Duisburg. Duisburg hat neue Stolpersteine, die an Nazi-Opfer erinnern. Schüler recherchierten. Verwandte aus Israel reisten für die Zeremonie nach Marxloh.

Das Andenken der jüdischen Familie Meisels ehrt jetzt der Jugendring Duisburg. Gemeinsam mit Nachfahren und Zeitzeugen lässt er in Marxloh neue Stolpersteine verlegen. Diese kleinen Gedenktafeln erinnern an das Schicksal von Menschen, die zu Opfern der Nazis wurden. Jakob und Ida Meisels wohnten mit ihren Kindern Reinhold, Berta und Werner an der Dahlmannstraße 13 und betrieben dort ein gut gehendes Lebensmittelgeschäft.

Schülerinnen und Schüler des Abtei-Gymnasiums stehen am Freitagmorgen mit weißen Rosen in den Händen vor genau diesem Haus, in dem die Duisburger Familie seit 1921 lebte. Die Mitglieder der Klasse 7c sind die Paten für die fünf Stolpersteine, die Jugendlichen sind für die Verlegung gemeinsam von der Abtei bis in die Dahlstraße gelaufen.

Duisburger Familie stirbt im Vernichtungslager Sobibor

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Seit 1937 wurden die Meisels hier mehr und mehr unter Druck gesetzt, ihre Ladeneinrichtung zerstört. Sie wurden gezwungen, ihre Möbel zu verkaufen und in das sogenannte Judenhaus an der Meidericher Baustraße zu ziehen. Von dort aus kamen die Eltern mit dem jüngsten Sohn ins Vernichtungslager im heutigen Dreiländereck Polen–Belarus–Ukraine. Sie wurden 1942 in Sobibor getötet.

Die beiden älteren Geschwister schafften die schwierige Flucht nach Palästina. Reinhold brauchte bis 1942, um von Italien und Frankreich über Mallorca nach Portugal und von dort aus über Mosambik und Kenia nach Palästina zu gelangen. Er lebte später in einem dortigen Kibbuz.

Verwandte aus Israel reisen für die Stolpersteine-Zeremonie nach Marxloh

Seine Nachfahren sind mit 14 Familienmitgliedern eigens aus Israel angereist, um an der Zeremonie teilzunehmen und die Stolpersteine zu verlegen. Sie lassen sich übersetzen, was Karlheinz Berendonck über das Schaufenster des einstigen Lebensmittelgeschäfts erzählt. Er erinnert sich noch gut an den Laden. Berendonck war ein Schulkamerad von Werner Meisels (Jahrgang 1929), der mit seinen Eltern im Vernichtungslager Sobibor starb. Jetzt ist er gekommen, um seinem Schulfreund achtzig Jahre nach dessen Tod die letzte Ehre zu erweisen.

Die israelische Familie von Reinhold Meisels, dessen Eltern und Bruder 1942 im Vernichtungslager starben, bei der Verlegung der Stolpersteine an der Dahlmannstraße 13 in Duisburg-Marxloh.
Die israelische Familie von Reinhold Meisels, dessen Eltern und Bruder 1942 im Vernichtungslager starben, bei der Verlegung der Stolpersteine an der Dahlmannstraße 13 in Duisburg-Marxloh. © Sabine Merkelt-Rahm

Die Verwandten sprechen ein hebräisches Gebet für ihre Leute, deren Heimatstadt sie zum ersten Mal besuchen. Am Nachmittag sind sie ins Jüdische Gemeindezentrum im Innenhafen eingeladen, und sie werden das Kultur- und Stadthistorische Museum besuchen.

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Robin Richterich vom Duisburger Zentrum für Erinnerungskultur hat zusammen mit der sehr engagierten Lehrerin Christina van Laack und ihren Abtei-Schülern, der Patenklasse, die Lebensumstände der Familie Meisels erforscht. Er hat noch nicht viele Stolperstein-Zeremonien erlebt, bei denen es Familienangehörige gab, die eine solche Anreise auf sich nahmen. Ihn freut das besonders für die Schülerinnen und Schüler, die bei der Recherche vom Schicksal der Meisels sehr ergriffen waren.

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Die Jugendlichen lesen nun bei der Zeremonie die letzte Rotkreuzkarte vor, die Jakob und Ida mit aus Platzmangel knappen Worten 1942 an ihre beiden überlebenden Kinder schrieben. Diese Karte haben die israelischen Verwandten beigesteuert, nachdem sie im Internet auf die Recherchen der Klasse 7c gestoßen waren. „Sind gesund, wandern Sonntag nach dem Kreis Lublin. Sei tapfer und bleibe gesund. Auf frohes Wiedersehen. Vati, Mutti und Werner.“

Zu dem erhofften frohen Wiedersehen ist es nie gekommen. „Deshalb ist es so wichtig, immer wieder an die Schicksale der einzelnen Menschen zu erinnern, die mehr sind als nur Zahlen in einer Statistik“, sagt der Landtagsabgeordnete Frank Börner (SPD) bei der Zeremonie. Mit Rücksicht auf die israelischen Angehörigen der Familie Meisels spricht er englisch.

>> EINE IDEE DES KÜNSTLERS GUNTER DEMNIG

● Die Stolpersteine gehen auf eine Idee des Künstlers Gunter Demnig zurück. In Duisburg wird die Verlegung seit einiger Zeit vom Jugendring koordiniert.

● Über die Internetseite des Jugendrings kann man eine Standortliste der bereits in Duisburg verlegten Stolpersteine herunterladen: www.jugendring-duisburg.de.

Leider verschwinden immer wieder Stolpersteine im Stadtgebiet, etwa durch Bauarbeiten. Solche verloren gegangenen Steine können durch den Jugendring ersetzt werden.