Duisburg-Neumühl. Beim Duisburger Stadtteil-Check sticht Neumühl durch sein lebendiges Zentrum hervor. Kein Zufall, sondern Leistung vieler engagierter Menschen.

Die graue Maus im Duisburger Norden – so sagen es zumindest die Zahlen: Beim Stadtteil-Check haben die Neumühler ihrem Zuhause in vielen Kategorien mittelmäßige Noten gegeben. Damit ist Neumühl zwar weit von schlechten Ergebnissen wie in Marxloh oder Bruckhausen entfernt, aber eben auch von vermeintlichen Wohlfühloasen wie Röttgersbach oder Wehofen. Tristes Mittelmaß? „Ich würde ja eher von Bescheidenheit sprechen“, meint Reiner Terhorst, der Neumühl kennt wie fast kein Zweiter.

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Jedes seiner bislang 67 Lebensjahre hat Terhorst in der Heimat verbracht. Geboren wurde er in einem der typischen Zechenhäuser, für deren Erhalt er sich später einsetzte. Seinen Stadtteil begleitet er seit Jahrzehnten auch schreibend, als Autor zweier Geschichtsbücher, aber auch als freiberuflicher Journalist. Auf sein Zuhause lässt Terhorst nichts kommen, lobt vor allem dessen innere Werte – Gemeinschaft und Zusammenhalt: „Es gibt hier viele Menschen, die sich kümmern.“

Neumühler Einkaufszone rund um die Holtener Straße steht gut da

Dazu gehört die Aktionsgemeinschaft Neumühler Kaufleute. Der Zusammenschluss trägt maßgeblich dazu bei, dass Einzelhändler es hier leichter zu haben scheinen als anderswo. Entsprechend gut, mit durchschnittlich 2,28, haben die Leser dieser Zeitung den Stadtteil in der Kategorie Einkaufsmöglichkeiten bewertet. Hier sticht Neumühl aus dem Mittelmaß heraus und erreicht das mit Abstand beste Ergebnis im Duisburger Norden – und das trotz seiner Lage am Rande der Stadt.

Kaum jemand kennt Neumühl und seine Menschen so gut wie Reiner Terhorst.
Kaum jemand kennt Neumühl und seine Menschen so gut wie Reiner Terhorst. © FUNKE Foto Services | Franz Naskrent

Dass die Einkaufszone rund um die Holtener Straße so gut dasteht, lässt sich auf die Zeit nach Stilllegung der Zeche Neumühl zurückführen. „Damals, in den 60ern, gab es einen riesigen Bruch im Einzelhandel“, erklärt Terhorst. „Viele Geschäfte, gerade Familienbetriebe, hatten richtig zu kämpfen.“ Damals gründete sich eine „Notgemeinschaft Neumühler Kaufleute“, aus der später die heutige Aktionsgemeinschaft hervorging. Hier hilft man sich gegenseitig und beugt dadurch auch dem dauerhaften Leerstand von Geschäftsräumen vor. „Gemeinschaft kann viel retten“, sagt Terhorst.

Branchenübergreifend gute Bedingungen für Gewerbe in Neumühl

Dieses Engagement stärkt den Standort auch in anderen Kategorien. So sind in Neumühl immer noch recht viele Ärzte angesiedelt (medizinische Versorgung im Stadtteil-Check: 2,89). Über die Jahre wurde außerdem ein gutes Angebot an Parkplätzen geschaffen (Parkplatzsituation: 2,90). Grundsätzlich biete der Stadtteil gute Bedingungen für fast alle Arten von Gewerbe, meint Terhorst: „Heute gibt es in Neumühl rund 6000 Arbeitsplätze mehr als in den letzten Jahren des Bergwerks.“ Dabei profitiere man natürlich auch von der guten Verkehrsanbindung: Über die Fiskusstraße kommen Menschen aus Oberhausen zum Einkaufen, anderen Gewerben kommen die nah gelegenen Autobahnen zu Gute.

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Und das Miteinander gehe weit über die Kaufleute hinaus, sagt Terhorst, der mit fast allen Neumühler Institutionen in irgendeiner Form verbunden ist. Für einige übernimmt er die Pressearbeit, im Karnevals- und Schützenverein ist er jeweils Ehrenpräsident, in den 70ern war er auch mal in der Politik aktiv. Terhorst kennt in Neumühl nahezu Jeden: „Wenn ich auf den Markt gehe, muss ich Zeit mitbringen, weil ich ständig Leute treffe.“ Und so zielt sein Engagement auch häufig darauf, die vielen Akteuren noch besser miteinander zu vernetzen.

Vereins- und Bürgerbaum als Symbol des Neumühler Miteinanders

Doch spürt dieses Miteinander auch die breite Masse? Die Teilnehmer beim Stadtteil-Check geben Neumühl in der Kategorie Gemeinschaftsgefühl die Note 3,51. Im Nord-Vergleich ein guter Wert, in Gesamt-Duisburg jedoch bloß Durchschnitt. Nicht ganz nachvollziehbar für Terhorst, der so viel gute Arbeit beobachtet, ob bei Kaufleuten, Vereinen oder Kirchen. In seiner evangelischen Gemeinde zum Beispiel gebe es viel weniger Nachwuchssorgen als anderswo: „Ich bin bei uns im Presbyterium der Älteste.“

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Und schließlich hat der Zusammenhalt in Neumühl sogar ein Symbol: Den Vereins- und Bürgerbaum, der jedes Jahr am 1. Mai auf dem Hohenzollernplatz aufgestellt wird. Dazu steigt immer auch ein Stadtteilfest, an dem sich Sport-, Schützen- und Karnevalsvereine, Kirchen, Schulen, Parteien und viele weitere Institutionen aktiv beteiligen.

Und sonst? Bleibt dann eben doch viel Mittelmaß. Was Terhorst aber gar nicht schlimm findet. So antwortet er etwa auf den Mangel an Freizeitmöglichkeiten wie Kinos oder Schwimmbäder (Note 4,08): „Warum soll man einen Teil der Freizeit nicht in anderen Stadtteilen verbringen?“ Und das Neumühler Urgestein ergänzt: „Dann ist es umso schöner, wieder nach Hause zu kommen.“

>>> NEUMÜHLER WÄHLEN BÜRGERIN UND BÜRGER DES JAHRES

• In jedem Jahr werden in Neumühl die Bürgerin und der Bürger des Jahres gewählt. Die Bekanntgabe erfolgt immer im Rahmen eines Neujahrsempfangs, den die Karnevalisten der KG Blau-Weiß Neumühl „Die Pils-Sucher“ organisieren.

• Neumühler Bürgerin des Jahres 2020 ist die aktive Karnevalistin Gabi Pletzinger, Bürger des Jahres ist Stefan Hambücker, Entertainer und Mitvorstand der Neumühler Kaufleute.