie kamen in Scharen – für Kirchner und Nolde und all die anderen Expressionisten-Stars am Folkwang, aber auch, um zu feiern und Freunde zu treffen, Konzerte zu hören und Geburtstagstorte zu essen. Und sie blieben – um das Morgengrauen mit expressionistischen Filmkunstwerken wie „Dr. Mabuse“ zu erleben oder frühmorgens um sieben schon auf der Yoga-Matte zu liegen.
Das 24-Stunden-Sommerfest zum hundertjährigen Bestehen des Museums wurde zum großen Bürgerfest, bei dem Familien, Freundesgruppen und Folkwang-Fans ihr Museum in aller Ruhe erkundeten, auf der großen Kahrwiese vorm Haus bei Wein und Currywurst ins Gespräch kamen und im „Salon Folkwang“ anschließend die Nacht durchtanzten. Am Ende der großen Kunstparty stand dann ein neuer Besucherrekord: 9000 Gäste nutzten das Angebot, die frisch eröffnete Sonderschau, die Sammlung und viele andere Programmpunkte kostenlos zu besuchen. Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter, der das 24-Stunden-Opening nach 2019 schon zum zweiten Mal initiiert hat, zeigte sich hocherfreut: „Dieser große Zuspruch zeigt, wie sehr das Museum Folkwang die Menschen erreichen kann und für alle offen steht.“
Am Freitagabend war das Museum jedenfalls nicht die Verlängerung der Ausgehmeile Rü, sondern das Zentrum. Und während für viele die Aussicht auf ein erstes Date mit Mackes „Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen“ oder Heckels „ruhenden Frauen“ verlockend war, dürfte für manche auch der Auftritt der von Fans und Kritikern ziemlich gefeierten Essener Combo „International Music“ im Museumsgarten ein Lockruf gewesen sein. Das Sommerfest-Programm mit Performances und Plakat-Auktion, Lesungen und Künstler-Talks löste jedenfalls den Folkwang-Anspruch ein, Museum für alle zu sein.
Selbst Nordrhein-Westfalens neue Ministerin für Kultur und Wissenschaft, Ina Brandes, konnte da nicht nein sagen. Dass sie auf ihrem übervollen Ministerinnen-Schreibtisch gleich zum Amtsantritt die Einladung zum großen Folkwang-Fest herausgefischt habe, wertete die gebürtige Dortmunderin als besonderes Zeichen: „Hab’ ich ein Glück gehabt mit diesem Job.“ Privat sei sie schon häufiger im Folkwang Gast gewesen, „dienstlich“ dürfte es nicht der letzte Besuch gewesen sein, versprach Brandes: „Ich bin sicher, dass ich wiederkomme!“
Wiederkommen wollen auch Helge und Natalie Schweres, denn nach Festreden und Anschneiden der Geburtstagstorte ist es am Freitagabend erst einmal voll in der Ausstellung „Expressionisten am Folkwang: Entdeckt – Verfemt – Gefeiert“. 250 Meisterwerke sind versammelt, Stars der eigenen Sammlung wie Paula Modersohn-Beckers berühmtes Selbstbildnis, aber auch kostbare Leihgaben wie die schillernde „Doris mit Halskrause“ von Ernst Ludwig Kirchner. Sein „Farbentanz“ ist in dieser Nacht nicht nur umringt von Tänzern der Aalto-Ballett-Compagnie, die nach dem Training noch einen Abstecher ins Folkwang machen. So viel junges Publikum ist da, dass man schnell spürt, welches Faszinosum so eine lange Nacht im Museum verströmt.
Auch für die Kleinen: Die Taschenlampen-Führungen für Kinder sind dabei so rasch ausverkauft, dass sich Leni (10), Hannah (10) und Greta (10) schnell noch für einen Besuch in der Druckwerkstatt entscheiden. Auch Silke Agartz ist am späten Abend noch mit ihren Kindern im Folkwang unterwegs. Ein klassischer Museumsrundgang wecke beim Nachwuchs ja nicht immer so enorme Begeisterung. „Aber wenn ich abends um neun sage, lass uns ins Museum gehen, dann hat das einen besonderen Reiz.“
So geht es vielen, die an diesem Abend entspannt mit einem Glas Wein durch die langen Folkwang-Foyers schlendern, eine der vielen Themenführungen besuchen oder zur szenischen Lesung in die Plakat-Ausstellung „We Want You“ strömen; während sich die vielen Museumswärter und Ausstellungsführerinnen und -führer schon wieder fit machen für die Tagesschicht beim großen 24-Stunden-Fest. Und während die einen frühmorgens das Haus verlassen, rollen die ersten Besucher schon wieder ihre Yoga-Matte im Folkwang aus – zum Morgengruß mit Blick auf die Kunst vom Thomas Schütte.