Duisburg-Meiderich. Jungs e.V. aus Duisburg und sein Jungen-Büro sitzen jetzt in Meiderich. Wie Kinder und Jugendliche, aber auch Schulen, davon profitieren sollen.

Mit der Rückkehr nach Meiderich schlägt der Jungs e.V. aus Duisburg ein neues Kapitel auf. Der Vereinssitz und das Jungen-Büro als Anlauf- und Beratungsstelle ist jetzt nach sieben Jahren ins Parkhaus Meiderich zurückgezogen. Davon sollen vor allem Kinder, Jugendliche und Schulen aus dem Duisburger Norden profitieren.

Der gemeinnützige Verein ist als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt und bietet geschlechterspezifische Arbeit mit Jungen an. Sein wohl bekanntestes Projekt sind zwar die „Heroes“, die sich zuletzt etwa im Kampf gegen Sexismus und gegen Rassismus einen Namen gemacht haben. Aber das Hauptaugenmerk des Vereins ist ein anderes.

Duisburger Verein setzt auf geschlechterreflektierte Pädagogik mit Jungen

„Wir haben schon mit tausenden Schülern gearbeitet“, sagt Holger Venghaus, einer der beiden Vereinsvorsitzenden. Bei Schulsozialarbeiterinnen oder Lehrkräften sind nach Vereinsangaben derzeit die Angebote zur Selbstbehauptung, zu Rollenbildern, zur geschlechtlicher Vielfalt oder Sozialverhalten oder zur psychosozialen Gesundheit gefragt. Speziell geschulte Jungenarbeiter gehen dann in die Klassen. Berücksichtigt sind dabei alle Schulformen ab der Grundschule. Dementsprechend ist die Zielgruppe circa sechs bis 20 Jahre alt.

„Jungenarbeit ist ohne Mädchenarbeit nicht möglich“, betont jedoch Venghaus und verweist auf die Vergangenheit. So stehe Jungs e.V. in der Tradition der Emanzipationsbewegung der 60er und 70er Jahre. Schon damals hätten insbesondere auch Frauen gefordert und durchgesetzt, dass mit Jungen geschlechtersensibel gearbeitet werde. Daran knüpfen Venghaus und seine Mitstreiter seit den 90ern mit Jungenprojekten an und gründeten 1998 den Jungs e.V., um diese Angebote in Duisburg zu verstetigen.

Mevlüde-Genç-Medaille: Preisgekrönter Einsatz für Toleranz

Heute, fast zweieinhalb Jahrzehnte später, sieht der Vorsitzende seinen kleinen Trägerverein als Vorreiter und Vorbild für die geschlechterreflektierte Arbeit in der Stadt, in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland. So ist der Verein beispielsweise sehr stolz darauf, 2019 die erste Mevlüde-Genç-Medaille des Landes NRW erhalten zu haben. Die Auszeichnung erinnert an den Brandanschlag von Solingen und ehrt Menschen oder Organisationen, die sich um Toleranz, Versöhnung zwischen den Kulturen und um das friedliche Miteinander der Religionen verdient gemacht haben.

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Auf früheren Erfolgen wollen sich die Vorstandsmitglieder allerdings nicht ausruhen. Auch der neue Mitarbeiter des Jungen-Büros nicht. Tatsächlich hat sich David Driever am neuen Standort in Meiderich für die Zukunft einiges vorgenommen. So betreut er im Parkhaus aktuell eine von mehreren Jungengruppen im Stadtgebiet.

Darin können die Teilnehmer über Monate hinweg über Themen sprechen, die sie bewegen. Ohne dass sie sich gegenüber Mädchen produzieren müssen oder Mädels niedermachen, um bei anderen Jungen besser dazustehen. So geht es auch darum, Vorurteile und alte Rollenbilder aufzubrechen. „Wer Fußball mag, darf Fußball mögen. Aber es ist genauso in Ordnung, lieber Ausdruckstanz zu mögen“, so Driever. Die Teilnehmer diskutieren nicht nur miteinander, sie unternehmen auch Ausflüge, kochen gemeinsam oder schauen Filme. Dadurch entsteht ein besonderes Vertrauensverhältnis, auch zum Gruppenleiter.

Breites Netzwerk im Duisburger Norden

Von dem Umzug weg aus Neudorf an die Bürgermeister-Pütz-Straße verspricht sich David Driever jedoch auch neue Impulse für seine offene Beratungsarbeit und für spätere Projekte. „Das Parkhaus ist ein Jugendkulturzentrum. Hier findet viel statt, hier werden wir gesehen, sind viel näher dran an den Jugendlichen“, schwärmt der Mitarbeiter des Jungenbüros. An der Bismarckstraße sei kein spontaner Kontakt zur Zielgruppe zustande gekommen. Zusätzlich sei die Netzwerkarbeit nun einfacher, da wichtige Partner im Duisburger Norden sitzen, darunter das städtische Jugendzentrum Zitrone und das Mädchenzentrum Mabilda in Obermarxloh sowie der Ofju e.V. in Neumühl.

Neben der Netzwerkarbeit sollen auch die Sprachcamps in Kooperation mit dem Jugendamt weiterlaufen. Sie unterstützen unter anderem Flüchtlingskinder beim deutschen Spracherwerb.

Geschlechteridentität: Neuer Mitarbeiter setzt neuen Schwerpunkt

Allerdings wird David Driever auch neue Akzente setzen. So soll ein Schwerpunkt die Arbeit zu Geschlechteridentität werden. Ein gemeinsames Projekt mit dem Mädchenzentrum Mabilda ist bereits geplant. Der Bedarf sei groß. „Immer mehr Schulen melden sich bei uns, weil es Transjugendliche gibt, die sich nicht zuordnen. Oder die sich zuordnen wollen, aber nicht akzeptiert werden“, erläutert Driever. Jungen Menschen fehle vielleicht die Sprache, um auszudrücken, wie sie sich fühlen. Auch dort sollen künftige Projekte ansetzen.

„Wir sagen den Kindern und Jugendlichen nicht, was richtig und falsch ist“, ergänzt Volker Rau, ebenfalls Vereinsvorsitzender. Als hauptamtlicher Förderschullehrer bestätigt er, dass sich „immer mehr Schüler“ über Geschlechteridentität „Gedanken machen“. Daher sei „wichtig, dass solche Diskussionen stattfinden und dass sie angeleitet werden“. Dafür seien der Jungs e.V. und das Jungenbüro, finden die Vorstandsmitglieder, genau die richtigen Ansprechpartner – und der neue Vereinssitz im Parkhaus Meiderich als Anlaufstelle geradezu ideal.

>> DAS NEUE BÜRO IST IN DUISBURG SEHR BEKANNT

● Der Verein Jungs e.V. wird unter anderem von der Stadt Duisburg finanziell unterstützt.

● In der Vergangenheit hatte er seinen Sitz schon mal im Parkhaus, damals bezog er das winzige Getränkelager, wo Platz für einen Tisch, einen Stuhl und ein Telefon war. Jetzt hat er einen großen Raum gemietet, der im Stadtgebiet sehr bekannt ist; früher war dort das Fan-Projekt vom MSV Duisburg angesiedelt. Am neuen Standort spart der Verein obendrein Miete im Vergleich zu Neudorf.

● Weitere Informationen zum Verein und zu seiner Arbeit gibt’s auf www.jungsev.de. Die offenen Sprechstunden beginnen nach der Sommerpause wieder am 8. August. Kontakt: 0203 44999556 oder info@jungsev.de