Essen. Die Essener können per Online-Voting mitbestimmen, wie es mit dem Willy-Brandt-Platz weitergeht. Für das Reallabor gibt’s drei Vorschläge.

Am Eingang zur Essener Innenstadt vollziehen sich erhebliche Veränderungen: Die Körfer-Gruppe baut den Kaufhof mit viel Aufwand zum Königshof um, das Eick-Haus wird gründlich modernisiert und direkt vor dem Handelshof halten demnächst Straßenbahnen der Ruhrbahn. Erklärtes Ziel der Stadtplaner ist auch, den Willy-Brandt-Platz als Entree zur Innenstadt neu zu gestalten. Bevor dieses anspruchsvolle Projekt 2025 europaweit ausgeschrieben und 2026 verwirklicht wird, soll es im nächsten Jahr im ersten Schritt einen zwei Monate langen Test geben. Bis zum 13. Januar können Bürgerinnen und Bürger per Internetvoting darüber abstimmen, welches von drei Konzepten 2023 als sogenanntes Reallabor getestet wird.

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Fragen zur künftigen Nutzung und Gestaltung des Platzes gibt es zuhauf: Wie werden sich die Essener Innenstadt und die Käuferströme entwickeln? Soll der Platz eine Durchgangsstation bleiben oder ein Ort mit Aufenthaltsqualität? Was bedeutet ein Ja zu mehr Aufenthaltsqualität? Mehr Sitzbänke, mehr Räume zum Austausch und gar eine Bühne für Veranstaltungen? In einer ersten Onlinebefragung im September haben Bürger bereits bemängelt, dass der Willy-Brandt-Platz als ungemütlich und kühl wahrgenommen wird.

Onlinevoting läuft auf der Plattform willy-brandt-platz.de

Drei Planungsteams haben inzwischen ihre Konzepte für das Reallabor im nächsten Jahr vorgestellt: MAP Markus Ambach Projekte (Düsseldorf), Modulorbeat (Münster) und das Raumlabor Berlin. Die Onlineabstimmung läuft über die neu geschaffene Plattform willy-brandt-platz.de. Wer bei der Abstimmung die meisten Stimmen erhält, darf das zweimonatige Reallabor im nächsten Sommer und Herbst durchführen. „Alle drei Vorschläge sind qualitativ gut und umsetzbar“, sagt Margarete Meyer, Abteilungsleiterin Stadterneuerung im Amt für Stadtplanung. Nun müsse der beste ermittelt werden.

MAP nennen ihr Konzept „Wunderkammer City Nord“. Die mit dünnen Stoffbahnen bespannte Gerüst-Installation ist fünf Meter breit, 20 Meter lang und drei Etagen hoch. Auf dem Dach schaffen die Düsseldorfer eine grüne Oase als Ort zum Verweilen, zum Eick-Haus hin, soll es eine Bühne für Veranstaltungen geben. Auf den anderen Ebenen wirken Akteure und Geschäftsleute aus dem Kreativquartier Nördliche Innenstadt. Auch der beliebte Marktstand könnte in die Wunderkammer aufgenommen werden. MAP sind in Essen keine Unbekannten: Für das Projekt „Folkwang und die Stadt“ haben sie im Sommer auf dem Berliner Platz das „Eco-Village“ installiert.

Über drei Projektvorschläge fürs Reallabor Willy-Brandt-Platz können die Essener per Onlinevoting abstimmen. Der erste Entwurf heißt „Wunderkammer City Nord“ und stammt vom Düsseldorfer Büro MAP.
Über drei Projektvorschläge fürs Reallabor Willy-Brandt-Platz können die Essener per Onlinevoting abstimmen. Der erste Entwurf heißt „Wunderkammer City Nord“ und stammt vom Düsseldorfer Büro MAP. © MAP

Drei Konzepte: „Wunderkammer City Nord“, „Rot-Weiss Willy“ und „Mehr Demokratie wagen“

„Rot-Weiss Willy“ nennt das Münsteraner Architekturbüro Modulorbeat seinen Entwurf. Es handelt sich um eine langgezogene Holzkonstruktion mit drei Hochpunkten und begehbaren Flächen dazwischen. Dort stehen verschiebbare Elemente wie etwa Wanderbäume und Bänke, die auch auf dem Willy-Brandt-Platz an unterschiedlichen Stellen aufgestellt werden können. Die Modulorbeat-Leute würden mit ihrem umgebauten Marktanhänger nach Essen kommen, um während des Reallabors mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Sie nennen das Gefährt „ALF, das Partizipationsmobil“. Trotz der auffälligen Schreibweise „Rot-Weiss“, so heißt es, weise der Projektentwurf keinerlei Bezug zum gleichnamigen Essener Drittligisten auf.

Das Münsteraner Architekturbüro Modularbeat nennt sein Konzept „Rot Weiss Willy“: eine langgezogene Holzkonstruktion mit mobilen Sitzelementen und Wanderbäumen.
Das Münsteraner Architekturbüro Modularbeat nennt sein Konzept „Rot Weiss Willy“: eine langgezogene Holzkonstruktion mit mobilen Sitzelementen und Wanderbäumen. © modulorbeat

Im dritten Projektvorschlag hat sich das Raumlabor Berlin vom Namensgeber des Platzes und seinem bekanntesten politischen Slogan inspirieren lassen. Der Sozialdemokrat Willy Brandt, der 1969 zum Bundeskanzler gewählt wurde, überschrieb sein Regierungsprogramm mit dem Leitmotiv „Mehr Demokratie wagen“. Die Berliner setzen in ihrem anspruchsvollen Entwurf auf die Elemente Austausch und Debatte. Ein kreisrundes Gebäude diene als kleines Parlament. In einer Bauhütte können Dinge hergestellt werden, die in einem monitor-ähnlichen Lastenregal erworben oder getauscht werden können.

Vorschlag 3: „Mehr Demokratie wagen“ ist der Entwurf des Berliner Raumlabors für den Willy-Brandt-Platz überschrieben. Das Rundgebäude soll als Parlament dienen, daneben steht die Bauhütte.
Vorschlag 3: „Mehr Demokratie wagen“ ist der Entwurf des Berliner Raumlabors für den Willy-Brandt-Platz überschrieben. Das Rundgebäude soll als Parlament dienen, daneben steht die Bauhütte.

Per E-Mail ist nur eine Stimmabgabe möglich

Margarete Meyer, die Expertin für Stadterneuerung, und ihr Teamleiter Marcus Eißing (Stadtteil-Entwicklung Stadtkern) betonen, dass sie in dem mehrstufigen Beteiligungsverfahren mit den Eigentümern des Gebäudeensembles am Willy-Brandt-Platz in ständigem Kontakt stehen. Dazu zählen die Hauptpost, der Königshof, Eick-Haus und Handelshof – vier Gebäude aus unterschiedlichen Epochen mit hohem architektonischem Anspruch.

Die Vorgaben des Stadtplanungsamtes sind für die drei Planungsteams verpflichtend: Ihre Vorschläge müssen so nachhaltig gestaltet sein, dass die Installationen nach zweimonatigem Reallabor problemlos wieder zurückgebaut werden können.

Um Manipulationen beim Onlinevoting bis zum 13. Januar auszuschließen, müssen sich Interessierte per E-Mail registrieren. „Jeder kann nur einmal abstimmen“, sagt Margarete Meyer.

Öffentlich ausgestellt werden die Konzepte der Planungsteams auch auf dem Willy-Brandt-Platz selbst. Das Amt für Stadtplanung hängt am kommenden Montag spezielle Banner mit den Entwürfen an den Bauzaun des Königshofes.

Ist das Reallabor im Herbst 2023 abgeschlossen, sollen die Erkenntnisse ausgewertet werden und in die Aufgabenstellung einfließen, die der Rat in der europaweiten Ausschreibung vorgibt.