Duisburg. Rassismus ist in Duisburg präsent. Zwei junge Männer vom Projekt Heroes über verletzende Sprache, Alltagserlebnisse und Marxloh als „safe space“.

Sie sind des Themas ein bisschen müde, weil der alltägliche Rassismus ihr Leben bestimmt. Emre Bayanbas und Kischog Thevatasan sind zwei junge Duisburger, in Deutschland geboren, zur Schule gegangen, jetzt Studierende. Weil sie sensibel machen wollen, haben sie mit dem Projekt „Heroes“ ein Video gedreht über „Vorurteile gegen PoC“ – People of Colour. Der Clip lässt einen beschämt zurück, denn schmerzhaft und folgenschwer ist nicht nur gewalttätiger Rassismus wie der Umgang mit George Floyd in Amerika.

Fangen wir mit der Sprache an. Wie möchten sie bezeichnet werden? Als Ausländer schon mal nicht, das ist schlicht falsch. Als Menschen mit Migrationshintergrund? Die zwei verdrehen die Augen. Zu oft bekam Thevatasan zu hören, er soll dahin gehen, wo er herkommt. Was die Leute dabei denken, ist ein Ort weit weit weg. Aber Thevatasan ist Deutscher, Hamborner, um genau zu sein.

„Von der weißen Mehrheitsgesellschaft unterscheidet mich nur meine Hautfarbe“

Das Land seiner Eltern, Sri Lanka, hat seit dem Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg nicht zum Frieden gefunden. „Viele Deutsche denken bei dem Inselnamen an paradiesische Urlaube“, sagt Thevatasan, das sei aber eben nur die halbe Wahrheit. „Ich werde nicht als Deutscher angesehen, aber der einzige Unterschied zwischen mir und der weißen Mehrheitsgesellschaft ist meine Hautfarbe, und für die kann ich nichts“, betont der 23-Jährige.

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Im Video spielt der Student des Wirtschaftsingenieurwesens eine Szene, die er sogar an der Uni schon erlebte: Weil man denkt, dass er Inder ist, wird er ungefragt in schlechtem Englisch angesprochen, dabei spricht er perfekt Duisburgerisch.

Auch Emre Bayanbas übernimmt im Video eine Rolle, die ihm nicht fremd ist. Bei einer Bewerbung für eine Wohnung erlebt er als „Hassan“ viele Vorurteile. „Ihr macht doch alle krumme Dinger“, sagt der Vermieter und zählt Drogen, Teppichhandel und Schwarzgeld auf. Als Zuschauer spürt man Wut hochkommen. Wie der 21-jährige Student seine Mimik in der Rolle einsetzt, ist beeindruckend.

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Rassismus an Schulen erlebt

Die Heroes, die als Vorbilder Workshops zu Themen wie Gendergerechtigkeit oder Ehrgefühl geben, erleben selbst in den Schulen Rassismus. „Da kommt dann so ein Schulleiter und sagt, ich habe hier so Macho-Türken, kümmer dich mal“, berichtet Emre. Wenn sie so weit kommen. Nicht nur einmal habe ein Lehrer versucht, sie am Betreten der Schule zu hindern, weil er sofort Ungemach bei ihrem Anblick fürchtete.

Kischog Thevatasan arbeitet ehrenamtlich beim Projekt Heroes in Duisburg. Rassistische Sprüche erlebt der Student häufiger.
Kischog Thevatasan arbeitet ehrenamtlich beim Projekt Heroes in Duisburg. Rassistische Sprüche erlebt der Student häufiger. © Heroes

Kischog Thevatasan bezeichnet sich und seine Community, also Menschen aus Pakistan, Bangladesch oder Indien, als „brown people“, dunkelhäutig, eine Formulierung, die aber nur intern zulässig sei. So wie er auch nicht will, dass seine Hautfarbe mit Lebensmittelfarben verglichen wird.

Die weiße Mehrheitsgesellschaft müsse sich ihrer Privilegien stärker bewusst werden, glaubt Emre Bayanbas. Das sei der erste Schritt zu weniger Rassismus. Hinderlich sei außerdem der Wille, Menschen zu benennen, er rede schließlich auch nicht von seinem „weißen Nachbarn“, sondern nur von seinem Nachbarn. Es müsse eine Bereitschaft zur Reflexion geben.

Ein Problem sei womöglich, dass es keine große Durchmischung gibt zwischen Weißen und Schwarzen – auch nicht im Freundeskreis von Emre Bayanbas und Kischog Thevatasan: „Ich ziehe natürlich Leute an, die wie ich denken, aber es macht mir auch Sorgen“, sagt Thevatasan. „Wir sollten uns nicht zu sehr distanzieren.“

Marxloh ist für viele Menschen ein „safe space“

Ohne Nähe entstehen schnell Vorurteile, Marxloh werde geradezu personifiziert und mit Vorurteilen belegt, findet Emre. Nicht einzelne Menschen sind kriminell, sondern Marxloh, nicht einzelne Familien bringen Probleme mit sich, sondern der ganze Stadtteil. Doch diese sprachliche Verallgemeinerung habe auch direkte Folgen: „Die Polizei ist im Umgang mit uns oft nicht freundlich-bürgerlich, es geht direkt um potenzielle Delinquenten“, ergänzt Gruppenleiter Mahmut Delice.

Emre Bayanbas hält Marxloh für einen „safe space“ für Menschen, die nicht so privilegiert sind wie die Mehrheitsgesellschaft.  
Emre Bayanbas hält Marxloh für einen „safe space“ für Menschen, die nicht so privilegiert sind wie die Mehrheitsgesellschaft.   © Heroes

Emre Bayanbas ärgert das viel zitierte Bild von der Parallelgesellschaft in Marxloh. „Es geht doch darum, sich einen Ort zu suchen, wo man sich sicher und wohl fühlt. Marxloh ist ein „safe space“ für Personen, die nicht so viele Privilegien haben“, glaubt er.

Seiner Vorteile sei sich auch Thomas Gottschalk nicht bewusst, findet Thevatasan. „Mit dem bin ich aufgewachsen, wir haben samstags immer seine Show geguckt und dann macht er solche Sprüche.“ Der Moderator hatte in der stark kritisierten WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ erklärt, dass sich Sprache zwar verändere, aber es doch kein Problem sei, einen schwarzen Menschen einen „Mohr“ zu nennen, weil damit doch kein Respektverlust einhergehe.

Das sehen Kischog Thevatasan und Emre Bayanbas gänzlich anders: Jemanden Kanake nennen und es nett meinen, sei trotzdem rassistisch. Ihr Rat deshalb: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten.

>>>DAS SIND DIE HEROES

  • Die Heroes sind ein Projekt des Vereins Jungs e. V., der seit 2011 geschlechtsbezogene Jungenarbeit anbietet. Beim Heroes-Programm ist der Grundgedanke, die Gesellschaft verändern zu wollen, indem man bei sich selbst anfängt, bei seiner Familie oder in der Schule. Die jungen Männer beschäftigen sich in Workshops mit Rollenbildern, Identitäten und Geschlechtergerechtigkeit.
  • Ehrenamtlich tragen sie nach einigen Fortbildungen und einer Zertifizierung sowie begleitet von Pädagogen in Workshops unter dem Motto „Gegen Unterdrückung im Namen der Ehre – Für Gleichberechtigung“ ihre Gedanken in Schulklassen.

Weitere Infos: www.heroes-net-duisburg.de